• Liebe Freunde,

    ich wollte den zuerst in der Rubrik "Schöne Belege Bayern" zeigen, habe mich aber dann umentschieden. Nein, Schbaß ...

    Eine Ganzsache zu 3 Kreuzern auf Uffenheim wurde am 3.8.187? mit folgender, höchst interessanter Adresse beschriftet:

    X X 20 Post restante Harburg Provinz Hannover f(ran)co

    Nur bei poste restante gestellten Briefen war er erlaubt und möglich, den Empfänger zu anonymisieren, also weder Vor-, Nachname und Stand anzugeben. Was bei anderen Briefen Karl Müller, Schneidermeister zu Ulm war, war hier auf X X 20 reduziert worden.

    Poste restante gestellte Sendungen musste 3 Monate lang bei der Abgabepost vorrätig gehalten werden. Zur Legitimation war bei gewöhnlicher Adressangabe die Vorlage des Passes und/oder das Mitführen eines ortsbekannten Honoratioren nötig, hier jedoch nicht. Jeder, der im August des Jahres 187? in Harburg an den Schalter gekommen wäre und nach Post "X X 20" gefragt hätte, hätte diesen Brief ausgeliefert bekommen, was z. B. den Vorteil hatte, daas man ihn auch problemlos abholen lassen konnte, ohne selbst auf die Post zu müssen.

    Briefe mit Codes oder Chiffren gab es nur bei dem Postsonderdienst "poste restante" und auch da waren sie eher die Ausnahme, als die Regel.

    Das allein konnte mich bewegen, dieses "Schmuckstück" zu erwerben und wer einen solchen Brief im Jahr schnappen kann, tut gut daran, es zu tun. Auch wenn er so aussieht ...

  • Lieber Michael,

    vielen Dank - immerhin lief er in eine preussische Provinz, die sich ja ab 1866 nicht mehr hannöversch schimpfte. ^^

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber Ralph,

    Ganz toll! Vielen Dank für's Zeigen!

    Liebe Grüße von maunzerle :thumbup:

    "Ein Leben ohne Philatelie (und Katzen) ist möglich, aber sinnlos!" (frei nach Loriot, bei dem es allerdings die Möpse waren - die mit vier Beinen wohlgemerkt)

  • ...auch von hier aus recht herzlichen Glückwunsch zu dieser krassen Rarität. Anonyme Zustellung und das noch über Berg und Tal von Mittelfranken nach Hannover, was allein schon ein Ding genug ist.

    Alle Wedder ! :thumbup:

    + Gruß !

    vom Pälzer

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Hallo Ulrich,

    tolles Stück - hat die blaue Paraphe etwas zu bedeuten?

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • hat die blaue Paraphe etwas zu bedeuten?

    Bestimmt, aber da wir den Postboten nicht mehr fragen können, können wir nir vermuten:
    - Kennzeichnung des Beamten das der Brief in die Restante Ablage muß
    - "0" das es keine extra Gebühr kostet

    andere Ideen?

    Grüße aus Bempflingen
    Ulrich

    Das Leben ist zu kurz um sich darüber zu ärgern, was andere über dich denken oder sagen

    also hab Spaß und gib ihnen etwas worüber Sie reden können

    scheinbar ist ihnen ihr eigenes Leben zu langweilig

  • Hallo Ulrich,

    Bestimmt, aber da wir den Postboten nicht mehr fragen können, können wir nir vermuten:

    gerade der hat doch poste restante - Briefe nie gesehen ...

    Ich finde manuelle, farbige Applikationen auf Briefen immer spannend - oft bekommt man durch vergleichende Vorgehensweisen etwas heraus, aber leider nicht immer. Schaun mer mal, ob es einer hier weiß.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • iebe Freunde,

    der Thread füllt sich nur recht zäh - wie ich es erwartet hatte, denn so viele Briefe der Klassik mit diesem Postsonderdienst scheint es wohl allerorten doch nicht zu geben.

    Heute zeige ich einen, den ich ob seines Erhaltungszustandes eigentlich eher nicht erworben hätte, aber ich habe mich seiner erbarmt und so darf ich ihn hier kurz vorstellen:

    Geschrieben in Triest am 11.7.1858 lief er die Adresse Antonio Grandi in Recoaro an, damals zum italienischen Teil Österreichs gehördend. Absender war die Firma Miller & C. in Triest(e).

