• Liebe Freunde,

    einen veritablen Postbetrug aus Nannhofen (hat auch vorausgestempelt, dieser Expeditor!) kann ich zeigen mit einer 4II nach Neu-Ötting vom 1.9.1860. Leider kann ich den darunter liegenden 1. Abschlag nicht erkennen und hoffe angesichts eines 1200 dpi - Scans auf bessere Augen von euch, als ich sie habe.

  • Moin bk,

    ..

    im wahrsten Sinne des Wortes: Ganz schwere Nummer. Wenn man die oMR Innenringe farblich voneinander abgrenzt und das vom oMR 332 Nannhofen überstempelte - mal so grob - weiss ausfüllt, dann verbleiben schwarze Fragmente des darunter liegenden oMR. Daran lässt sich im Moment festhalten, dass bei dem überstempelten Abschlag A) um zwei Ziffern geht, B) alle Ziffen eher rundlich daherkommen und C) an der linken der beiden überstempelten Ziffern eine Kopf- oder Fußschleife deutlich wird. Besonders bemerkenswert ist darunter das Fragment eines weitereren Halbogens eines dritten Innenkreises eines oMR.

    .

    Viele Grüße

    vom Pälzer

  • Hallo Tim,
    ich bin immer wieder beeindruckt, was Du alles aus der Trickkiste ziehst, um solchen Rätseln wie bei Ralphs Brief auf die Spur zu kommen. Der ist im übrigen auch zu loben, dass ihm dieser Betrug überhaupt aufgefallen ist. Respekt Euch beiden!
    Liebe Grüße von maunzerle :thumbup:

    "Ein Leben ohne Philatelie (und Katzen) ist möglich, aber sinnlos!" (frei nach Loriot, bei dem es allerdings die Möpse waren - die mit vier Beinen wohlgemerkt)

  • Hallo Pälzer,

    sehr gut - das hätte ich im Leben nicht gesehen. Wichtig also, dass ein weiterer offener Mühlradstempel darunter liegt und wenn wir nicht heraus bekommen, welcher, ist das halt so. Habe den Brief bei Kirstein gekauft und auch die konnten nicht sagen, welcher andere Stempel sich darunter verbirgt.

    Vlt. wäre es mal interessant, ich glaube, dass der liebe Dietmar an der Sache dran ist, heraus zu finden, an welchen Orten Postbetrügereien nachgewiesen wurden. Ich bin sicher, dass das eine zweistellige Anzahl sein wird.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo maunzerle und bk

    .

    wenn man der Vollständigkeit halber noch nach dem Ausschlussprinzip vorgeht, dann passt auch kein evtl. versprungener Abschlag, dafür liegen die beiden Innenkreise definitiv zu weit auseinander. Ein weiterer denkbarer Fall wäre ein zunächst vom Expeditor zu schwach abgeschlagener oMR332, der nochmal kräftiger abgeschlagen worden sein könnte. Dafür sehe ich auf dem Briefpapier allerdings keinerlei Indiz für einen Übergang des überstempelten Abschlags auf`s Briefpapier, so dass hier ein Postbetrug insgesamt wirklich nahe liegt.


    Viele Grüße
    vom Pälzer :thumbup:

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Hallo Sammlerfreunde,

    hier ein Postbetrug der dreisten Art.

    Auf dem Brief an Fräulein Centa Koenig in Au b. München klebt eine 3 Kreuzer Marke mit einem Zweizeilerstempel "MÜN(CHEN) 5, JAN 1(...)", der nicht auf das Briefpapier übergeht. Darüber befindet sich ein Bahnpoststempel "K.B.BAHNPOST Mchn.-Nbg. 5. JAN.".

    Die Marke selbst klebt nur teilweise auf dem Brief, sie ist wohl von einem anderen Brief abgelöst worden, da hinten kein Restgummi festzustellen ist und noch etwas Fremdpapier am Markenrand überhängt.

