• Anbei ein kleiner Brief aus Stockach nach Möskirch aus dem Jahre 1807. Möskirch scheint heutzutage (unter diesem Namen) nicht mehr zu existieren? Ich konnte jedoch herausfinden, dass es sich um das Bezirksamt im badischen Seekreis gehandelt hat.

    Taxierung: Frankobrief (siegelseitig 2 Kr. rh.?) Weshalb der Querstrich auf der Vorderseite? Dies kenne ich eher von österreichischen Teilfrankobriefen?

    Aufgabestempel: Feuser 3449-6 oder 3449-7 - Was meint ihr?

    Transliteration:

    "An
    des Herrn Heiligenvogt
    Winter Hochedelgebohrn
    in
    Möskirch

    Stokach den 22ten Febr 1807.
    Hochzuverehrender Herr!

    Ihr verehrtes Schreiben vom 18t d. erhielte ich richtig
    ich werde Ihnen auch nach meinem _________ (?) an denen
    f300 Capital f150 abführen, und muss ich Sie bitten wenn es
    nur immer möglich ist, nur eine ganz kurze Zeit zuzuwarten,
    im andern Fall aber bitte mich wieder zu berichten.
    Höflichst empfiehlt sich Ihnen Joachim Zeller zum Adler"


    Frage 1: Ist Heiligenvogt ein Titel oder ein Name?

    Über Google findet man folgendes:
    Der „heilige Vogt", ein unverwester Leichnam, der in der Pfarrkirche zu Sinzig aufbewahrt wird, gilt seit über 200 Jahren als Merk- und Sehenswürdigkeit für Einheimische und Besucher der Stadt.
    Hierum scheint es sich mit Sicherheit nicht zu handeln..

    Frage 2: Meint ihr bei dem Vermerk "zum Adler" handelt es sich um das aus dem 15. Jahrhundert stammende und immer noch existierende Gasthaus zum Adler?

  • Hallo Don Stefano


    Frage 2: Meint ihr bei dem Vermerk "zum Adler" handelt es sich um das aus dem 15. Jahrhundert stammende und immer noch existierende Gasthaus zum Adler?

    durchaus möglich.
    Aus Magdeburg ist mir dies so zumindestens bekannt. Die Häuser hatten sogenannte Hauszeichen, da es Hausnummer garnicht gab. "Einheimische" wußten so immer, wo sich das Haus mit den Zeichen xxx befand.

    Mit freundlichem Sammlergruss

    Ulf

  • Hallo Don Stefan,

    Möskirch - Messkirch und 3449-7 ist richtig, allein schon chronologisch und von der Weite der Buchstaben her.

    2x war das Franko für einfache Briefe - hier nur 17km entfernt von einander. Die vorderösterreichische Post (s. Seite 803 Feuser zu Stockach) hat ja dort lange "österreichisch" taxiert, daher auch der Diagonalstrich als Zeichen der bezahlten Gebühr, denn wenn sich auch die Zugehörigkeit zu einem Land bzw. Postgebiet politisch änderte, die Postler blieben oft dieselben.

    Heiligenvogt kenne ich leider nicht.

    Das gesuchte Wort heißt "Versprechen".

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • P.S. Sollte eigentlich unter Württemberg laufen, weil Stockach vom 04.02.1806 bis 1810 württembergisch war, 1810 an Baden (taxische Lehenspost) fiel und ab 1811 nach der Verstaatlichung der Post dort wieder badisch wurde.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • P.S. Sollte eigentlich unter Württemberg laufen, weil Stockach vom 04.02.1806 bis 1810 württembergisch war, 1810 an Baden (taxische Lehenspost) fiel und ab 1811 nach der Verstaatlichung der Post dort wieder badisch wurde.

    Tatsächlich, ich lese es auch gerade im Feuser. Bisher habe ich den Feuser eher zum Stempelabgleich verwendet, in Zukunft werde ich auch den interessanten Notationen auf der linken Seite mehr Beachtung schenken.