    Der Brief trägt oben den Vermerk "ferma in Posta" = auf der Post liegenbleibend, also dem italienischen Sprachgebrauch für das französische "poste restante" folgend. Da er 3 Monate lang bei der Abgabepost vorrätig zu halten war, war ein datumsmäßig leserlicher Ankunftsstempel Pflicht - hier am 13.7. geschehen. Irgendwann muss er dann ausgelöst worden sein, wobei ich nicht weiß (wer weiß es?), ob es dafür eine interne Gebühr zu berichtigen gab.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

  • Liebe Freunde,

    man braucht ab und zu auch mal Glück - ich hatte es, als ich auf ein Lot von 2 Briefen bot, wovon der andere noch vorgestellt werden wird (ein Brief mit Briefen!) und ich den anderen als Beifang verbuchte (ehe ich ihn hatte).

    Er sei aber hier gezeigt und besprochen, weil er doch nicht so uninteressant ist, wie es auf den ersten Blick scheinen könnte.

    Am Wiener Schalter für recommandirte Briefe gab man am 25.10.1859 einen einfachen Brief nach Schwaig auf, welches durch die Postexpedition Lauf bei Nürnberg versorgt wurde. Hierzu waren 15 Neukreuzer unter 1 Loth über 20 Meilen und 6 Neukreuzer Recogebühr zu frankieren (damals herrschte im Postverein noch Frankozwang bei der Recommandation - das fiel erst mit dem 1.1.1861).

    2 Tage später war er in Lauf und wurde seiner Empfängerin, "Ihrer Wohlgeboren Fräulein Sidonie Goes Tochter des hochwohlgebornen Herrn Major Wilhel Goes" zugestellt.

    Auf der letzten Seite lesen wir folgendes: "Deinen nächsten Brief, den ich recht lange & ausführlich erwarte, & den du recht bald nach Empfäng dieser Zeilen absenden willst, bitte ich nach Pest a/ Donau, Post restante zu adresiren; es ist so sicherer, da es mir sonst wie hier gehen könnte, wo ich nämlich in dem dir aufgegebenem Hotel zur STadt Frankfurt kein Zimmer frei fand & mich in ein Anderes begeben mußte; so muß ich jetzt jeden Tag in jenem Hotel nachfragen, ob keine Briefe für mich da sind."

    Für mich ein kleiner Traum als Liebhaber von poste restante - Briefen.

    Oben vorn noch die Reconummer von Wien mit 182 vermerkt - die blaue Tinte dürfte von einer bayer. Poststelle stammen, die es aber nur zu einem Tintenkrüppel geschafft hat. Auch egal, bei dem Inhalt!

  • 2 Tage später war er in Lauf und wurde seiner Empfängerin, "Ihrer Wohlgeboren Fräulein Sidonie Goes Tochter des hochwohlgebornen Herrn Major Wilhel Goes" zugestellt.

    Für mich ein kleiner Traum als Liebhaber von poste restante - Briefen.

    Und für mich, lieber bayern klassisch, sind Briefe ein Traum, wenn sich Spuren im www finden lassen. Hier z.B.: Wie und wann aus der Jungfrau Sidonie die Frau Handlungsbuchhalter Schreiner wurde:

    Getraute Protestantische: Hl. Kreuzh Hr. Karl Schreiner, Handlungsbuchhalter, Wittwer; und Jgfr. Sidonie Goes, kgl. Majorstochter von Schwaig bei Nürnberg. (Auswärtige Trauung).
    Intelligenz-Blatt der kgl. bay. Stadt Augsburg, Sonntag 18. März 1860 - S. 59

    Weitere Fundstellen zu Herrn Major gibt es auch (gest. April 1871). Viel Freude beim googeln, vielleicht finden sich noch weitere Lebensdaten.

    Herzliche Grüße von Luitpold

  • Lieber Werner,

    wenn ich Sidonie Goes bei google eingebe, erhalte ich erst einmal das:

    https://www.google.de/url?sa=t&rct=j…Scruqmrd_RCLIeA

    Gibt es 2 Internetze?