    Ein Brief von München hätte nach Au b. München als Ortsbrief nur 1 Kreuzer gekostet. Wo die Marke auf den Brief kam, ist leider nicht festzustellen, wegen des Ortsportos wohl aber nicht in München.

    Ohne den Bahnpoststempel war deutlichst zu sehen, dass der Stempel aus München nicht auf den Brief übergeht. Das wurde im Bahnpostwagen wohl glatt übersehen und der Brief unbeanstandet befördert.

    Gruß

    bayernjäger

  • Hallo Udo,

    es spricht sehr viel dafür, dass der Bahnpostler selbst das Stück produziert hat. Als Beamter hätte er die Straftat melden müssen - statt dessen hat er hier wohl die Hauptrolle gespielt.

    Nach deiner Schilderung ist es auch schwer denkbar, dass ein anderer Brief in München so überlappte, dass der Abschlag des Zweizeilers nur fragmentarisch auf die Marke kam.

    Ein tolles Stück! :thumbup:

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • es spricht sehr viel dafür, dass der Bahnpostler selbst das Stück produziert hat. Als Beamter ...

    hätte er Probleme bekommen, wenn er einen Brief vorlegen müsste, der keine Briefmarke (Franko) hat.

    Aus einem mir vorliegenden Postschreiben zu einem ähnlichen Fall könnte es also eine Art "Notabwehr der Revision" gehandelt haben und der Beamte hat eine zufällig vorliegende Marke (die gingen ja auch mal ab und verloren) aufgeklebt.

    Es wäre nur wichtig nachzuforschen, ob in dem Bahnpostwagen Briefe aus München befördert wurden (was ja nicht mehr möglich ist). Einen klassischen Postbetrug schließe ich - zugunsten des armen Postlers - aus. Wie hieß es so schön in der Fersehserie "menschlich halt ...".

    Dennoch ein außergewöhnlicher Brief und vielen Dank für die Vorstellung desselben hier :thumbup:

    Luitpold

  • Lieber Luitpold,

    für das ordnungsgemäße Anbringen von Freimarken war allein der Absender verantwortlich; Marken, die auf dem Transportwege abfielen (ja, das gab es auch!), waren weg und wurden auch nicht vom Personal aufgeklebt. In diesen Fällen galten die Briefe als unterfrankiert und waren nachzutaxieren.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Wie geschrieben, um sich dieser amtlichen Prozedur (macht ja Arbeit) zu entziehen, konnte eine nachträglich aufgeklebte Marke viel Ärger ersparen. Dass dies kein Kavaliersdelikt war, belegt ja mein Postschreiben, indem es um sage und schreibe eine 10 Pf.-Marke geht. Dieser Fall beschäftigte dann den Oberpostmeister höchstpersönlich!

    Beste Grüße von Luitpold

  • Hallo Sammlerfreunde,

    ich gebe noch zu bedenken, dass

    1. der Stress in den Bahnpostwägen immer enorm war

    2. die Beleuchtung in diesen noch im 20. Jahrhundert sehr schlecht war, wie mir ein ehemaliger Bahnpostler erzählt hat.

    So könnte es doch vielleicht auch sein, dass er die ursprüngliche Abstempelung einfach übersehen hat. Ich sage nicht, dass es so war, aber bevor jetzt 1000 Möglichkeiten ins Feld geführt werden, sollte man vielleicht doch auch über die einfachste Erklärung zumindest für die Bahnpostabstempelung nachdenken. Warum dann eine gestempelte Marke aufgeklebt wurde, ist wieder eine ganz andere Angelegenheit.

    Viele Grüße von maunzerle

    "Ein Leben ohne Philatelie (und Katzen) ist möglich, aber sinnlos!" (frei nach Loriot, bei dem es allerdings die Möpse waren - die mit vier Beinen wohlgemerkt)

  • Hallo Sammlerfreunde,

    Marken mit Postbetrug von Schweinfurt sind ja nicht selten. Einen Brief zu finden hat mich allerdings auf eine schwere Probe gestellt. Außer dem unter post 6 von hasselbert gezeigten Brief war bisher kein weiterer Brief bekannt. Hunderte Schweinfurter Briefe habe ich in den letzten 20 Jahren auf einen Postbetrug untersucht, Fehlanzeige.

    Jetzt tauchte bei ebay ein Brief aus Schweinfurt nach Lähn a.d. Rober in Schlesien vom 29.7.1852 auf, den es galt etwas näher zu betrachten.

    Heute kam das gute Stück mit der Post und ich muss feststellen, es handelt sich eindeutig um zwei wiederverwendete Marken. Dieser Brief ist ein Belegbeispiel für die erhebliche kriminelle Energie des Schweinfurter Postlers.

    Wie in vorherigen Beiträgen schon zu sehen, wurden zwar meist zentrisch gestempelte Marken verwendet, irgendwann aber sogar teil- oder eckgestempelte.

    Zunächst zu den beiden Marken:

    Die 6 Kreuzer Marke zeigt leicht versetzt unter den Schaufeln des kräftigen gMR 317 weitere Schaufeln. Leicht schräg zur Nummer 317 ist eine weitere dreistellige, leider nicht lesbare Nummer zu sehen. Die versetzten Schaufeln sind nur auf der Marke und nicht auf dem Briefpapier zu sehen, womit ein zweiter gMR 317 ausgeschlossen werden kann.

    Die 3 Kreuzer Marke trägt unter dem gMR 317 einen zarten Stempel mit einer zweistelligen Nummer. Schwache Schaufelabdrücke sieht man zwischen denen des gMR 317.

    Beide Marken hatten ursprünglich keinen zentrischen Stempel.

    Die 6 Kreuzer Marke wurde um 45 Grad verdreht aufgeklebt, so konnte der gMR 317 so aufgesetzt werden, dass er sowohl die Nachbarmarke als auch das Briefpapier traf. So entstand für beide Marken ein so gut wie nicht zu erkennender Postbetrug.

    Jetzt stellt sich noch die Frage, was hat der Ortsaufgabestempel in der linken oberen Ecke zu suchen?

    Es klingt schon beinahe unglaublich, denn dort ist das Briefpapier stark dünn, wie auch teilweise unter und unterhalb der Marken. Bei genauerem Betrachten habe ich festgestellt, dass dort eine aufgeklebte Marke mit Teilen des Briefpapiers abgerissen wurde und der Ortsaufgabestempel diese Papierbeschädigung überdeckt. Das Gleiche gilt für den gMR 317 der 6 Kreuzer Marke, welcher unten das beschädigte Briefpapier überdeckt.

    Der Postler hat also vermutlich eine ungestempelte 9 Kreuzer Marke des vom Empfänger vorfrankiert aufgelieferten Briefes abgenommenn und dafür zwei gebrauchte Marken aufgeklebt.

    Ihm ist insgesamt gesehen ein nahezu unaffälliger Postbetrug gelungen, der jegliche Kontrollfunktionen der damaligen Zeit unbeanstandet durchlief.

    Die beiden nun bekannten Briefe datieren auf März und Juli 1852. Wie am Juli Brief zu sehen, hat der Postler seine Vorgehensweise im Laufe der Zeit nahezu perfektioniert.

    Wie und wann ihm das Handwerk gelegt wurde, konnte ich bisher allerdings noch nicht herausfinden.

    Erhaltung von Brief und Marken lasse ich hier mal außer Acht, ist das Ganzstück für die Schweinfurter Postgeschichte doch von herausragender Bedeutung.

    Gruß

    bayernjäger

    PS: Näheres zum Schweinfurter Postbetrug siehe auch zu Beginn dieses Themas

  • Hallo Udo,

    den hatten ein paar von uns auf dem Radar - da hat der Schweinfurter aber sich ein Ding geleistet, denn die Abnahme einer Kundenmarke zu 9x war ein glatter Diebstahl und allein dafür wäre er aus dem Postdienst entlassen worden und ins Kaffee Viereck gewandert.

