Taxbestimmungen in der Anfangszeit des Postvereins

  • Der Postverein wurde zu dem zweck gegründet, die Speditions- und tarifregelungen der deutschen Staaten untereinander und im verkehr mit dem Ausland einheitlich für alle Mitglieder zu regeln. Das machte es erforderlich, daß alle deutschen Staaten sowie deren zuständige Postverwaltungen diesem Vertrag beitraten und deren mit ausländischen Staaten resp. Postverwaltungen geschlossene Verträge angepaßt oder durch Neuregelungen ersetzt wurden.

    Zwischen dem inkrafttreten der ersten Version des Postvereinsvertrages und dem Beitritt aller deutschen Staaten sowie der Anpassung aller Auslandsverträge verging naturgemäß einige Zeit. Außerdem fehlten der ersten Version des Postvereinsvertrages noch div. Detailregelungen, und er enthielt Unklarheiten in Formulierungen.

    Vielleicht ist es möglich, in diesem thread einmal typische Beispiele aus den Jahren 1850 bis 1855 zu folgenden Korrespondenzgruppen zu zeigen:

    a) Aufgabeort im Postverein, Bestimmungsort in deutschem Nichtmitgliedsstaat, direkt angrenzend et vice versa.
    b) Aufgabeort im Postverein, Bestimmungsort in deutschem Nichtmitgliedsstaat, Transit durch Postvereinsmitgliedsstaat et vice versa
    c) dto., Transit jedoch durch deutschen Nichtmitgliedsstaat et vice versa
    d) Aufgabeort im Postverein, Bestimmungsort in ausländischen Nichtmitgliedsstaat, direkt angrenzend et vice versa.
    e) Aufgabeort im Postverein, Bestimmungsort in ausländischem Nichtmitgliedsstaat, Transit nur durch Postvereinsmitgliedsstaat et vice versa
    f) Aufgabeort im Postverein, Bestimmungsort in ausländischem
    Nichtmitgliedsstaat, Transit durch Postvereinsmitgliedsstaat und durch deutschen Nichtmitgliedsstaat et vice
    versa

    Sicherlich lassen sich noch weitere Kombinationen finden, bei denen Speditionsweg und/oder Tarif vom Postvereinsvertrag beeinflußt sind. Die Thematik scheint mir jedenfalls spannend genug zu sein, um sich mit ihr intensiv zu beschäftigen.

    Beste Grüße

    Altsax

  • Lieber Altsax,

    ein hoch interessantes Thema sprichst du hier an und ich will mit ein paar Briefen näher darauf eingehen.

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    Einer meiner Lieblingsbriefe ist der aus Köln aus dem 1. Monat des Postvereins über TT nach Mittenwald. Am 16.7.1850 waren Bayern und Preußen im Verein, TT aber nicht, womit wir es mit einer explizit im Vereinsvertrag genannten Variante zu tun haben, die Postverein über Nicht-Postverein in den Postverein zeigt. Hierbei war der Brief nach der Entfernung und dem Gewicht zu berechnen, als ob er gar kein Ausland transitiert hätte. Demnach hat Köln folgerichtig 12 Kr. für sich taxiert, die in Bayern 3 Tage später eingehoben wurden. Früher hätte es ein preußisches, taxisches und bayerisches Porto gegeben, das war nun vorbei. Die Sendung lief im geschlossenen Transit (Koblenz - Frankfurt - Aschaffenburg - Würzburg - München).

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • ... und weil wir schon bei den schönen Preußen sind, gerade einer hinter her:

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    Ein Brief aus Ujest in Preußen vom 29.8.1851 über Bayern nach Kirchberg in Württemberg war bar frankiert worden. Er traf am 1.9.1851 in Württemberg ein. Sein Gewicht wurde mit 1 1/20 Loth ermittelt und er war mit 8 1/2 Sgr. frankiert worden.

    Wer kann ihn beschreiben?

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo bayern klassisch,

    eine knifflige Frage nach einem langen Skitag. Der Brief lag in der 2. Gew.-Stufe und kostete daher in Preußen 8 Sgr. Der Brief kam am Zutrittstag Württembergs zum Postverein an. Württemberg war also am Absendetag noch nicht Mitglied des DÖPV. Bayern hätte daher grundsätzlich einen Anspruch auf ein Transitporto gehabt. Dies wurde jedoch nicht angesetzt, vermutlich weil der Empfänger etwas mit Taxis zu tun hatte. Und Taxis hatte Portofreiheit in Bayern. 1/2 Sgr. Inlandsporto für Württemberg erscheint mir etwas wenig. Auch sehe ich hierfür kein Weiterfranko.

