Suche nach Kriegsgefangenen

    • Offizieller Beitrag

    Liebe Freunde,

    etwas unverhofft bin ich an folgende Karte gekommen:

    20. April 1915 aus Genf nach U(nter)-Barmen im Rheinland. Verwendet wurde eine deutsche Feldpostkarte, unter dem Aufgabestempel kann man den violetten Stempel des COMITEE INTERNATIONAL DE LA CROIX ROUGE / AGENCE DES PRISONNIERS DE GUERRE erkennen. Handschriftlich wurde noch notiert sans taxe / affaire de prisonniers de guerre, ausserdem findet sich noch der kleine Einzeiler FRANC DE PORT für dei Portofreiheit.
    Rückseitig findet sich dann noch ein schweizer Stempel 16e CORPS D'ARMÉE / HOPITAL TEMPORAIRE 59 / LODÈVE und der Name des Internierten.

    Über die Internierung deutscher Soldaten in der Schweiz findet man die Angaben, dass ab Anfang 1916 kriegsverletzte Soldaten verschiedener Länder aufnahm.
    Die Karte datiert ein dreiviertel Jahr frühervor dieser Aktion.

    Weiß jemand etwas darüber oder wo man etwas dazu finden kann?

    Gruß
    Michael

  • Hallo Michael,

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    zunächst zu der Karte: Da sehe ich hier jetzt leider leider keinen CH-Internierungsfall. Der Lazarettstempel ist vom 16. französischen Armeekorps mit Stammgarnison Montpellier / Südfrankreich:

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    Das ihm unterstellte temporäre Lazarett Lodève lag ca. 50 km weiter westlich. Die Adressatin Clara Eggmann hatte über das Genfer Rote Kreuz eine Vermisstensuche eingeleitet. Wenn ich das auch richtig entziffere, hat das Lazarett Lodève über die neutrale Vermittlungsstelle des Genfer Roten Kreuzes dann vermelden lassen, dass sich ein Friedrich Eggmann dort nie aufgehalten hat.

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    Das Thema der Internierung von Soldaten der kriegsführenden Parteien in der Schweiz ist, was man so im www dazu findet ziemlich mager bearbeitet. Das hatte ich schon zu einem Brief in post50 dieses threads

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    ...feststellen müssen. Korrespondenzen aus den wenigen dort eingerichteten Internierungslagern sind aber wie Du völlig korrekt angedeutet hat, außerordentlich selten. Von daher wünsche ich jedem, der sich dafür interessiert ein gutes Händchen und Glück, so ein Stück mal abräumen zu können.

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    Viele Grüße !

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    vom Pälzer :thumbup:

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Pälzer,

    vielen Dank für die Infos. Bei dieser Karte bin ich mit dem Text deutlich zu kurz gesprungen ... :rolleyes: (in vielerlei Hinsicht eben nicht meine Baustelle).
    Es handelt sich natürlich nicht um eine Internierung in der Schweiz (ändere den Titel noch).

    Aber vielleicht kannst du mir noch etwas zum Ablauf erklären?
    Interpretiere ich es denn richtig, dass die Beschriftung der Kartenrückseite aus Lodève stammt? (Datum 13.4., Postaufgabe in Genf 20.4.)

    Wie war bei so etwas denn der prinzipielle Ablauf?
    Die Angehörige Clara Eggemann stellt eine Suchanfrage ans IRK in der Schweiz - dieses (oder das franz. Rote Kreuz) ermittelt aufgrund der Angaben (wann & wo vermisst) einen wahrscheinlichen Ansprechpartner in Frankreich, hier die 16.Armee - dieses schickt die Anfrage an das Lazarett - dort wird in diesem Fall negativ bestätigt, dass der Gesuchte nie da war - zurück an das IRK in der Schweiz (kein offizieller Postlauf, keinerlei Hinweise auf der Karte) - Adressierung der Karte und Aufgabe bei der Post.

    Gruß
    Michael

  • Lieber Michael,

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    ein hochinteressantes Thema, dazu findet man eine Broschüre des DRK Suchdienstes mit Darlegung auch der historischen Entwicklung dieser segensreichen Einrichtung:

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    Auszug daraus wie folgt:

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    Im Ersten Weltkrieg richtete das Preußische Kriegsministerium ein Zentralnachweisbüro zur Ermittlung vermisster Soldaten ein. Daneben entstanden Nachweisbüros in den Königreichen Bayern, Sachsen und Württemberg. Die Landesvereine und das Zentralkomitee des Roten Kreuzes in Deutschland nahmen sich ebenfalls erneut der Suchdienstarbeit an und kooperierten dabei mit dem staatlichen Zentralnachweisbüro..