    Danach noch 2 Marken wiederverwendet - das wars dann auch mit der Kaution. Der hat auf hohes Risiko gespielt. Sein Glück war vlt., dass der Brief simpel war, also kaum beim Weitertransport beachtet wurde, weil 9x halt das Standardfranko im Postverein war.

    Auf der anderen Seite ist das so professionell gemacht, dass man fast meinen könnte, er hätte sich finanziell ein 2. Standbein geschaffen ... ich denke, wir werden noch einige Briefe sehen von ihm, die er gebastelt hat.

    Gibt es eigentlich Erkenntnisse, wie er hieß und wie lange er im Postdienst verblieb? Der Krug geht ja bekanntlich nur so lange zum Brunnen, bis er bricht ...

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo Ralph,

    trotz umfangreicher Versuche etwas über den Postler herauszufinden, blieb die Suche erfolglos.

    Weder unter den Dienstesnachrichten der Verordnungsblätter noch in Tageszeitungen konnte ich etwas über einen Vorfall von Postbetrug finden.

    Vielleicht wurde ihm die Sache irgendwann zu heiß und er hat damit aufgehört.

    Wenn das mit den Briefen so einfach wäre....

    Von Schweinfurt gibt es genug Briefmaterial, so dass man meinen müsste, es sollte mehr Briefe geben, dem ist aber offensichtlich nicht so.

    In meinem Fundus habe ich noch eine lose Marke mit einem übergehenden Ortsaufgabestempel gefunden.

    Dieser trägt als Monatsangabe eine "9". Folglich gibt es Daten vom März, Juli und September, wobei für September das Jahr nicht bestimmbar ist.

    Vielleicht kann man über die vorliegenden Marken und deren Platten die Ausführungszeit der Überstempelungen etwas einschränken.

    Anbei ein paar Marken aus meiner Sammlung mit der Bitte an die Plattenexperten sich hinsichtlich der Platte zu äußern.

    Weiter vorne sind unter dem Thema noch weitere Marken aus Schweinfurt.

    Gruß

    bayernjäger

  • Hallo Erdinger,

    der Gedanke ist nicht schlecht, ich glaube aber kaum, dass der Postverwalter höchstpersönlich dafür Verantwortlich war. Vielleicht hat man ihn Zusammenhang mit Verletzung seiner Aufsichtspflicht in den Ruehstand gedrängt. Über den Freiherrn selbst habe ich auch nichts gefunden.

    Gruß

    bayernjäger

  • Sieh an, sieh an, der Herr Freiherr!

    Kann das wirklich sein? Am Schalter saß der ja doch wohl nicht selber! Da wird sich wohl irgendein Untergebener ein Zubrot zu seinem kargen Lohn verdient haben. Aber dran wäre der Blaublütige sicher auch gewesen, wenn man dahinter gekommen wäre, was aber ja anscheinend nicht der Fall war.

    Viele Grüße von maunzerle

    "Ein Leben ohne Philatelie (und Katzen) ist möglich, aber sinnlos!" (frei nach Loriot, bei dem es allerdings die Möpse waren - die mit vier Beinen wohlgemerkt)

  • Liebe Freunde,

    Schweinfurt war ja kein Kaff und das Postaufkommen eher groß. Ich glaube persönlich nicht, dass ein Freiherr Marken abgezupft und andere wiederverwendet hat; aber wissen kann man es natürlich nicht.

    Für wahrscheinlicher halte ich, dass er das delegiert hat und der Delegierte sich daran gütlich tat, die Marken, die er prvat auf seinen Briefen erhielt, zu recyclen. In den VO habe ich nichts gefunden, obwohl damals noch diese Fälle von Defraudationen publiziert wurden (zur Abschreckung!).

    Aber alle von Udo gezeigten Marken scheinen mir Postbetrügereien zu sein und das wird ja nur ein Bruchteil von dem sein, was er gezaubert hat.

    Vlt. haben die 2 auch das zusammen gemanaged, wer weiß.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.