Franko - Zettel / Franco - Zettel

  • Liebe Freunde,

    heute zeige ich einen Franko - Zettel (FZ) aus Frankenthal in der Pfalz nach Le Havre vom 9.5.1860. Was war ein FZ? Nun, wenn ein Absender etwas postalisches zu erledigen hatte, aber auch die Post sich nicht sicher war, welche Kosten insgesamt zu zahlen waren, aber dem Empfänger die Sendung garantiert ohne Kosten zugestellt werden sollte, dann konnte er mit seiner Postsendung (in der Regel Fahrpost) einen behördlichen FZ mit abgehen lassen, in welchem alle Postverwaltungen ihre Auslagen zu notieren hatten und der dann nach Übergabe des Poststücks an seinen Empfänger wieder zurück geschickt wurde, wo er im Austausch zu dem ausgegebenen Postschein dem Absender gegen Bezahlung aller Kosten ausgehändigt wurde.

    Absender war hier das Bürgermeisteramt in Lambsheim bei Frankenthal. Verschickt wurde eine Rolle (Geld) an das bayerische Konsulat in (Le) Havre mit 120 Franken. Die Rechnung für diesen Wertversand sehen wir rechts notiert:
    Porto für Bayern 19 Kreuzer, bis Paris 56 Kreuzer und nach Le Havre 56 Kreuzer = 2 Gulden 6 Kreuzer.

    Da der Absender eine bayer. Behörde war, hatte man regelmäßig vor der Absendung der Sendung von einen Depositum abgesehen; hätte ein Privater das gleiche Verfahren gewählt, hätte die Aufgabepost einen Betrag, der ihr angemessen erschien, von ihm als Depositum einbehalten und den Rest, so es einen gab, bei Abgabe des FZ wieder erstattet. Die Höhe des Depostiums war auf dem Postschein der Fahrpost selbst zu vermerken.

    Der Grund der Hinsendung von 120 Franken (1 Franken war 28,5 Kreuzer wert, also eine Sendung im Wert von 2.850 Kreuzern = 57 Gulden (plus Auslagen von 2 Gulden 6 Kr.) dürfte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit darin zu suchen sein, dass in der Mitte des 19. Jahrhunderts die Gemeinden für ihre Bürger verantwortlich waren, wenn diese in Not gerieten.

    Offenbar war ein Auswanderungswilliger Mensch aus Lambsheim im Rahmen seiner Reise nach Le Havre finanziell notleidend geworden und benötigte dringend für seine weitere Reise die übermachten 120 Franken, da Mittellose niemals auswandern konnten (auch wenn sich in Laienkreisen genau diese Variante immer wieder verfolgen läßt).

    Nach Rücklauf des FZ dürfte die Gemeinde Lambsheim dann von den Angehörigen des Auswandernden den Betrag von 59 Gulden und 6 Kr. zurück gefordert haben, auch wenn das sicher kein leichtes Unterfangen war, denn viele Auswanderer schieden nicht eben unter den angenehmsten Verhältnissen von ihren Angehörigen und in der Regel kamen diese auch nie wieder in die Heimat zurück, so dass man in solchen Fällen getrost den Betrag, den man auslegte, abschreiben konnte.

    Aus der Pfalz kenne ich eine Handvoll FZ nach Frankreich (alle nach Le Havre). Ich freue mich sehr, endlich selbst einen besitzen zu dürfen, zumal das Thema Auswanderung, auch wenn es belegseitig nicht intoniert ist, eines der interessantesten ist, welches die (Post-)Geschichte zu bieten hat.

    • Offizieller Beitrag

    Lieber Ralph,

    vielen Dank für das Zeigen und Erläutern dieses post- und allgemein zeitgeschichtlich sehr interessanten Belegs. :)

    Viele Grüße
    Michael

    Mitglied im DASV - Internationale Vereinigung für Postgeschichte

  • WAAAHNSINN ! ! !

    maunzerle :thumbup:

    "Ein Leben ohne Philatelie (und Katzen) ist möglich, aber sinnlos!" (frei nach Loriot, bei dem es allerdings die Möpse waren - die mit vier Beinen wohlgemerkt)

  • Liebe Freunde,

    vielen Dank für eure netten Kommentare - gab es eine Parallele für dergleichen Stücke aus Frankreich nach Bayern/Pfalz?

