Liebe Freunde,
weil es interessante Ansichten und feine Briefe in einem Parallel - Thread mit sächsischer Relevanz zu bewundern gab, möchte ich hier diesen PV vorstellen, der nicht ausgelutscht ist, wie man vlt. anhand der Größe beider Länder vermuten könnte, sondern der noch viele Geheimnisse birgt, viele schöne Briefe bietet und zum Interessantesten zählt, was ich kenne.
Aber jetzt erst einmal der Reihe nach ...
Gültigkeit: 1.1.1822 bis 30.6.1847.
Währungen: 1 Franken = 10 Decimes = 100 Centimes.
1 Gulden = 60 Kreuzer.
1 Decimes = 3 Kr.
1 Kreuzer = 3 Centimes.
Gewichte: Frankreich das Grammgewicht. Bis 1827 bis 6g, bis 8g, bis 10g, 10g - 15g, 15 - 20g usw. in der Progression. Ab 1828 bis 7,5g, 7,5 - 10g, 10 - 15g, 15 - 20g usw..
Bayern halbes Lothgewicht (8,75g) bei linearem Anstieg, also bis 1/2 Loth, 1/2 bis 1 Loth, 1 bis 1 1/2 Loth usw. bis 1 Pfund = 30 Loth nach dem Tarif vom 1.12.1810.
Verrechnung: Bezahlt wurde vom Empfänger, was als Endbetrag auf dem Brief notiert worden war. Verrechnet zwischen den Postverwaltungen wurde etwas ganz anderes, wie wir noch sehen werden.
Beide Länder wurden in 5 Rayons (Bezirke) eingeteilt. Frankreich ab 1828 aber in 11 Rayons.
Vertragsstempel: Aufgabestempel für beide Länder, CBR 1 - 5 für Bayern und CF 1 - 5 R für Frankreich, je nach Rayon = Entfernung zum anderen Postgebiet. Frankreich: Taxstempel in Decimes der Gebühren für Bayern gewichtsunabhängig. 1. Rayon 4 Dec., 2. Rayon 5 Dec. (beides Pfalz) und für das rechtsrheinische Bayern 3. Rayon 7 Dec., 4. Rayon 9 Dec. und 5. Rayon (sehr selten!) 10 Dec..
Ab 1841 (ohne Primärquelle in Bayern) wurden die Vergütungsstempel abgeschafft und die angesetzten Werte reduziert. Statt der Stempel war die rechnerische Vergütung manuell links oben anzubringen.
Grenzübergangsstempel besaß nur Frankreich; bei Portobriefen nach Bayern (Ausnahme: Pfalz) sollten Auslagestempel auf der fremden Gebühr in Kreuzern abgeschlagen werden (wurde nicht immer befolgt). Die Aufgabepost konnte kein Porto notieren, weil die Währungen unterschiedlich waren, so dass es in der Regel vom Grenzpostamt errechnet wurde. Das Porto galt bei franz. Briefen bis zur franz. Grenze für Frankreich und ab da für Bayern unabhängig davon, über welche Wege oder verschiedene Postgebiete der Brief nach Bayern einlief. Aus geographischen Gründen umfasste daher das Porto für Briefe nach dem rechtsrheinischen Bayern auch Transitkosten für Baden, Württemberg oder Thurn und Taxis. Die Berechnung des bayer. Portos erfolgte daher immer ab der franz. Grenze bis zum bayer. Zielort und nicht, wie man meinen könnte, nur für das Gebiet von der bayer. Grenze bis zum bayer. Zielort.
Paketschlüsse: Augsburg - Strasbourg, Nürnberg - Strasbourg, Aschaffenburg - Forbach, Homburg in der Pfalz - Forbach und Landau - Wissembourg.