    Der anhängende Brief vom 29.10.1850 lief in der Gegenrichtung. Württembergisches Porto 4 Kr., reduziert in 1 Sgr. Auch hier hat Bayern auf das zustehende Transitporto von 8 Kr. verzichtet. Preußen rechnete jedoch genau und setzte für 4 Kr. 1 1/4 Sgr. an. Zzgl. 3 Sgr. Inlandsporto ergibt Gesamtporto von 4 1/4 Sgr.

    Grüsse von liball

  • Hallo,

    ein Sammlerkollege hat mir diesen Brief aus Burg bei Magdeburg nach Stuttgart vom August 1850 geschickt, bei dem die Taxierungen bisher nicht zugeordnet werden konnten.

    Zu diesem Zeitpunkt waren Preußen und Bayern Mitglied im DÖPV, Württemberg jedoch noch nicht. Demzufolge hätten die Taxansätze noch nach den Altverträgen berechnet werden müssen.

    Das einzige was mir klar ist, dass es sich um einen Chargebrief handelt und dass vom Empfänger für die Nachsendung von Freudenstadt nach Stuttgart 4 Kr. belastet wurden.

    Es wäre toll, wenn Forumsmitglieder etwas zur Aufklärung dieser Taxansätze beitragen könnten.

    Grüße von liball

  • Hallo Karl,

    feines Stück.

    Ich lese 8 3/4 Sgr. in Rötel neben dem Frankovermerk und daraus 2 1/2 Sgr. Rechts neben dem Frankovermerk könnte noch eine 4 stehen, sicher ist das aber nicht.

    Bayern bekam ja 8x (2 1/4 Sgr.) je einfachen Brief (bis 1/2 Loth) beim Transit.

    8 3/4 Sgr. mal 3,5x = 31x. Hinten stehen 6 (Sgr.?) und 21 (Kreuzer).

    Wenn von den bezahlten 8 3/4 Sgr. 2 1/4 an Bayern gingen, blieben 6 1/2 Sgr. = 23x für Preussen und Württemberg (Taxispost damals noch) übrig. Rechnen wir 2 1/2 Sgr. = 9x für Württemberg mit den bezahlten 8x für Bayern = 17x, würden Preussen noch 14x (4 Sgr.) verblieben sein, was ich für realistisch halte.

    Die Nachsendung wieder nach Norden (Stuttgart) kostete 4x, das passt.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo zusammen,

    nachfolgend ein Brief vom ersten Tag der Gültigkeit des Postvereinsvertrages. Taxis war noch mit den von ihm postalisch betreuten Staaten dem Postverein noch nicht beigetreten. Es galten weiter die alten zwischenstaatlichen Verträge.

    Der brief wurde in Leipzig mit 1 2/10 Ngr. belastet, was ungefähr 4 Xr entsprach. Der taxissche Anteil war gleich hoch, sodaß der Empfänger in Meiningen 8 Xr zahlen mußte.

    Der Beitritt des Herzogtums Sachsen-Meiningen zum DÖPV erfolgte erst zum 1. mai 1851.

    Beste Grüße

    Altsax

  • Lieber Jürgen,

    Ersttag des DÖPV - das kann nicht jeder hier zeigen, ich auch nicht. Ein tolles Stück (und bitte jetzt noch eines vom 30.4.1851 aus derselben Korrespondenz).

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo zusammen,

    beim folgenden Brief komme ich mit den Taxen nicht klar:

    Der Brief stammt aus der Zeit, als der Postvereinsvertrag schon geschlossen, Taxis grundsätzlich auch beigetreten war, aber nicht alle von Taxis postalisch betreuten Staaten wie in diesem Falle Württemberg. Es galten also die alten Postverträge. Bayern hatte 8 Kreuzer Transittaxe zu beanspruchen. Die württembergische Taxe bis Tettnang liegt mir nicht vor, dürfte aber mindestens 8 Kreuzer betragen, wenn man Friedrichshafen als Vergleich heranzieht.

