Recommandiert nach Frankreich

    • Offizieller Beitrag

    Liebe Freunde,

    der folgende Reco-Brief von 1867 aus Trachenberg (Niederschlesien) nach Paris ist vorderseitig nicht sonderlich attraktiv, Einschreiben nach Frankreich sind aber generell nicht häufig.

    Neben Aufgabestempel, einem undeutlichen franz. Vertragsstempel und dem P.D. finden sich ein preußischer Reco- und ein französischer Chargé-Stempel.
    Auffällig dann noch die Taxierung 13 1/2 , darunter eine 4 und daneben die 17 1/2. Hinzu kommt die Notiz verte - also auf die Rückseite geschaut

    Diese ist nun richtig interessant (wenn auch nur bedingt schön). ;)
    Hier findet man die Frankatur von 17 1/2 Sgr. unter Verwendung einer 10 Sgr.-Marke (die gemäß Verordnung nur für die Fahrpost vorgesehen war).
    Die Gewichtsnotierung von 1 3/10 Loth erklärt auch die Taxe: Gemäß PV wurden je 10 Gramm 4 1/2 Sgr. Porto fällig. Mit dem notierten Gewicht lag der Brief knapp über 20 Gramm, fiel also in die 3. Gewichtsstufe. 3x 4 1/2 ergibt, die auch vorderseitig notierten, 13 1/2 Sgr.
    Als Reco-Gebühr kamen 4 Sgr. hinzu (hälftige Teilung zwischen Preußen und Frankreich).
    Abgesehen von den Pariser Stempeln verdienen die Siegel einen 2. Blick: die 3 schwarzen Siegel (mit Krone, also gehobener Adel, s.u.) reichten gemäß den Bestimmungen nicht aus! Reco-Briefe nach Frankreich mussten bei diesen Umschlägen 5-fach gesiegelt werden, was hier von der französischen Post nachgeholt wurde (kenntlich an den verbliebenen Inschriften).

    Noch einen Blick auf den Adressaten: Monsieur le comt Paul de Hatzfeld
    Der Graf Paul von Hatzfeld [1] war ein prominenter Beamter im diplomatischen Dienst und zwischenzeitlich Attaché an der Preußischen Gesandtschaft in Paris.
    Der Absendeort Trachenberg bekommt auch eine besondere Bedeutung, da die Mutter des Grafen eine geborene Gräfin von Hatzfeld-Trachenberg [2] war.

    Gruß
    Michael

    [1] Wikipedia-Link
    [2] Biographie-Link

  • Hallo Michael,

    .

    ob attaktiv oder eher nicht, ein "Muss-Hingucker" ist das egal wie schon und die Verwendung eines sehr hohen Wertes wie vorliegend jener der 10 Sgr ist immer prickelnd. Gestatte bei dieser Gelegenheit eine laienhafte Frage: Wie kamen eigentlich so krumme Werte wie 6 Pfennig (wie hier verwendet) oder auch die Werte 3 und 4 Pfennig zustande, war das eine spezielle Umrechnungsgeschichte ?

    .

    Viele Grüße

    .

    vom Pälzer

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Lieber Michael,

    nur den 1. Scan (Vorderseite) von deinem Brief gesehen und ich dachte mir, welcher Depp hat denn da eine 17,5 Sgr. Frankatur abgelöst? Dann Gott-sei-Dank die herrliche Siegelseite gesehen und alles war wieder paletti.

    Diese Nachsiegelungen kenne ich von Strasbourg und Forbach (die anderen Ämter machten das sicherlich auch), sind aber nicht häufig, weil praktisch alle AD - Staaten ausdrücklich auf die 5fache Siegelung bei Recobriefen hingewiesen wurden und in Fällen dürftiger Siegelung durch den Absender die Aufgabepost kostenlos nachsiegeln sollte.

    So einen darfst du jetzt als Alternativ - Brief suchen. :D

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


    • Offizieller Beitrag

    Liebe Freunde,

    danke für die Kommentare.

    Zitat

    Frage: Wie kamen eigentlich so krumme Werte wie 6 Pfennig (wie hier verwendet) oder auch die Werte 3 und 4 Pfennig zustande, war das eine spezielle Umrechnungsgeschichte ?


    Das wurde so im Postvertrag festgelegt, da wollte keine Seite bei der großen Briefzahl Rundungsverluste einstecken. So wurden auch französischerseits 1/3-Centimes-Beträge festgelegt.

    Zitat

    weil praktisch alle AD - Staaten ausdrücklich auf die 5fache Siegelung bei Recobriefen hingewiesen wurden und in Fällen dürftiger Siegelung durch den Absender die Aufgabepost kostenlos nachsiegeln sollte.


    Hast Du dazu was schriftliches gefunden?

    Zitat

    So einen darfst du jetzt als Alternativ - Brief suchen. :D


    Mache ich :D

    Noch eine Frage zu dem Brief: Kennt jemand den rückseitigen (französischen) Rahmenstempel 9. / 6. ? Ein Ausgabestempel?

    Gruß
    Michael

  • Lieber Michael,

    ich habe schon solche kleinen Stempel siegelseitig gesehen, wusste aber auch nichts damit anzufangen. Sicher wissen Laurent, Emmanuel etc. mehr dazu zu sagen. Ich hoffe, sie lesen hier mit.