Briefbeispiel bis 1827:
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Einfacher Brief vom 30.11.1822 (bis 1/2 Loth und unter ab 6 bis unter 8g) aus Speyer in der Pfalz nach Avignon. Speyer musste den Aufgabestempel und CBR2 - Stempel abschlagen, damit Frankreich über die Rayonierung das Porto richtig ansetzen konnte. Für Bayern war das einfach, denn man musste sich nicht um die Höhe des Portos kümmern. Speyer lag im 2. Rayon zu Frankreich und die Leitung erfolgte über Landau in der Pfalz. In Wissembourg hätte man folglich den Stempel "5" abschlagen müssen, der für den bayer. Taxanteil der Portoberechnung zu wissen notwendig war. Dies wurde vergessen. Für Frankreich wurden 10 Dec. von Wissembourg bis Avignon berechnet. Die Entfernung Wissembourg - Avignon betrug 615 km. Nach dem franz. Tarif von 1806 kostete ein einfacher Brief über 600 bis 800 km 9 Dec. französisches Porto unter 6g, hier in der 2. Gewichtsstufe kam 1 Dec. dazu, so dass 15 Dec. Gesamtporto notiert wurden.
Wichtig: Beide Länder verrechneten im Paket ihre Briefe. Für Portobriefe aus dem 2. Rayon Bayerns nach Frankreich (wohin war egal) erhielt Bayern je Unze = 30g 28 Kreuzer vergütet. Dieser Brief wog genau 7,5g. Demnach kamen 4 dieser Briefe auf eine Unze und Bayern erhielt für jeden Brief 7 Kr. netto von Frankerich. Frankreich kassierte 15 Decimes = 45 Kr. und behielt demnach 38 Kr. für sich! Wüsste man dies nicht und sähe nur den Vergütungsstempel, wenn er denn da wäre, mit 5 Dec., dann hätte Bayern rechnerisch 15 Kr. dafür bekommen müssen, was nicht der Fall war.
Ab 1828 gab es Änderungen bei Frankreich, nicht jedoch bei Bayern.
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Ein Brief vom 13.11.1829 von Donauwörth lief über Augsburg und Strasbourg nach Reims. Die Aufgabepost stempelte (doppelt) den Ort und den CBR3, das wars. Strasbourg ließ den Grenzübergangs- und Taxstempel "7" folgen, korrekt für Bayerns 3. Rayon. Die Entfernung in Frankreich betrug 282 km. Da der Brief unter 1/2 Loth und bis 7,5g leicht war, war er einfach, so dass für Frankreich 6 Dec. Porto dazu kam. Der Empfänger zahlte also zusammen 13 Dec. Porto, was 39 Kr. entsprach. Für Portobriefe aus dem 3. Rayon erhielt Bayern von Frankreich je Unze 54 Kr. vergütet. Dieser hier wog fast 7,5g, so dass auch hier ca. 4 Briefe auf eine Unze gehen. Demnach bekam Bayern hier ca. 12,5 Kr. von Frankreich netto. Bayern musste aber noch die Transitgebühren durch Württemberg (Taxispost) und Baden bezahlen, so dass man ca. 10 Kr. einstrich.
Ginge man nur nach dem Taxstempel von 7 Dec., die 21 Kr. entsprachen, hätte Bayern gut verdient, so war es aber tatsächlich viel weniger, denn Frankreich bekam hier 26,5 Kr. für seinen Teil der Strecke. Bayern erhielt also für 224 km Strecke (Donauwörth - Strasbourg) 12,5 Kr. und Frankreich für seine Strecke von Strasbourg bis Reims von 282 km 26,5 Kr.. Hier kann man bei vergleichbaren Strecken sehen, dass Frankreich klar der Profiteur dieses Vertrages war.
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Am 1.6.1835 ging ein Brief von München über Augsburg nach Strasbourg direkt. München lag im 4. Rayon zu Frankreich, daher der CBR 4 - Stempel. In Strasbourg hätte man den Stempel "9" Dec. für Bayerns Anteil stempeln müssen, was man unterließ. Für Frankreich kamen 2 Dec. dazu, so dass man 11 Dec. Gesamtporto notierte, da der Brief unter 7.5g wog.
