Preussen nach Frankreich - Leitwege und Stempel

  • Lieber mikrokern,

    ein vielleicht passenderes Beispiel ist bayrische Korrespondenz in die Schweiz. Die schweiz. Taxe hing von der Lage des Bestimmungsortes zum Grenztaxpunkt (Nähe Lindau bzw. Nähe Basel) ab. Die Gesamttaxe hing also - je nach Lage des Aufgabeortes - u.U. davon ab, ob direkt von Bayern oder auf dem "Umweg" über Baden spediert wurde.

    Auch für Korrespondenz zwischen Bayern und Rußland gab es zur Postvereinszeit m.W. zumindest zeitweise unterschiedliche Taxen, abhängig vom Speditionsweg über Preußen oder Österreich.

    Liebe Grüße

    Altsax

  • Es stellt sich somit die Frage, warum Dein Brief von Reichenberg aus über Bodenbach geleitet worden ist. Neben der Möglichkeit eines tageszeitlich bedingten günstigeren Anschlusses existiert auch noch die Möglichkeit, daß bestimmte Auslandsbriefe generell über den Knotenpunkt Bodenbach zu spedieren waren, weil von dort aus direkte Kartenschlüsse bis zu einem Grenzpunkt existierten. Möglich wäre demnach, daß ein Kartenschluß Bodenbach - Erquelines bestand. Sofern das nicht der Fall war, behandelte die sächsische Post transitierende Auslandskorrespondenz sicherlich wie die im Inland aufgegebene. Leider finden sich von Leipzig zur Markenzeit nur äußerst selten Kartierungsstempel, sodaß empirische Erkenntnisse nicht zu gewinnen sind.


    Lieber Altsax,

    ... und nochmals herzlichen Dank für Deine Erläuterungen.

    Du siehst, ich habe mich festgebissen. Sorry für meine Penetranz, muss halt sein.

    Der Stempel "Autriche-Erquelines" suggeriert doch in Erquelines die Kenntnis der Herkunft des Briefbeutels aus Österreich, womit man wohl davon ausgehen kann, dass die gesamte Post aus Böhmen, die über Sachsen nach Erquelines geleitet wurde, bereits in Böhmen (Bodenbach) in Briefbeutel verschlossen wurde und Leipzig mit den einzelnen Briefen nichts mehr zu tun hatte. Also ist es richtig anzunehmen, dass der Leitweg via Sachsen und Preussen bereits in Bodenbach vorhersehbar (bestimmbar?) war, da man andernfalls über Hof nach Frankfurt (und weiter Forbach) oder Strassburg ("Autriche-Strasbourg") kartiert hätte.
    War also bereits Bodenbach die "Leitstelle" und nicht erst Leipzig? Zumindest würde das sowohl den Stempel "Autriche-Erquelines" wie auch das Fehlen aller sonstigen (auch sächsischen) Durchgangsstempel erklären.

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • War also bereits Bodenbach die "Leitstelle" und nicht erst Leipzig? Zumindest würde das sowohl den Stempel "Autriche-Erquelines" wie auch das Fehlen aller sonstigen (auch sächsischen) Durchgangsstempel erklären.

    Lieber mikrokern,

    es spricht einiges (wie bereits genannt) für eine Kartierung in Bodenbach auf Erquelines. Das Fehlen jeglicher sächsischer wie preußischer Stempel allerdings nicht, weil im Jahre 1867 nur noch in Sonderfällen derartige Kartierungsstempel anzutreffen sind.

    Endgültig klären können das nur Österreich-Kenner an Hand der Kartenschlußtabellen.

    Liebe Grüße

    Altsax

  • Lieber Altsax,

    ok, gut, soweit alles klar.

    Abschliessend noch die bislang unbeantwortet gebliebene Frage nach der Vergütung Belgiens als Transitdienstleister (Erquelines). Kannst Du dazu etwas sagen?

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • Abschliessend noch die bislang unbeantwortet gebliebene Frage nach der Vergütung Belgiens als Transitdienstleister (Erquelines). Kannst Du dazu etwas sagen?

    Lieber mikrokern,

    soweit die maßgebliche sächsische Postverordnung den preußisch-französischen Vertrag zitiert, ist in der an Frankreich zu entrichtenden Taxe von 2,5 Ngr. pro 10 gr incl. ein Anteil für den belgischen Transit enthalten. Ob Frankreich Transitgebühren pro einzelnen Brief oder pro Gewichtseinheit zu zahlen hatte, geht daraus nicht hervor. Sofern Kartierung bis zur französischen Grenzstation erfolgte, was ich für wahrscheinlich halte, dürfte die Transitgebühr pauschal pro Paket bzw. pro Gewichtseinheit abgegolten worden sein. Details lassen sich dem mir nicht vorliegenden französisch - belgischen Vertrag entnehmen.

