USA - Postverein über Bremen

  • Hallo Leitwege,

    ich denke und hoffe nicht - nur habe ich von meinen amerikanischen Freunden oft gehört, dass man aufpassen muss, wenn bei USA - Briefen der Stempel nicht übergeht, weil da gerne mal etwas "optimiert" wurde.

    Ich frage mich nur, warum der Absender eine Marke klebte, die keinen Wert hatte und deren Wert mit der Abstempelung verfallen war. Hätte der Postler ihn nicht aufklären müssen, dass er mehr frankieren, oder die Marke besser abnehmen sollte?

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


    Einmal editiert, zuletzt von bayern klassisch (19. Januar 2014 um 16:08)

  • Hallo Sammlerfreunde,

    es ist mir eine besondere Freude nun auch in diesem thread einmal auftauchen zu dürfen. Im Vergleich zu der - einem schon fast unheimlich anmutenden - "Mega-Strecke" von @bk in den vorherigen posts 7-10 liefert die Pfalz mit der nachstehend abgebildeten Bremen-mail zwar nur ein recht bescheidenen Erstbeitrag, dafür aber kann die "sophy" einen dann schon ein wenig beeindrucken. Aber wie immer der Reihe nach:


    Zunächst sind bei dem Portobrieflein einige offene PO-Fragen zu klären, die da als erstes der Aufgabeort in den Vereinigten Staaten wäre. Man liest auf dem Abschlag für die 3 ct ~ 4,5 Kr der US-Inlandsbeförderung lediglich N.Y. und darüber nur den Abklatsch des rückseitig abgeschlagenen Durchgangsstempels von Frankfurt am Main von einem 18.04. Das Datum des US-Abschlages müsste ein 04.04. gewesen sein, mehr lässt sich zur US-amerkanischen Behandlung des Poststücks im Moment nicht sagen.

    Der Seepost-Transport fand ausweislich des Leitvermerks mit der SS New York ( 1858 ) statt, einem Schraubenraddampfer der Norddeutschen Lloyd > http://www.clydesite.co.uk/clydebuilt/viewship.asp?id=15185. Bremen war Austauschpostamt und seit 01.12.1852 dem DÖPV beigetreten. Insofern komme ich mit einer Aussage im Rundbrief Nr.54 (S. 3403 / Jg. 2010) der Arge Bayern (klassisch) nicht ganz klar, warum ein dort ansässiges Postamt von Hannover für die beiden blauen Abschläge America über Bremen und 22 (Kr) verantwortlich zeichnen sollte.

    Wenn man egal wie davon ausgeht, dass die Weiterleitung im Postverein 6 ct = 9 Kr kostete - ich gehe hier nicht wie bei der prussian-closed-mail von einer auf 6 Kr ermäßigten Postvereinsgebühr aus - dann müssten für den Seetransport ebenfalls noch 6 ct = 9 Kr geblieben sein, so dass sich eingedenk des US-Inlandstarifs 15 ct ~ 22 Kr ergeben. Dieser Tarif galt - porto wie franco - vom 01.01.1854 bis 06.01.1868, der Frankfurter K1 Einkreis Rundstempel - 24mm soll ca. zwischen 1865 bis Anfang 1871 verwendet worden sein, so dass die Beförderungszeit zwischen 1865 - 1867 liegen muss.

    Einige Jahre vorher war der Adressat Carl Christian Julius Zinn (06.01.1821 - 01.04.1890) wieder aus den Staaten zurück nach Kaiserslautern gekehrt, denn er sollte sich dort von einer schweren Kopfverletzung erholen, welche er während der Sezessionskriege als Captain im 74ten Pennsylvania Freiwilligen Infanterie Regiment der Unionsarmee bei der zweiten Schlacht am Bull Run bei Manassas / Virginia zwischen dem 28. und dem 30.08.1862 erlitten hatte.

    Wann es zu seiner Auswanderung nach Amerika kam und er dort zum Mitstreiter des republikanischen Gedankens wurde, gilt es noch zu ermitteln. Aber seine Beweggründe kann man leicht erahnen, denn der u.a. als Rechtsconsulent aktive Zinn war schon als junger Mann Redakteur einer ziemlich reaktionären Wochenzeitung in Kaiserslautern und Mitorganisator des Pfälzischen Aufstandes. So hatte er am 29.04.1849 im Boten für Stadt und Land deutliche Worte gefunden:


    Pfälzer !
    Der König von Bayern hat (...) offen erklärt, er erkenne die Reichsverfassung nicht an.
    Auf: Zwingt ihn die Verfassung anzuerkennen.
    Und einzig und allein weil ein Fürst die Verfassung bedroht, müssen wir sie durchführen um jeden Preis (...). Aber auf eins müssen wir aufmerksam machen, und zwar das Wichtigste.
    Mit Beschlüssen ist es nicht getan, wenn diesen Beschlüssen nicht Nachdruck verliehen wird.
    Drum rüste jeder seine Waffen, stähle jeder seinen Mut.
    Es kann kommen, wenn der König sich nicht unterwirft, dass der Rhein den Scheidepunkt zwischen uns und Bayern bildet, es kann kommen, dass die Pfalz sich von Bayern lossagen muss.
    Drum steht fest zusammen und haltet die Hand an den Waffen.