Intern wurde aber ganz anders gerechnet: Frankreich vergütete Bayern je Unze Briefe aus dem 4. Rayon 70 Kr.. Dieser wog knapp unter 7.5g, so dass wir wieder 4 Briefe auf einen Unze rechnen können. Damit erhielt Bayern für ihn 17,5 Kr. von Frankreich intern gut geschrieben, während 9 Dec. (fehlender Stempel) ja 27 Kr. bedeutet hätten. Die Strecke von München bis Strasbourg betrug 288 km und eine franz. Strecke existierte praktisch nicht, weil Strasbourg direkt an der Grenze lag. Demnach hat Frankreich vom Gesamtporto i. H. v. 33 Kr. (= 11 Dec.) 15,5 Kr. für praktisch keine eigene Beförderung erhalten!
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Einen fast umgekehrten Fall zeigt uns ein einfacher Brief aus Landau in der Pfalz vom 5.12.1840 nach Paris. Obwohl Landau über einen eigenen Kartenschluß mit Wissembourg verfügte (Entfernung nur 22 km), sandte man ihn über Preußen (Saarbrücken) nach Forbach. Landau stempelte CBR 1, so dass Forbach korrekt "4" Dec. stempelte. Von Landau nach Forbach betrug die Entfernung 88 km und von Forbach - Paris waren es 334 km. Bayern hat also eine weitere Strecke auf seinem Territorium und die Kosten des Transits (2 Kr. vom Loth brutto an Preußen) in Kauf genommen, um den Brief möglichst schnell abzuspedieren! Für Frankreich galt bei Entfernungen über 300 bis 400 km das Porto von 7 Dec., so dass der Empfänger folgerichtig 11 Dec. total bezahlen durfte.
Für Briefe aus dem 1. Rayon erhielt Bayern je Unze 16 Kr. vergütet, so dass wir hier bei 4 Briefen auf die Unze ein bayer. Porto von 4 Kr. errechnen können. Frankreich erhielt 11 Dec. = 33 Kr. und behielt davon 29 Kr..
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Während es von den Rayons 1 - 4 Mengen von Briefen gibt, sind alle Briefe aus dem 5. Rayon große Seltenheiten. Ca. ein Dutzend Briefe aus Bayerns 5. Rayon sind bis heute bekannt geworden, hier einer aus Passau vom 12.7.1840. Wie fast immer steht der CBR 5 auf dem Kopf. Über Augsburg lief er nach Strasbourg, wo er den Stempel "10" Dec. erhielt und von dort weiter nach Guebwiller.
Passau - Strasbourg = 421 km und Strasbourg - Guebwiller = 85 km. Die Taxe von 14 Dec. zahlte der Empfänger, aber aufzuschlüsseln war sie wie folgt: Frankreich vergütete 80 Kr. je Unze Briefe an Bayern. Der Brief hat links oben die Angabe "8 grammes", wonach er in der 2. Gewichtsstufe gelegen hätte. Hierfür wären bei 18 - 150 km 6 Dec. der franz. Portoanteil gewesen. Unter 7,5g nur deren 4 Dec., wie sie auch summarisch errechnet wurden. Eventuell hat man später intern in Frankreich das Porto um 2 Dec. hoch gesetzt, um an sein Geld zu kommen. Wenn wir ihn mit 7,5g berechnen, dann erhielt Bayern für ihn 20 Kr.. 14 Dec. entsprachen 42 Kr., wonach Frankreich 22 Kr. für die wesentlich geringere Beförderungsstrecke kassierte. Evtl. korrigierte man später um 2 Dec. höher, so dass es dann sogar 28 Kr. für Frankreich gewesen wären. Bayern durfte von seinen 20 Kr. noch ca. 2 Kr. Transitkosten an Württemberg und Baden berappen, so dass er noch netto 18 Kr. einbrachte. Welch ein Unterschied!
Für heute will ich es genug sein lassen, aber wer denkt, das wäre alles, der hat sich getäuscht.
Liebe Grüsse von bayern klassisch