    Guten Morgen lieber Ralph,

    einen Liebesbrief (er schrieb an sein "Bräutchen" - also schon verlobt?) aus vergangener Zeit zu besitzen, ist schon was besonderes (war mir bisher nicht vergönnt). Wenn man dann noch recheriert, dass die beiden geheiratet und - ich gehe davon optimistisch aus - glücklich waren , Wenn man dann noch erfährt, dass das junge Paar ein Mägdelein bekommen hat (5. Febr. 1874) - vielleicht auch schon früher ein Kindlein? - der Wittwer mit 45 J. bereits einen Sohn hatte - 1869 mit 12 1/2 Jahren geb. in Triest ( :!: ) ach daraus könnte ein Film gedreht werden so nach Hedwig Courths Mahler.

    Bitte deshalb den Brief hier mal zu transkripieren, so ganz lesen kann ich ihn noch nicht. Nur der Schluss ist eindeutig und mit Carl unterschrieben.

    Wegen der Recherche: einfach verschiedene Suchkombinationen. Manchmal ergibt sich dann eine Fundstelle über die dann weiter gesucht werden kann.
    Leider nicht immer. Bei 3 meinen Briefen, ergab sich so leider gar nichts. Deshalb sei froh über solche "sprechenden" Briefe.

    Meint in aller Bescheidenheit Euer Luitpold


    PS

    Toll! In der "Temesvarer Zeitung" vom 5.11.1859 ist unter Fremdenliste vom 4.11. ein Karl Schreiner Kfm. von Pest aufgelistet. So, wenn das also der Carl war, dann gibt (gab?) es sicherlich auch einen "poste restante" Brief der Sidonie nach Pest und auch "schmachtende" Briefe von Carl nach Schwaig. Wenn das nicht ein "Suchauftrag" an ALLE ist :!: Wäre doch faszinierend, wenn die Geschichte weitergeschrieben werden könnte.

    Einmal editiert, zuletzt von Luitpold (14. September 2017 um 09:08)

  • Lieber Luitpold,

    gerne machte ich Scans der Inhalte, aber die Größe ist A3 und jeder aufgeklappte Brief leidet im Moment unter jedem Scan des Inhalts, den ich mache. Wenn ich mich mal aufraffe, kaufe ich einen A3 - Scanner, dann sieht es anders aus.

    Hier der nächste unseres verliebten Carl an seine geliebte Sidonie Goes. Es ist der Folgebrief des o. g. Briefes und er wude in Gran - Mana (wo immer das auch liegen möge) am 29.10.1859 geschrieben. 1. Zeile:

    "Herzallerliebstes Schätzchen!

    Mein letztes Briefchen war aus Wien vom 25. d. M. (dieses Monats) & versicherte dich meiner innigsten Liebe & Wohlergehens; hoffentlich ist bereits auch ein recht ausführliches Schreiben von dir für mich nach Pest unterwegs, das mirgleich erfreuliche Nachrichten & Bekenntnisse meines lieben guten Bräutchens bringt."

    Hochinteressant ist aber wieder die 3. und letzte Seite, da Carl nun schreibt:

    "Morgen geht es in aller Frühe weiter nach Pest, woselbst ich bis zum 2ten November früh zu bleiben gedenke, und dann die Städte Szegedin, Temesvar, Arad, Spolnok, Debreczin, Tokaj, Miskolz, Erlau Balassa Gyarmath, Waitzen zu besuchen & bis zum 10. Nov. wieder nach Pest zurückkehren, woselbst ich hoffe das Schillerfest mitmachen zu können. Wenn du gleich nach Erhalt dieser Zeilen mir wieder schreiben willst, so trifft mich dein Briefchen jedenfalls ncoh in Pest, Post restante unfrankirt. Bis zum 15. Nov. hoffe ich wieder in Wien zu sein, um in ein paar Tagen meine Geschäfte daselbst zu vollenden.; dein weiterer Brief trifft mich also bis zum 16.Nov in Wien; ich werde dir natürich inzwischen noch mehrmals schreiben."

    Was ich nicht verstehe, ist die Adresse: Ihrer Wohlgeboren Fräulein Sidonie Goes mit Briefen des hcohwohlgebohrnen Herrn Major Wilhellm Goes Schwaig bei Nürnberg, Post Lauf Bayern.