    Da ich meine Briefe nach Herkunft des jeweiligen Fürstentums sortiere (hier beispielsweise: "Briefe innerhalb des Großherzogtums Baden" und nicht nach den zuständigen Postanstalten, ist er für mich weiterhin Baden zuzuordnen, dennoch kann der Brief gerne in das württembergische Unterforum verschoben werden, kein Problem.

    Beste Grüße,
    Stefan

  • Hallo Don Stefano,

    ich würde dergleichen immer in beiden Abschnitten einstellen, das macht es einfacher.

    Die Texte im Feuser sind wichtig und allemal lesenswert. Die Abbildungen der Stempel sind ja alle gezeichnet, unterscheiden sich daher mehr oder weniger vom echten Stempelabdruck.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Denkfehler meinerseits: die gesamte Stadt Stockach ging an das Kgr. Württemberg, nicht nur die zuständige Post, demnach gehört der Brief definitiv nach Württemberg.

    _________________________________________

    Ich habe durch die weitere Recherche eine hochinteressante Entdeckung gemacht. Über die Suche nach dem Herrn Heiligenvogt Winter bin ich auf ein Dokument mit dem Titel "Mozartbriefe der Donauschinger Bibliothek" gestoßen. Wir erinnern uns kurz an die Anschrift meines vorgestellten Briefes:

    "An des Herrn Heiligenvogt Winter Hochedelgebohrn in Möskirch"

    Am 10. Jänner 1799 wurde ein gewisser Sebastian Winter wegen zunehmenden Alters und eintretender körperlicher Beschwerden auf dringendes Ersuchen als Heiligenvogt (Verwalter des Kirchen- und Stiftungsvermögens) nach Mösskirch befördert. Unterm 27. März 1809 wurde Sebastian Winter dann "laut ehrenvollster Dekrete und in Erwägung der durch fünfunddreißig Jahre als Kammerdiener treu geleisteten Dienste mit einem jährlichen Gehalte von fl. 300 in den Pensionsstand versetzt."

    Auch hier führen wir uns eine Stelle im Brief vor Augen:

    "ich werde Ihnen auch nach meinem Versprechen an denen f300 Capital f150 abführen"

    Zuvor stand er in Kontakt mit Mozart:

    Am 3. April 1784 schrieb Mozart einen Brief aus Salzburg an Sebastian Winter:

    "Schreibe in Eyle und schicke die 4 Concerte, die wie geschrieben habe [...] noch habe 4 Clavier-Sonaten für das Clavier allein, die nicht bekannt, sondern nur für uns geschrieben sind. Sollte Sr. Durchlaucht, der wir uns unterthänigst empfehlen, auch mit solchen gedient seyn, so kann sie schreiben lassen. Ich bin und verbleibe der alte redlich ergebenste Freund Mozart"

    Eine frühere Adresse des Herrn Winter lautet wie folgt:

    A Monsieur Sebastian Winter
    l’Homme de chamber de S. A. Sr.
    Le Prince de Fürstenburg
    à Donaueschingen

    Er war Kammerdiener des Fürsten von Fürstenberg und während des ersten Aufenthalts der Mozarts in Paris, vom November 1763 bis April 1764, ihr Diener.
    Wolfgang Amadeus Mozart nennt Sebastian Winter in einem weiteren Brief „Gesellschafter meiner Jugend“.

    Sebastian Winter starb zu Mösskirch am 12. April 1815.

    Beste Grüße,
    Stefan

    4 Mal editiert, zuletzt von Don Stefano (26. Dezember 2013 um 17:29)

  • Hallo zusammen,

    wieder einmal wende ich mich vertrauensvoll an unsere hier ansässigen Entschlüsselungsspezialisten.
    Dieses leider nicht genau datierbare Briefchen fand ich kürzlich auf der Messe in Essen - der frühe Heidelberger Rayon-Stempel (Feuser 1406-7, Handbuch 0577, seit 1808 in Gebrauch) gefiel mir, zumal man aufgeklappt Stempel und Taxvermerke gut zeigen kann.
    Aber ansonsten weiß ich nicht viel: er ging wohl Franco von Heidelberg nach Braunschweig, ein Taxvermerk "10" scheint in blauer Farbe korrigiert worden zu sein. Und den Text neben dem "Frey"-Vermerk kann ich leider auch nicht entziffern.