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo Pälzer,

    die Spanne ist ein bisserl lang, aber es könnte sein, dass dies der "Anforderungsbrief" war, der meinen Frankozettel nach sich zog. Leider ohne Inhalt und dadurch schwer zu beweisen ...

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • die Spanne ist ein bisserl lang

    ...15 Tage ??? Im übrigen stammt das Siegel rückseitig vom Bayerischen Konsulat Le Havre, was soll man da in Beantwortung der w.o. gestellten Frage sonst noch aus dieser Zeit (besser) passendes bringen, da kann ich keinerlei Verständnis mehr für entwickeln.


    mfg

    Pälzer

  • Hallo Pälzer,

    normalerweise ging das etwas schneller, weil ja jeder Tag, an dem einer aus der Pfalz in Finanznot in Le Havre fest saß, teuer war und die Malaise noch beschleunigte (es musste für die Unterkunft, Speis und Trank usw. bezahlt werden, so dass die Heimatbehörden oft unkonventionell und schnell handelten).

    Auf der anderen Seite kann der Brief durchaus im Zusammenhang mit meinem FZ stehen; leider weiß ich nicht, wie viele Leute aus Lambsheim 1860 via Le Havre ausgewandert sind. Oft sind ganze Familien zeitlich nahe beieinander fortgezogen. Ohne Briefinhalt, da bleibe ich bei meiner Aussage, ist ein Zusammenhang gut möglich, aber nicht sicher belegt.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • ohne Briefinhalt, da bleibe ich bei meiner Aussage, ist ein Zusammenhang gut möglich, aber nicht sicher belegt

    ...das hat hier auch niemand behauptet, sondern nur das getan, was in post5 angefragt war. Einen Zusammenhang wegen der Zeitspanne von gerade mal 2 Wochen (incl. Beförderungszeit von jeweils 2-3 Tagen) in Frage zu stellen, halte ich hingegen nicht für angemessen, da für solche Beträge (hier fast 60 Gulden) auch erst einmal Entscheidungen haben getroffen werden müssen. Bin gerade in Zusammenwirken mit der Gemeinde Lambsheim an der Erstellung eines Beitrages zu der Postgeschichte des Ortes, es wird gemeinsam mit dem Gemeindearchiv u.a. gezielt nach dem Inhalt des w.o. gezeigten Belegs gesucht.


    mfg

    Pälzer

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Hallo,

    damit der Franco-Zettel von bayern klassisch nicht so alleine ist, hier ein weiterer Franco-Zettel von Bayern nach Preußen vom 2.7.1844.
    Dieser Franco-Zettel aus Würzburg begleitete eine Geldsendung über 175 Gulden und kostete 6 Kr. Das preußische Porto wurde in Wermelskirchen auf 29 1/2 Sgr. festgesetzt. Dieser Betrag wurde dem Postamt Würzburg belastet, die den Gegenwert von 1 fl. 44 Kr. in Auslage nahm und vom Absender kassierte, nachdem der Zettel am 10. Juli wieder in Würzburg eingetroffen war.

    Grüße von liball

  • Hallo Pälzer,

    es wäre phantastisch, wenn bei deiner Recherche heraus käme, dass es ein Pärchen ist. Viel Glück!

    Hallo Karl,

    auch ein sehr schönes Stück - mit dem Auslagestempel noch schöner als mein nüchtern daher kommender, aber die Pfalz hatte leider keine Auslagestempel, was ich an dieser Stelle wieder einmal mehr zutiefst bedaure.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Liebe Freunde,

    ja, Rastatt in Baden ist richtig. Hat man selten, dass für solch naheliegenden Distanzen diese Zettel genutzt wurden.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.