KOEN:PREUSS: SANITAET STEMP – Desinfizierter Brief aus Böhmen

  • Heute möchte ich eine desinfizierten Geschäftsbrief aus dem Cholerajahr 1831 vorstellen, dessen Laufweg mir noch Rätsel aufgibt.

    Kurz zu den Fakten:
    Der Brief wurde am 3. Juli 1831 in Jungbunzlau (Böhmen, Österreich) geschrieben und erreichte seinen Empfänger in Langensalza (Provinz Sachsen, Preußen) am 15. Juli. Auf der Briefvorderseite sind mit zwei verschiedenen Tinten folgende Vermerke angebracht "retour von Rumburg / zu Berlin" sowie "von B Friedland / 6". Was sich hinter der Schwärzung verbirgt ist leider nicht zu ermitteln. Der Sanitätsstempel "KOEN:PREUSS: SANITAET STEMP" bezeugt eine durchgeführte Reinigung des Briefes. Rückseitig weist der Brief das österreichische Franko (ich lese "10" Kreuzer) und einen Stempel von Görlitz mit Datum "1 / 7" auf.

    Anmerkungen:
    – Bei dem Empfänger "Weiss & Söhne" handelt es sich um eine bekannte Tuchmacherei, die seit dem 17, Jh. existierte.
    – Über Rumburg lief die Post ins nahe gelegene Sachsen.
    – Zwischen Böhmisch Friedland und Seidenberg (Preußen) bestand laut Postvertrag von 1820 ein Postaustauch (Österreich-Preußen).
    – Die 6 Silbergroschen müßten der Beförderungsgebühr von 30-40 Meilen entsprechen. (B Friedland – Berlin = 33 Meilen; Berlin - Langensalza = 42 Meilen; B Freidland - Langensalza = 61 Meilen, über alle und Nordhausen gerechnet)
    - Der Verwendungsort des Sanitätsstempels ist nicht genau belegt, es wäre möglich, dass dieser an meheren Orten eingesetzt wurde.
    - Langensalza war im Jahr 1831 nicht direkt von der Cholera betroffen.
    - Das Stempeldatum von Görlitz liegt vor dem Absendedatum des Briefes. (falsche Einstellung oder 11 / 7)

    Fragen:
    – Warum wurde der Brief nicht direkt nach Langensalza befördert, die Zusatelladresse dürfte der Post keine Schwierigkeiten bereitet haben?
    – Wieso war der Brief in Rumburg, wo doch die Post nach Preußen über Böhmisch Friedland lief?
    – Wieso wurde der Brief nach Berlin geleitet?

    Ein erster Erklärungsversuch:
    Vielleicht hat der Absender Sachsen mit der Provinz Sachsen (Kgr. Preußen) verwechselt und "Sachsen" auf dem Brief angegeben (daher die Schwärzung). Dies würde erklären, warum der Brief nach Rumburg gelaufen ist und nicht gleich nach B Friedland. Das Porto von 6 Silbergroschen entspricht dem von B Friedland nach Berlin. Es bleibt offen, warum für die Strecke bis Langensalza nichts berechnet wurde.

    Ich freue mich auf weitere Theorien, die den Laufweg des Briefes klären können.

    Beste Grüße,
    André


    P.S. An dieser Stelle noch einmal einen herzlichen Dank an Ralph, der mir bei der Entzifferung der handschriftlichen Vermerke geholfen hat.

  • Weitere Belege mit dem "KOEN:PREUSS: / SANITAET:STEMP"

    Neben dem oben vorgestellten Beleg von Jungbunzlau nach Langensalza sind mir noch folgende weitere Beleg bekannt:
    – Lauenburg nach Stargard (Sammlung Hedy Faibel)
    – Ratibor nach Cosel (Köhler Auktion)
    – Warschau über Forbach nach Paris (erwähnt im Buch "Disinfected Mail", Dr. Meyer)

    Zwei der Briefe (die nach Langensalza und Paris) könnten in Berlin desinfiziert worden sein. Bei den restlichen beiden Briefe erfolgte die Reinigung vermutlich am Absendeort.

    Kennt sich zufällig jemand mit den früheren Postkursen aus? Preußen war ja ziemlich zersplittert. Gehe ich recht in meiner Vermutung, dass Briefe von Berlin nach Saarbrücken/Forbach über Frankfurt a.M. liefen?

    Beste Grüße
    André