    Für euere Hilfe bedanke ich mich im Voraus!

    Herzliche Grüße
    Alfred (balf_de)

  • Lieber balf_de,

    den hätte ich auch genommen ... :P:P

    Briefe von Baden, und da reden wir nicht nur über den Postort Heidelberg, nach Braunschweig sind alle selten, sogar in den 1860er Jahren darf man das Prädikat "handverlesen" gerne dafür gebrauchen.

    Der Absender notierte "frey" in Unkenntnis der tatsächlichen Kosten und Umstände. Bezahlt hat er nur 8x für die Strecke bis Frankfurt, daher wurde neben dem Frei - Vermerk "Francfort" notiert, es war also ein "Absatzfranko".

    Von FFM bis zur Grenze zu Braunschweig kostete er 10x, so dass er mit 18x belastet der Braunschweiger Post übergeben wurde. Die addierte ihr Inlandsporto dazu und kam so auf das Gesamtporto von 6 1/4 Guten Groschen, die ca. 25x entsprachen.

    Danke fürs zeigen dieser Schönheit.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • .... und zur Abwechselung ein Brief(teil) aus Lörrach mit typischem Baden-Stempel (Rechteckstempel mit abgeschrägten Ecken) in rot vom 28.Aug.1850 . Gerichtet war das Schreiben an

    Löbliches BürgermeisterAmt
    in
    Blansingen

    franko

    Wer kann den Ort lesen? Die Rückseite ist leider nicht vollständig.

    Dieter

  • ... und noch ein Brief aus Baden. Am 30.Jul. (18)50 wurde in Donaueschingen ein Brief zur Post gegeben, gerichtet

    An

    das löbliche Bürgermeisteramt

    in

    Rohrbach

    amts Triberg

    fr.

    Auf der Rückseite die Taxierung von 4 xr, die durchgestrichen wurde. Ist das eine Kontrolle?

    Der AK-Stempel von Triberg findet sich ebenfalls auf der Rückseite.

    In Donaueschingen ging wohl alles etwas gemächlicher. Am 28.Juli bedankt man sich eine Einladung vom 20.Juli für die Erstellung eines Voranschlags für das Jahr 1851. Immerhin 2 Täge später kam das Schreiben zur Post. Die beförderte den Brief am gleichen Tag ins ca. 30 km entfernte Triberg.

    Hatte Baden generell auch für so kurze Strecken 4 xr Porto?

    Dieter

  • Hallo Dieter,

    nach dem allgemeinen Tarif von 1841 betrug das Porto von Donaueschingen nach Triberg 4 Kreuzer für den einfachen Brief bis 3/4 Loth. Es gab auch eine Taxe von 2 Kreuzer, z.B. von Donaueschingen nach Dürrheim oder Engen.

    Warum die 4 gestrichen wurde, weiß ich auch nicht.

    Grüße

    Bruno

  • Hallo Bruno,

    vielen Dank für die Erklärung. Das interessante ist hier, daß der Brief zuerst in Triberg landete und dann im Landpostbezirk wieder einige Kilometer in Richtung Süden gebracht wurde. Laut HASS bekam Rohrbach erst 1860 eine Post.

    Dieter

  • Liebe Sammlerfreunde,

    laut Baden-Tarif von 1834 hatte der Adressat für ankommende rekommandierte Briefe eine Gebühr von 3 Kreuzer zu zahlen. Folgender Brief vom 17. April 1843 aus Buchen konnte aber dem Adressaten nicht zugestellt werden. Mit dem Vermerk "nicht mehr in Kehl" ging der Brief zurück an den Absender, der nun die Gebühr von 3 Kreuzer zahlen musste.

    Vielleicht kann jemand entziffern, um was für Bürger...geld es in dem Schreiben ging, pro Jahr wurden 2 Gulden erhoben.

    Viele Grüsse

    Bruno

  • Lieber Bruno,

    "Bürgerrecognitionsgeld".

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber Bruno,

    auch der Titel (Stand) des Empfängers dürfte nicht alltäglich gewesen sein und heute wohl 99,99% aller Menschen gänzlich unbekannt.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.