Von und nach Russland nach dem Postvertrag vom 13.1.1866

  • Guten Abend,
    10.8. - Московско-Брестской ж(елезной) д(ороги) /Moskau - Brest
    LG A

    "Im Grunde sind es doch die Verbindungen mit Menschen, die dem Leben seinen Wert geben."
    W. v Humboldt

  • Werte Freunde,

    Zum Einstand ein « beschädigter » Beleg.

    Ein eingeschriebener Brief von Reval (Gouvernement Estland) vom 22. Mai 1875 nach Mandal Norwegen.

    Hier meine Deutung :

    Da der Brief noch vor Weltpostverein und Inkrafttreten der neuen Postverordnung vom 19. Juni 1875 abgeschickt wurde, ist die Frankatur noch recht individuell : 28 Kopeken

    • - 16 K für Brief nach Norwegen bis 15 Gramm über Deutschland (14K vorgesehen im Postvertrag zwischen Russland und Schweden/Norwegen vom 30. April 1868, Artikel 5 & 2K entprechend 1 1/2 (???) Groschen für Transit durch Deutschland – Russisch-Preussischer Additional-Postvertrag vom 14.(26.) Mai 1872, Artikel 2b) +
    • - 7 K Einschreibe-Gebühr (vorgesehen im Postvertrag zwischen Russland und Schweden/Norwegen vom 30. April 1868, Artikel 7) +
    • - 5 K für die Postquittung.


    Die Anzahl der Siegel war festgelegt : bei eingeschriebenen Auslandsbriefen 2 oder 3 Siegel, die alle Klappen des Couverts verschliessen, was hier auch befolgt wurde.

    Die Stempel mit der Bezeichnung REKOMENDOWANO wurden wohl bis circa 1875 gebraucht. Interessanterweise wurde auch noch ein Einschreibezettel « Eingeschrieben N° » auf dem Brief angebracht, was wohl bei Post über Deutschland
    üblich war (vielleicht weiss ja jemand warum dies so war).

    Nun zu den Marken : Aus irgendeinem Grunde wurde die 3Kopeken-Marke auch als Verschlussvignette benutzt. Vielleicht wollte man sichergehen, dass der Beleg nicht trotz der Siegel unterwegs heimlich geöffnet werden konnte. Den Inhalt, der wohl auf Norwegisch geschrieben ist kann ich leider nicht entziffern.

    Die 20 Kopeken-Marke wurde wohl auch mal « bewegt » und leider nicht sauber behandelt. Warum dies der Fall ist, ist für mich nicht erklärlich.

    Den Durchgangs- oder Ankunftsstempel auf der Rückseite kann ich leider bis auf das Datum 10/6/1875 nicht entziffern.

    Trotz allem denke ich dass es sich um einen sehr netten, postgeschichtlich sehr interessanten Beleg handelt, wobei ich mich frage ob man ihn « ungestraft » ausstellen könnte.

    Mit herzlichen Grüssen,
    H.

  • Hallo Simmerer,

    der Brief hat ein Gesicht - von daher kann man den sicher ausstellen. Evtl. könnte man überlegen, ob man ihn so umfaltet, dass die Marke wieder ganz von vorne zu sehen ist.

    Wenn du Nils den Inhalt zeigst, wird er dir sicher helfen können. ^^

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


    • Offizieller Beitrag

    Hallo Simmerer,

    der Brief liegt etwas ausserhalb "meines" Zeitfensters, daher bleiben einzelne Punkte offen.

    Der schwedisch-russische PV greift hier wohl nicht, da er die direkten Verbindungen über Finnland & Ostsee behandelt.
    Der genannte russich-deutsche PV von 1872 beschreibt in dem zitierten Abschnitt die Behandlung geschlossener russischer Briefpakete nach Schweden/Norwegen. Ob diese Bestimmungen auch für die offen spedierten Einschreibebriefe galten, weiß ich nicht.