    Liebe Grüße

    Altsax

    2 Mal editiert, zuletzt von Altsax (13. Mai 2012 um 21:46)

  • Lieber mikrokern,

    aus dem Urlaub im schönen München nur kurz etwas zu den von Altsax gezeigten (sehr schönen und interessanten) Briefen und der Verträgen:

    Du musst es dir so vorstellen: Baden hat mit Frankreich völlig unabhängig einen PV abgeschlossen, der die Interessen Badens und Württembergs allein betraf. Alles andere war relativ egal. Kam es zu einem Abschluß, sollte Baden (und machte das auch, nicht wie Österreich im IÖPV ab 1851) das Vertragswerk publizieren und den dahinter liegenen Postverwaltungen die Möglichkeit geben, in den Vertrag für Baden stellvertretend einzusteigen.

    So hat es auch TT (wenngleich ohne gemeinsame Postgrenze!) und Preußen mit Frankreich gehalten, die beide Transitdienstleister für Sachsen und andere waren.

    Bayern hat seine Verträge mit Frankreich primär für sich allein abgeschlossen. Es war diesbezüglich autonom. Auch Österreich hatte eigene Verträge mit Frankreich, auch wenn es, wie bei TT, keine Grenze gab; die Gründe liegen in der Historie der beiden Länder begründet und eine Erklärung würde jeden Rahmen sprengen. Bayern hatte sich mit Österreich zu arrangieren, aber die Verträge mit Frankreich selbst tangierte das nicht. Da Bayern und Österreich i. d. R. über Baden bzw. Preußen versandten, war wegen der eigenen Verträge der PV Badens bzw. der Preußens mit Frankreich nicht betroffen.

    Sachsen hatte keinen PV mit Frankreich - bei gleicher Leitung, also über Baden, lag nun aber ein ganz anderes Postverhältnis vor, als bei Bayern und Österreich.

    Dass Sachsen die Wahl hatte, ist eine Sache, aber auch Bayern hatte die Wahlt zwischen Forbach (Preußen) und Strasbourg (Baden) - aber ab dem DÖPV bzw. den ab dieser Zeit geschlossenen Verträgen mit Frankreich waren Preußen und Baden für die süddeutschen Korrespondenten nicht wichtig, wohingegen Sachsen immer auf Baden, TT und Preußen achten musste, um den "passenden" Vertrag zu finden, der eine schnelle und kostengünstige Versendung möglich machte.

    Dieses Thema ist hoch interessant und die Postgeschichte der AD - Staaten allein schon nach Frankreich (über Frankreich geraten wir in ganz andere Dimensionen) wäre es wert, im großen Umfang veröffentlicht zu werden, wenn sich die geeigneten Leute mit ihrem umfrangreichen Material an die Arbeit machen würden. Wäre der Sammler dann noch rüstig genug, müsste er das Buch dann sogar ohne fremde Hilfe noch allein tragen können.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber bayern klassisch,

    ... und der kleine µkern war so naiv anzunehmen, dass die Leitung nach Frankreich (z.B. aus Böhmen oder Sachsen) durch Postvereinsstaaten allein auf der Entfernungsrayon-Basis berechnet wurde und es daher kostenmässig keine Unterschiede zwischen Leitweg über Preussen, TuT, Baden oder Bayern geben könnte.

    Komplizierte Sache, und das umsomehr, je mehr man sich damit beschäftigt.

    Zumindest hat sich - für mein 66er Feld - herausgestellt, dass die Rout Böhmen-Strassburg nicht als exotisch bzw. kriegsbeeinflusst angenommen werden kann. Ist ja auch schon was.

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • Lieber mikrokern,

    vor 66 hatten die Franzosen die Wahl, im Krieg nicht mehr. Das war kriegsbedingt und sollte man zeigen können. Leider sind Briefe dieser kurzen Zeitspanne keine Massenware - um so besser, wenn man die Hintergründe kennt.

    Nicht auf dieser, aber vlt. auf der nächsten Hauptversammlung unserer ARGE könnte ich, falls gewünscht, mal einen Vortrag über die Leitungen der Korrespondenzen der süddeutschen und österreichischen Gebiete nach Frankreich halten - einfach wäre etwas anderes, aber aus der BILD - Zeitung würde man dergleichen Fakten nicht erfahren.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.