    Der Brief scheint mir vollständig zu sein - weitere Briefe sind keine vorhanden und in seinem Text geht er auch nicht auf etwaige Briefe eines Majors Wilhelm Goes ein.

  • Was ich nicht verstehe, ist die Adresse: Ihrer Wohlgeboren Fräulein Sidonie Goes mit Briefen des hcohwohlgebohrnen Herrn Major Wilhellm Goes Schwaig bei Nürnberg, Post Lauf Bayern.

    Der Brief scheint mir vollständig zu sein - weitere Briefe sind keine vorhanden und in seinem Text geht er auch nicht auf etwaige Briefe eines Majors Wilhelm Goes ein.

    Lieber bayern klassisch,

    wenn da ein Briefchen für den Herrn Major beilag, dann kann er nicht mehr vorhanden sein, denn er wird in den Händen des Herrn Militärs gelangt sein.

    Die Frage nach dem Absendeort Gran Rana. Da kann Dir sicherlich das Forumsmitglied Ungarn helfen. Die Orte Gran gab es, wie das jetzt auf "Ungarisch" heißt? Jedenfalls in der Nähe von Pest (Budapest) und war eine Eisenbahn-Station (soweit bin ich gekommen). Und nach der Fremdenanzeige in der Temesvaver-Zeitung war ja der Herr Karl dort zu dieser Zeit. Was will man mehr?

    Jedenfalls scheint der Buchhalter mehr gewesen zu sein, als ein Büromensch. War er doch mehr ein "Handlungsreisender"? Wenn erlaubt: wie kann er eine Majorstochter ehelichen? Da denkt man doch eher an einen "feschen Leutnant"? Oder war er Reserveoffizier? Fragen über Fragen.

    Warum meine Begeisterung für solche Korrespondenz? Ich konnte nur anhand der Adresse und eines Siegels die ganze Lebensgeschichte (was halt offiziell zu finden war) eines jungen Beamten von Kissingen bis Bamberg und Ruhestand in Würzburg nachvollziehen - bin sogar im Stadtarchiv Würzburg gewesen und dort den Bürgerbogen besorgt. Überlege schon lange, ob ich diese Geschichte mal im Rundbrief veröffentlichen könnte - was ja keine Postgeschichte wäre).

    Schönes Wochenende wünscht Lutipold

    PS

    Die Karte ist "geklaut" und ich entferne sie wieder in 3 Tagen (nicht das wir Ärger bekommen).

  • Lieber Luitpold,

    vielen Dank für die Karte - wenn du die Quelle nennst, brauchst du sie doch nicht zu entfernen?

    Ich muss mal schauen, wie viele Goes - Briefe ich habe, es muss aber noch etliche mehr geben, als die vlt. 4 Stück, die ich zu haben glaube. Leider habe ich keine Briefe an Carl - hätte ich die, könnte ich einen RB - Artikel schreiben. ^^

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo Freunde,

    einen Goes-Brief kann ich auch zeigen.

    Er fällt allerdings in die Vorphilazeit und ist vom 15.2.1836. Gerichtet ist er an die "Frau Oberleutnantin Goes in Nürnberg, Dilinggaße".
    Die Frau Oberleutnant hieß aber nach dem Briefinhalt Auguste und ist vielleicht die Mutter der von Luitpold erwähnten Sidone ?

    Viele Grüße
    bayern-kreuzer

  • Lieber Wolfgang,

    ein vorzügliches Stück - durch Güte, also die Post veräppelt und ein herrliches, frühes Wapperl hinten - wow, bitte nicht wegwerfen, hier würde sich einer freuen! :thumbup:

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Guten Abend,

    nach einer zweimonatigen beruflich bedingten Zwangspause habe ich wieder einmal Zeit im Forum zu lesen...

    Die Frage nach dem Absendeort Gran Rana.

    ... kann ich beantworten.

    Gran heißt heute Esztergom und liegt an der Donau. Nana liegt auf der anderen Seite der Donau und ist heute ein Teil des Ortes Štúrovo in der Slowakei. Ich hänge noch eine kleine Karte zur besseren Veranschaulichung an.
    Bleibt noch zu vermerken, daß der Stempel Gran-Nana SEHR, SEHR selten ist.
    Von meiner Seite herzlichen Glückwunsch zum Stempel.

    Schönes Wochenende

    Martin

    und im Detail