    Die ursprünglich angesetzten 6 Ngr. sind vermutlich gestrichen worden, weil man bemerkt hatte, daß durch den Postvereinsvertrag die bayrische Transitgebühr entfallen war. Es verblieben vertraglich 2 Ngr. bis Hof sowie 2 Ngr. für Taxis (Württemberg). Zu hoch scheinen die 6 (Kr.) siegelseitig als Bestellgeld zu sein.

    Kann jemand beides erklären?

    Beste Grüße

    Altsax

    Einmal editiert, zuletzt von Altsax (13. März 2024 um 13:14)

  • Hallo zusammen,

    in meinem Archiv habe ich noch einen zum obigen passenden Brief gefunden:

    Die Taxe wurde von ursprünglich 5 9/10 auf 3 5/10 Ngr. korrigiert.

    Nach dem alten taxis-sächsischen Vertrag waren zu entrichten:

    Dresden - Hof: 2 4/10 Ngr.

    Bayr. Transit: 8 Kr. resp. 2 3/10 Ngr.

    Bayr. Grenze bis Stuttgart: 4 Kr. resp. 1 1/10 Ngr.

    Daraus ergibt sich bis auf Rundungsfehler:

    ursprünglich taxiert 2 4/10 Ngr + 12 Kr. resp. 3 5/10 Ngr. =

    5 9/10 Ngr.

    korrigiert abzgl. bayr. Transit: 3 5/10 Ngr.

    Beste Grüße

    Altsax

  • Hallo Jürgen,

    ...sehr spannend.

    Wenn ich dich richtig verstanden habe:

    Brief Dez.1850:

    5 9/10 Ngr. auf 3 5/10 Ngr. korrigiert wg. Abzug Bayern-Transit

    Brief Mai 1851:

    6 Ngr. auf 4 Ngr. korrigiert wg. Abzug Bayern-Transit.

    Gab es von Dez 1850 bis Mai 1851 eine Anpassung der Taxen? Und warum wurde der Bayern-Transit ursprünglich immer eingerechnet. Hatte man in Leipzig und Dresden ein halbes Jahr bzw. ein Jahr nach Einführung des DÖPV immer noch Probleme bei der Taxierung?

    Da Württemberg bis Stuttgart 4x bekam, kann ich mir schon vorstellen, daß es bis Tettnang 6x waren, die beim Leipzig-Brief rückseitig als Forderung von Wü notiert sind.

    LG

    Christian


  • Gab es von Dez 1850 bis Mai 1851 eine Anpassung der Taxen? Und warum wurde der Bayern-Transit ursprünglich immer eingerechnet. Hatte man in Leipzig und Dresden ein halbes Jahr bzw. ein Jahr nach Einführung des DÖPV immer noch Probleme bei der Taxierung?


    Christian

    Hallo Christian,

    Generell gab es bei den Taxen der Staaten, die noch nicht dem Postverein beigetreten waren, dann eine Regelungslücke, wenn die korrespondenz nur im Transit über Postvereinsstaaten befördert werden konnte.

    Einerseits galten die alten Postverträge weiter, andererseits waren die Transitgebühren der Postvereinsstaaten für Korrespondenz mit dem Postvereinsausland abgeschafft worden. Gleichwohl sind beispielsweise über Bayern in die Schweiz spedierte Portobriefe aus Sachsen bekannt, bei denen Bayern noch nach Beitritt zum Postverein Transitgebühren verlangte.

    Beim Brief nach Stuttgart wurde zweifelsfrei die Transittaxe korrigiert. Beim Brief nach Tettnang muß das Vermutung bleiben, solange der reguläre württembergische Taxanteil nicht bekannt ist. Das gilt auch für die siegelseitige "6", die möglicherweise die Ergänzung einer Francodifferenz darstellt.

    Sicher ist, daß in den großen Postämtern ein qualifizierter Beamter die Briefe mit Auslandstaxen gesondert nachprüfte. Möglicherweise gab es eine zentrale interne Instruktion zu solchen Transitgebühren.

    Beste Grüße

    Jürgen

  • Zur Illustration noch ein Brief von Leipzig nach Braunschweig vom 18. November 1850, bei dem für Preußen noch Transitgebühren angesetzt worden waren:

    Die vertraglich vereinbarte Taxe betrug:

    sächsisch ab Leipzig: 9/10 Ngr.

    preuß. Transit: 1 1/2 GGr.

    braunschweigisch: 2 3/4 GGr.