    Der Informationsaustausch über vermisste und gefangene Soldaten lief über das Internationale Komitee vom Roten Kreuz in Genf (IKRK). Dieses hatte hierfür die „International Prisoners-of-War Agency“ gegründet. Diese Agentur führte eine umfangreiche Kartei über vermisste, verwundete, verstorbene und gefangene Soldaten und entwickelte dafür das sogenannte Begegnungsverfahren. Sowohl für den Familienangehörigen, der eine Person suchte, als auch für die gesuchte Person wurde eine Karteikarte angelegt und alphabetisch in die Kartei einsortiert.

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    Beide Karteikarten enthielten sowohl Informationen zur suchenden wie zur gesuchten Person.

    Erhielt das IKRK von den nationalen Auskunftsstellen eines Staates Informationen über einen verwundeten, getöteten oder gefangenen Soldaten, so wurde für diesen ebenfalls eine Karteikarte angelegt und alphabetisch in die Kartei einsortiert. Hatte ein Angehöriger die Person bereits gesucht, so begegnete diese zweite Karteikarte nun der ersten, die damals erstellt worden war. Der Angehörige konnte daraufhin über die Nationale Rotkreuzgesellschaft oder das zentrale Nachweisbüro über das Schicksal des Soldaten informiert werden.

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    Bei Deiner im April 1915 von Lodève bearbeiteten Postkarte handelt es sich ja um ein Antwortteil, d.h. die Anfrage nach dem Verbleib des Soldaten wird wohl auf dem Hinsendeteil gestanden haben. Wer dann gezielt auf Lodève gekommen ist, tja, da kann ich jetzt wirklich nur spekulieren. Das 16. französische Armeekorps hatte von November 1914 bis Anfang Februar 1915 an der Ersten Schlacht von Ypern (Belgien), dann ab Anfang Februar 1915 an der Winterschlacht in der Champagne (Frankreich nahe Luxembourg) teilgenommen.

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    Möglicherweise hat Clara Egggman oder das preussische Zentralnachweisbüro über andere Angehörige der deutschen Stammeinheit des Friedrich Eggmann in Erfahrung bringen können, dass verwundete deutsche Gefangene von einem dieser Kriegsschauplätze in das temporäre Hospital Lodève des gegnerischen 16. französichen Armeekorps abtransportiert worden sind, so dass man das IKRK in Genf gezielt um Vermittlung einer Nachfrage ersuchen konnte.

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    Viele Grüße !

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    vom Pälzer

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

    Einmal editiert, zuletzt von Pälzer (28. Juli 2018 um 20:22)

    • Offizieller Beitrag

    Lieber Pälzer,

    vielen Dank für die interessante Quelle. Das Thema wird nun etwas transparenter.

    Bezüglich der Verwendung der Feldpostkarte bei dieser Suche bin ich die ganze Zeit schon am Rätseln, was es mit dieser auf sich hat.
    Hatten denn Angehörige auch den Hinsendeteil?? (Du merkst, ich habe da nicht viel Ahnung - vorsichtig formuliert)
    Es wundert mich nach wie vor, dass dieser Anwortteil bis nach Lodève gelangte - hier also das beschriebene Karteikartensystem anscheinend nicht (oder nur nebenher) zum Einsatz kam.

    Gruß
    Michael

  • Hallo Michael,

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    ich denke, man darf sich nicht zu arg auf das Karteikartensystem fixieren. Wie in dem Beitrag des DRK Suchdienst steht, sind diesem System täglich zichtausende Informationen (Verwundetenlisten, Gefallenenlisten, Anfragen etc. etc.) zugegangen. Diese wurden dem Karteikartensystem von einer enormen Anzahl von Mitarbeiterinnen/Mitarbeitern zugeordnet. So vermutlich auch hier.

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    Die Vermittlung der Anfrage der Clara Eggmann kann nur über das IKRK erfolgt sein, einen direkter Postaustausch mit dem Lazarett des Feindes kann ich mir nicht vorstellen. Möglicherweise hat das IKRK die Hinsendepoka-Poka für die Kartei einbehalten und das Antwortteil nach Lodève weitervermittelt, mit der Bitte um weitere Bearbeitung und Rücksendung über das IKRK auch im Falle einer Fehlanzeige.

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    Beste Grüße !

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    vom Pälzer

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

    Einmal editiert, zuletzt von Pälzer (28. Juli 2018 um 22:08)