    Bei Bayern gab es sogar Beispiele, wie Briefe gesiegelt sein konnten und wie sie zu siegeln waren. Das jetzt zu finden würde Tage dauern - ich meine, es hier im Forum - wo auch immer - gepostet zu haben.

    Von mehreren AD - Briefen kenne ich diese amtlichen Nachsiegelungen, weiß aber nicht sicher, ob das auch so in den Ausführungsbestimmungen der jeweiligen Postgebiete stand; es machte aber Sinn, weil man ja gerade bei Recobriefen mit dem Ausland sicher keinen Ärger haben wollte. Es gibt aber auch seltene Fälle, in denen dann in Frankreich nachgesiegelt wurde. Solche Stück sind ausnahmslos große Seltenheiten und sollten nicht verschmäht werden, auch wenn sie nicht immer in Luxus daher kommen.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Großes Kino danke fürs zeigen, da kann ich nicht ansatzweise mit etwas Vergleichbarem aufwarten,...
    Frage zu den Siegeln: In späterer Zeit mussten Recos nicht gesigelt werden bis wann war das gültig?

    „Männer für gefährliche Reise gesucht. Geringer Lohn, bittere Kälte, lange Monate kompletter Dunkelheit, ständige Gefahr, sichere Rückkehr ungewiss. Ehre und Anerkennung im Erfolgsfall.“

    – Ernest Shackleton

  • Hallo Michael,

    Mit wenigen Worten ;) , hier ist die Geschichte dieses Briefes.

    Aber zuerst, ein kleines lustiges Detail: der Absender hat "Ambassade de Pruche" anstatt "Ambassade de Prusse" geschrieben. Das kann "Botschaft von Preuchen" auf Deutsch geben.

    Dieser Brief war für das Mitglied der Botschaft von Preußen in Paris (Graf Paul von Hatzfeld) bestimmt.
    In Paris angekommen, ist der Brief durch die Abteilung der ausländischen Post des Hauptpostamtes in Paris (Stempel "Paris-Etranger") zuerst verbracht.
    Wie schon gesagt, hat ein Postler, mit vollem Recht festgestellt, daß dieser Brief ungenügend versiegelt war. 2 zusätzliche Siegel wurden also angebracht (Siegel "Direction Générale des Postes/Etranger 3").
    Dieser Brief ist in der Botschaft am 8. Juli zugestellt gewesen. Jedoch der Graf von war Hatzfeld abwesend. Er wurde noch einmal am 9 Juli zugestellt, aber der Graf war noch abwesend.
    Der Pariser Briefträger hat dann auf der Rückseite des Umschlages bemerkt " Absent à la 2ème du 9 " (Abwesend während der 2. [zustellung] vom 9. [Juli]) und hat sein Stempel "9/6" geschlagen).
    In der Botschaft hat jemand dem Briefträger sagen sollen, daß die Adresse des Grafen "27, rue de Courcelle" war. Im Postamt wurde die Adresse auf der Vorderseite des Umschlages gestrichen. Man hat auch der Vermerkt " Au dos" ( Siehe Rückseite) geschrieben.

    Viele Grüsse.
    Emmanuel.

  • Lieber Emmanuel,

    so antwortet der Kenner ! :):)

    Liebe Grüsse vom Ralph

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    • Offizieller Beitrag

    Hallo Emmanuel,

    vielen Dank für die ausführliche Beschreibung! :)

    Lieber Ralph,

    solche Beschreibungen, wie ein Reco- oder Wert-Brief zu siegeln ist, gab es auch in preußen. Ich fragte nur wegen deiner Formulierung "weil praktisch alle AD - Staaten ausdrücklich auf die 5fache Siegelung bei Recobriefen hingewiesen wurden und in Fällen dürftiger Siegelung durch den Absender die Aufgabepost kostenlos nachsiegeln sollte."
    Das hörte sich so an, als ob es da etwas amtliches von der französischen Post gegeben hätte, worin deutsche Postbehörden aufgefordert wurden, ggf. solche Briefe nachzusiegeln. DAS hätte mich interessiert. ;)

    Gruß
    Michael

  • Lieber Michael,

    ich kenne Briefe aus Baden, Württemberg, TT, Bayern und Österreich mit vergleichbarer Behandlung (übrigens bis in die Markenzeit), die entweder auf ihrer Reise Richtung Forbach oder Strasbourg von kartierenden deutschen Staaten nachgesiegelt wurden (wohl von Kartenschlußämtern) und wenn diese das unterlassen hatten, dann in Forbach bzw. Strasbourg nachgesiegelt wurde.

    Maßgeblich für die Korrespondenz nach Frankreich waren ja nur Preussen (eigene Verträge), Baden (eigene Verträge), Bayern (eigene Verträge) und Taxis (eigene Verträge). Württemberg fiel hier aus der Verlosung, weil zuvor TT alles geregelt hatte und danach Baden.

    Da also praktisch alle AD - Staaten via der o. g. Postverwaltungen ihre Korrespondenzen nach Frankreich zu richten hatten, gehe ich davon aus, dass auch Hannover, Braunschweig, Sachsen usw. den selben Anforderungen bei der Recommandation unterlagen, wie die eigentlichen Hauptakteure. Ganz sicher waren die großen Transitdienstleister nicht daran interessiert, ständig Recobriefe nachzusiegeln, zumal das nicht in 3 Sekunden erledigt war.

    Aber Primärliteratur von den "kleinen" Postgebieten ohne eigene Verträge zu Frankreich habe ich nicht.

    Liebe Grüsse vom Ralph

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