    Sie wurde in voller Höhe incl. Transitgebühr angesetzt.

  • Lieber Jürgen,

    nach meinem DÖPV-Verständnis hätte der eigentlich keine Transitgebühr nach sich ziehen sollen, im Gegensatz zu einem Brief aus Braunschweig über Preussen nach Sachsen.

    Ich bin mir nicht sicher, ob die damaligen Postler das neue System des DÖPV gerade hinsichtlich der Auslandsbriefe wie hier cerebral korrekt verinnerlicht hatten; selbst bei großen Ämtern wie hier kommen oft Taxen/Gebührenbäume vor, die schwer nachvollziehbar sind.

    So kostete ein Portobrief aus der Schweiz 1851 über Bayern nach Sachsen:

    a) das Schweizer Porto bis Lindau,

    b) das Transitporto für Bayern bis Hof und

    c) das sächsische Inlandsporto bis zum Zielort.

    Das war summa summarum recht teuer und es galt nur das halbe Loth und es galten die Altverträge der CH mit Bayern und der Altpostvertrag Bayerns mit Sachsen von 1811.

    Ein Portobrief aus derselben Zeit von Sachsen über Bayern in die Schweiz hätte aber nur gekostet:

    9 Kreuzer = 3 Neugroschen für Sachsen bis Lindau ohne Transitgebühren für Bayern und die CH Inlandstaxe nach Wegstunden berechnet. Das war de facto nicht mal die Hälfe.

    Briefe aus den 1850er bis 1854er Jahren mit DÖPV-Bezug und Auslandsbezug haben ihre Reize, denen selbst erfahrene Postgeschichtler gerne erliegen. Leider, oder Gott-sei-Dank, sehen sie oft sehr unscheinbar aus, eine durchaus zweischneidige Klinge.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • nach meinem DÖPV-Verständnis hätte der eigentlich keine Transitgebühr nach sich ziehen sollen, im Gegensatz zu einem Brief aus Braunschweig über Preussen nach Sachsen.

    Lieber Ralph,

    nach meiner Überzeugung kann es für den Bereich des Postvereins keinen Unterschied machen, ob es sich um abgehende oder eintreffende Korrespondenz handelt.

    Bis zur (für abgehende Korresponden) resp ab Postvereinsgrenze (für eintreffende) galten nun einmal die Bestimmungen des Postvereinsvertrages, und die sahen nun einmal keine internen Transitgebühren für Korrespondenz mit dem Postvereinsausland vor.

    Auf Francobriefe aus dem Ausland hatte der Postverein naturgemäß keinen Einfluß, bei eingehenden Portobriefen waren jedoch Transitgebühren vertragswidrig.

    Anhand entsprechender Belege läßt sich feststellen, daß zumindest die sächsische Post nach einer Zeit der Unsicherheit genau diese Auffassung vertrat und daher bei Francobriefen vom Absender keine Transitgebühren mehr verlangte. Eingehende Portobriefe mit angesetzten Transitgebühren habe ich bisher nicht registriert. Konsequenterweise hätte man deren Ansatz korrigieren müssen.

    Wir sind uns einig, daß das Thema wegen unterschiedlicher Handhabung spannend ist. daß einige Postverwaltungen aus der Unsicherheit versuchten Kapital zu schlagen, ist nachvollziehbar.

    Liebe Grüße

    Jürgen

  • Lieber Jürgen,

    wenn ich Sachsen-Bayern-Schweiz et vice versa hinsichtlich meiner eigenen Briefe bis zum Okt. 1852 richtig deute, war es wohl so, dass Frankobriefe aus der CH noch die Transit-Taxe für Bayern vorsahen, Portobriefe nicht, weil Bayern mit Lindau Aufgabepost wurde und seine 9 Kr. später von Sachsen kassierte.

    Bei sächsischen Frankobriefen gab es auch nur 3 Ngr. bis Lindau und der Rest wurde nach alten vertraglichen Fixierungen vom Absender getragen.

    Bei sächsischen Portobriefen notierte man dort 9 Kr. für sich, die Bayern später in 3 Ngr. reduzierte und es galten für die Schweizer Strecke die Altverträge Bayerns.

    Leider korrespondiert mein Fest-PC nicht mehr mit meinem HP-Scanner, daher kann ich derzeit gar nichts zeigen. ;(

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.