    Ein frankierter Brief über Preußen nach Norwegen kostete 16 Kop. + 7 Kop. Recogebühr + 5 Kop. Scheingebühr = 28 Kop.
    Russland behielt davon 17 Kop.: 5 Kop. russ. Porto + 7 Kop. Reco + 5 Kop. Scheingebühr
    Deutschland erhielt 25 Pfennige an Weiterfranko (rot notiert), davon blieben 15 Pfennige in der eigenen Kasse und 10 Pfennige wurden als neues Weiterfranko an Schweden vergütet (blau in Deutschland notiert).
    Mit der Einführung der Mark 1875 wurde auch das Weiterfranko in Pfennigen notiert.

    Es scheint in diesen Jahren eine Post-Instruktion bezüglich der Behandlung solcher russischen Einschreiben gegeben zu haben, die die Verwendung der deutschen R-Zettel vorsah. In meinem kleinen Archiv dokumentierte russische R-Briefe aus den Anfangsjahren der 1870er weisen alle diesen Zettel auf.

    Ein interessanter und seltener Beleg!

    Viele Grüße
    Michael

  • Hallo Ralph und Michael,

    Vielen herzlichen Dank für die sehr hilfreichen Kommentare.

    Ich hätte nun allerdings noch eine Frage oder auch zwei.

    Zuerst, und da bitte ich meine Ignoranz zu entschuldigen, habe ich richtig verstanden, dass 1 Groschen 10 Pfennigen entsprach, also in diesem Falle die notierten 25 Pfennige Weiterfranko, nach vorherigen Bestimmungen 2,5 Groschen ?

    Wenn die erste Vermutung zutrifft, wäre meine daraus folgende Vermutung, dass wenigstens Russland die 7 Kopeken aus dem Postvertrag mit Schweden anwandte und so 19 Kopeken erhielt (7 Kop. russ. Porto + 7 Kop. Reco + 5 Kop. Scheingebühr). Die restlichen 9 Kopeken würden dann recht genau den notierten 2,5 Groschen/25Pfennigen entsprechen. So könnte man dann auch die 1,5 Groschen/15Pfennigen (circa 5K) mit dem russisch-deutschen PV von 1872 erklären, und Schweden würde 10Pfennige /1Groschen (circa 4K) erhalten.

    Das alles ist natürlich nur möglich wenn erstere Vermutung richtig ist, und bedeutet selbst dann keinesfalls, dass es unbedingt so stimmt. Nur frage ich mich sonst was, wenn Russland nur 17 Kop. behalten hätte, mit den dann restlichen 2 Kopeken passiert ist.

    Mit herzlichen Grüssen,
    Simmerer

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Simmerer,

    ja, 10 Pfennige entsprachen einem Sgr.
    Deine folgende Überlegung mit 7 Kop. russischem Portoanteil kommt hin, dann wären die 28 Kop. plausibel aufgeteilt.
    Mich irritiert hier nur, dass meiner Erinnerung nach der schwedisch-russische PV hier eigentlich nicht anzuwenden war, da er den Transit durch Preußen nicht behandelte. (muss den PV noch mal raussuchen, aber vielleicht hast Du ihn ja vorliegen). Dessen ungeachtet kann die russische Post natürlich für die Berechnung des eigenen Portoanteils hierauf zurückgegriffen haben.
    Aber letztendlich teile ich deine Meinung zur Portoaufteilung und würde den Brief so beschreiben.

    Aus diesen Jahren habe ich keinen Brief nach Schweden zum Vergleich vorliegen, Briefe nach Deutschland oder z.B. Belgien, England weisen einen russischen Portoanteil von 5 Kopeken auf.

    Viele Grüße
    Michael

  • Hallo Michael,

    Also wie ich den PV zwischen Russland und Schweden lese, hilft er hier wohl eigentlich wirklich nicht weiter. Über den Transit durch Preussen kann ich dort nichts finden.

    Ein paar Beschreibungen von Belegen nach Schweden und Norwegen habe ich noch gefunden :

    Nach Norwegen :
    1.7.1872, 22Kopeken, 4Sgr notiert
    12.7.1872, 16Kopeken, 20 notiert
    1.8.1872, 16 Kopeken, 3 1/2Sgr notiert
    30.8.1872, 16 Kopeken, 3 1/2Sgr notiert
    12.6.1875, 16 Kopeken, 30/15 notiert

    Nach Schweden :
    10.2.1870, 20 Kopeken, 3 1/2Sgr notiert

    Bei 2 Belegen käme man auf 5 Kopeken für Russland, bei den anderen auf 6-9, aber bei keinem auf 7 ...
    Rätselhaft.

    Herzliche Grüsse,
    Simmerer

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Simmerer,

    um diese Taxierungen einzuordnen, braucht man noch die Angaben, ob es sich um Porto- oder Franko-Taxierungen handelte und welchen Leitweg die Briefe nahmen.

    Hier mal ein paar Daten aus russischen Postjahrbüchern (von Kupec):

    1872
    Nach Norwegen
    über Schweden 15 Kop. Franko / 20 Kop. Porto
    über Preußen 18 Kop. Franko / 28 Kop. Porto
    über Österreich wird nicht aufgeführt
    Nach Schweden
    über Finnland 14 Kop. Franko / 20 Kop. Porto
    über Preußen 16 Kop. Franko / 26 Kop. Porto
    über Österreich 21 Kop. Franko / 30 Kop. Porto

    1873
    Nach Norwegen
    über Schweden 15 Kop. Franko / 20 Kop. Porto
    über Preußen 16 Kop. Franko / 28 Kop. Porto
    über Österreich 22 Kop. Franko / 32 Kop. Porto
    Nach Schweden
    über Finnland 14 Kop. Franko / 20 Kop. Porto
    über Preußen 16 Kop. Franko / 26 Kop. Porto
    über Österreich 21 Kop. Franko / 30 Kop. Porto

    1874
    Nach Norwegen
    über Schweden 15 Kop. Franko / 20 Kop. Porto
    über Preußen 16 Kop. Franko / 28 Kop. Porto
    über Österreich 16 Kop. Franko / 28 Kop. Porto
    Nach Schweden
    über Finnland 14 Kop. Franko / 20 Kop. Porto
    über Preußen 16 Kop. Franko / 26 Kop. Porto
    über Österreich 17 Kop. Franko / 26 Kop. Porto

    Wenn dir die Belege vorliegen, sollte man sie sich hier im Einzelnen anschauen, um die Taxierungen evtl. richtig aufschlüsseln zu können.

    Viele Grüße
    Michael

  • Hallo Michael,

    Vielen Dank für die vielen Informationen.

    Leider handelt es sich nur um Belege die ich aus Auktionskatalogen kenne, und deren Beschreibung ich hier zur Diskussion einstelle, da sie vielleicht helfen könnten irgendein System der Berechnung zu entdecken. Scans würde ich gerne einstellen, aber die Qualität wird dann zu schlecht um noch etwas zu erkennen.

    Es sind alles komplett frankierte Belege, Leitweg wohl immer über Deutschland.

    Habe nun noch andere Daten von Belegen wiedergefunden, hier sind die Abbildungen leider auch zu schlecht um sie nochmals zu scannen :

    Nach Norwegen
    19.3.1869, frankiert mit 30 Kopeken, notiert 4 1/2 Sgr
    8.7.1869, frankiert mit 38 Kopeken, notiert 9 Sgr (2. Stufe)

    Schweden
    ??.11.1871, frankiert mit 20 Kopeken, notiert 3 1/2 Sgr
    24.7.1871, frankiert mit 15 Kopeken, notiert 2 1/2Sgr (rot) 5(blau) sowie Stempel unzureichend frankiert

    Herzliche Grüsse,
    Simmerer

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Simmerer,

    für diese Briefe nach Norwegen bin ich fündig geworden
    1.8.1872, 16 Kopeken, 3 1/2 Sgr notiert
    30.8.1872, 16 Kopeken, 3 1/2 Sgr notiert

    Bei diesem frage ich mich, ob Jahr und/oder Weiterfranko (welche Währung sollte das sein?) stimmen
    12.7.1872, 16 Kopeken, 20 notiert

    In einer Post-Convention zwischen dem Norddeutschen Bund und Norwegen wurde 1868 folgendes vereinbart:
    Das vereinbarte Franko für NDP-Norwegen-Briefe betrug 3 1/2 Sgr., davon erhielt der NDP 1 Sgr. Diese Taxe galt auch für Briefe aus Russland.

    Viele Grüße
    Michael

  • Hallo Michael,

    das ist ja sehr interessant. Ein weiterer Schritt voran.

    Folgende Angaben stimmen :
    12.7.1872, 16 Kopeken, 20 notiert

    Ich werde morgen nochmal versuchen die Abbildung zu scannen. Vielleicht ist es schwedische Währung.

    Mit herzlichen Grüssen,
    Simmerer

  • Hallo,

    Hier links zu einigen Belegen.

    Nach Norwegen :

    1.7.1872, 22Kopeken, 4Sgr notiert
    http://www.bennettstamps.com/cgi-bin/lot_au…lot=1272&lang=1

    12.7.1872, 16Kopeken, 20 notiert
    http://www.bennettstamps.com/cgi-bin/lot_au…lot=1273&lang=1

    1.8.1872, 16 Kopeken, 3 1/2Sgr notiert
    http://www.bennettstamps.com/cgi-bin/lot_au…lot=1274&lang=1

    30.8.1872, 16 Kopeken, 20 notiert
    http://www.bennettstamps.com/cgi-bin/lot_au…lot=1275&lang=1

    12.6.1875, 16 Kopeken, 30/15 notiert
    http://www.bennettstamps.com/cgi-bin/lot_au…le=295&lot=1276


    Nach Schweden :
    10.2.1870, 20 Kopeken, 3 1/2Sgr notiert
    http://www.bennettstamps.com/cgi-bin/lot_au…lot=1283&lang=1

    Herzliche Grüsse,
    Simmerer

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Simmerer,

    die Fotos mit den Angaben machen die Sache doch etwas transparenter - was leider nicht sofort zu Lösungen führt, manchmal sogar zu neuen Fragen. ;)
    Im Moment bin ich unterwegs und habe daher keinen Zugriff auf meine Unterlagen.

    Was mir aber auffällt: Die Belege vom 12.7.1872 und 30.8.1872, jeweils nach Norwegen, haben laut Beschreibung rückseitig Durchgangsstempel von Stockholm. Demzufolge sind sie vermutlich gar nicht über deutsches Territorium gelaufen ... !?

    Viele Grüße
    Michael

  • Hallo Michael,

    Es ist tatsächlich möglich, dass die Briefe nicht über deutsches Territorium gelaufen sind. Kupec notiert ja auch ein Porto direkt nach/über Schweden (das ich allerdings als Frankatur noch nie gesehen habe).

    Hier noch zwei Abbildungen, ganz ohne deutsche oder schwedische/norwegische Stempel. Vielleicht kann man die Vermerke schwedisch deuten ... ?

    Mit herzlichen Grüssen,
    Simmerer

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Simmerer,

    da diese Zeit nicht mein Sammelgebiet und die Destination Norwegen für mich auch eher selten ist, kann ich nichts definitives zu diesem Beleg sagen.
    Den neben dem Narwa-Stempel zu sehenden Stempel von St. Petersburg interpretiere ich so, dass hier eine Umkartierung erfolgte. Für Post nach Norwegen macht dies eigentlich nur Sinn für die Seeroute nach Schweden, da der Seeweg nach Deutschland in dieser Zeit nicht mehr existierte (für Briefpost).
    Die rote "30" könnten Oere sein, ob dies dem schwedisch/norwegischen Inlandsanteil entsprach, weiß ich allerdings nicht. Hier müssten mal Schweden/Norwegen-Kenner ran ...

    Viele Grüße
    Michael

    • Offizieller Beitrag

    Hallo die Runde

    Ab April/Maj 1875 gab es in Norwegen Øre statt Skilling, so dass der letzte Brief sicher in Øre taxiert ist. 3 Skilling = 30 Øre

    Es war aber auch so das die Münzen in 1874 und 1875 in 2 Währungen geschlagen waren. Man hat die Leute so vorbereitet und man dürfte beide Währungen benutzen.

    Wenn es um Briefmarken geht war es nicht wie bei die Münzen. Hier war es aber so dass man die Skilling Briefmarken weit in die 80-er Jahren benützen dürfte.

    Bei Portobriefe war es aber ab 1875 immer Øre vermerkt, wahrscheinlich auch früher erlaubt/gemacht.

    Hoffentlich finde ich mal jemand der etwas mehr über die Norwegische Postgeschichte weiss als ich.

    VG, Nils