    Zinn war dann auf der wohl alles entscheidenden Volksversammlung vom 02.05.1849 in Kaiserslautern Wegbereiter des Landesausschusses zur Verteidigung und Durchführung der Reichsverfassung und später mit seinen "Sensenmännern" auch an der Aushebung von Rekruten für die Volkswehr beteiligt. Am 17.05.1849 kam es zur Einrichtung einer fünfköpfigen Provisorischen Regierung, zur Ausrufung einer Republik kam es nicht. Der Aufstand dauerte vom 02.05 bis 19.06.1849 und wurde bekanntlich mit der am 11.06.1849 eingeleiteten Íntervention der preussischen Armee kurzerhand niedergeschlagen.


    Ausweislich eines Presseartikels aus der Neuen Speyerer Zeitung vom 09.04.1852 war Zinn danach zu langjähriger Zwangsarbeit verurteilt und sogar wegen des Zustandes des "vollständigen Wahnsinns" in die Frankenthaler Kreisirrenanstalt eingeliefert worden. Wie gesagt, wie und wann genau es ihn dann nach Nordamerika verschlug muss noch ermittelt werden, ein umfangreicher Aufsatz des Historischen Vereins Kaiserslautern aus den Jahren 1984/85 (siehe letzte Quelle unten) lässt auf weitere Hintergrundinformationen hoffen und befindet sich gerade in der Recherche.

    Bis dann auf Weiteres + Gruß

    vom Pälzer

    verwendete Quellen:
    http://www.clydesite.co.uk/clydebuilt/viewship.asp?id=15185
    http://archiver.rootsweb.ancestry.com/th/read/PFALZ/2008-06/1212721724

  • Hallo Pälzer,

    ein tolles Stück, das ist datieren kann.

    Von New York ging es am 4.4.1867, das passt auch zu deinen genannten Daten, mit der New York des Norddeutschen Lloyds ab nach Southampton, wo sie am 15.4.1867 eintraf. Am 17.4. war sie in Bremen und am 18.4. der Brief in Frankfurt am Main. Am 19.4. wurde er Brief für 22 Kr. in Kaiserslautern zugestellt.

    Weil Bremen nur ein Stadtpostamt hatte, hatte man mit Auslandssendungen nichts zu tun. Um Bremen herum war ja das Königreich Hannover mit seinem Postdienst zugange, doch Hannover war ja zum 1.10.1866 nach dem verlorenen Krieg gegen Preußen, annektiert worden, so dass hier Preußen die Postvereinstaxe von 6 Kr. abgriff. Deine Andeutung von 9 Kr. für den Postverein macht zwar auf den 1. Blick Sinn, weil alle bayer. Orte über 20 Meilen von Bremen entfernt lagen, die USA jedoch keine 9 Kr. Rate für das kleine Deutschland mit seinen geringen Strecken bis Bremen in ihren Postverträgen zu ließen).

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo Sammlerfreunde,

    als Ergänzung vielleicht noch zum blauen Kork-Stempel, der ist ab ca.1863 bekannt und ersetzte die Tax-Zweikreisstempel. Er wertet lt. Feuser 250,-DM.

    Zu der Frage des hannoverschen Postamts in Bremen möchte ich Friedrich Mayer aus Heft 160 Postgeschichte und Altbriefkunde zur Bremen Mail zitieren:

    "Der Vertrag zwischen den USA und Bremen enthielt folgende Vereinbarungen:
    -die Einrichtung von Stadtpostämtern in Bremenhaven und Vegesack
    -das PA in Bremenhaven ist ein gemeinschaftliches mit zwei Eingängen und zwei Hoheitszeichen, jedoch einen Arbeitsraum in Innern (also Bremen und
    Hannover)
    -alle eingehende Seepost wird dem bremischen StPA zugeleitet
    -das StPA bedient "seine" Kurse- Oldenburg, Holland, Hamburg und die dahinter liegenden Länder-alle andere Korrespondenz wird Hannover übergeben,
    das es gegen eine Transitgebühr an TT oder Preußen weiterleitet"

    Viele Grüsse
    Christian

  • Hallo bk,

    besten Dank für die Datierung, es ist immer wieder eine Freude, das über die Schiffsverbindungen belastbar festmachen zu können ! :thumbup:

    Deine Andeutung von 9 Kr. für den Postverein macht zwar auf den 1. Blick Sinn, weil alle bayer. Orte über 20 Meilen von Bremen entfernt lagen, die USA jedoch keine 9 Kr. Rate für das kleine Deutschland mit seinen geringen Strecken bis Bremen in ihren Postverträgen zu ließen).


    Mit anderen Worten: Es war dann also auch im Falle der Bremen-mail ein auf 6 Kr reduziertes Postvereinsporto ausgehandelt worden. Dann müsste die Verteilung 3 ct ~ 4 Kr US-Inlandstransport, 8 ct = 12 Kr für den Seetransport und 4 ct = 6 Kr für den DÖPV gewesen sein. Kann man das für die Beschreibung so stehen lassen ?

    Vielen Dank auch an Leitwege für die Ergänzungen zum hannoverschen Postamt in Bremen, damit ist die Sache jetzt richtig rund. :thumbup:

    + Gruß !


    vom Pälzer

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis