Unterfrankierte Briefe des Vertrages vom 1.9.1868

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Freunde

    Dieser Brief liegt teilweise im falschen Thread. Teilweise weil der Brief nur 2 Tage unterfrankiert war.

    25. September 1870 ist der Brief in Deggendorf eingeliefert (Briefkasten). Da der Brief nicht richtig frankiert war hat man es mit blauer Stift vermerkt; noch 4 Kreuzer. Man hat aber herausgefunden wer der Absender war und ist somit mit noch 4 Kreuzer frankiert geworden und 27. September in die Schweiz geschickt.

    Ein interessanter Brief.

    Viele Grüsse

    Nils

  • Hallo Nils,

    ein feines Stück, wobei der Absender noch eine alte Kreuzermarke irgendwo aufgetrieben hat, wie es aussieht (von einem Brief abgekratzt, auf dem sie unentwertet geblieben war?).

    Ich verfolge diese Auffrankaturen schon mehrere Jahrzehnte, weil ich dachte, eine Systematik heraus zu finden, aber das war ein Irrtum. Es gibt sogar Briefe der gleichen Korrespondenz (Bayern - Frankreich), die mal retourniert zur Auffrankatur wurden und andere wurden abgeschickt.

    In Postverträgen lesen wir manchmal, dass Briefe aufzufrankieren waren und hierfür dem Absender zu remittieren, aber das auch nur, wenn es einen Frankozwang gab, sonst eher nicht.

    Ich denke, dass nicht nur die Kenntnis des Absenders über das Siegel, Etikette oder Handschrift ausschlaggebend war, sondern auch oder eher die Tatsache, dass die Post bald abging und man sich mit Absender und Poststück nicht lange herum schlagen wollte. Hatte man aber Zeit, lies man den Brief auch mal zurück gehen und eine Belastung des Briefträgers war es allemal, denn der hatte die Post ja wieder zurück zu geben und musste genau wissen, wem dort.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


    • Offizieller Beitrag

    Hallo Ralph

    Eine Systematik habe ich auch nicht gefunden, bin aber eher ein Anfänger hier in diesem Bereich. So weit schein es mehr für Briefe nach Schweiz oder Niederlande zu gelten wenn von altdeutsche Staaten, also nicht nur Bayern. Aber viele Briefe habe ich nicht gesehen letztes Jahr (Auktionen).

    Wenn es um Postkarten geht wird es aber viel Mehr zu finden, wo es ein Frankozwang gab. Aber auch nach die GPU Reform in 1875.

    Danke für die Antwort

    Nils

  • Liebe Freunde,

    unterfrankierte Briefe des Postvertrages Bayern - Schweiz vom 1.9.1868 gibt es schon hier und da mal, aber sie machten damals so viele Probleme mit ihrer Be- und Verrechnung, wie heutigen Sammlern.

    Daher zeige ich mal eine Krücke aus der Pfalz, aus meiner Geburtsstadt Speyer, wo man am 10.10.1872 glaubte, 3 Kr. würden nach Basel reichen, was aber nicht richtig war.

    Der Laie sieht nun einen Brief vor sich, der von links nach rechts 4 Schriften/Zahlen/Taxen aufweist, mit denen er erstmal nicht zurecht kommt.

    In Blau lesen wir 10 Wfo (10 Rappen Weiterfranko), 9 Kreuzer, 30 Rappen und letztlich 40 Rappen. Hinten praktisch blank, vom Ankunftsstempel Basels mal abgesehen. Aber wie interpretiert man nun dieses Wirrwarr aus Zahlen und Währungen (und wäre es noch dazu ein gewichtsunterfrankierter Brief, könnte man fast ein Buch darüber schreiben).

    Nun, ad primum schauen wir uns das bayer. Verordnung- und Anzeigeblatt Numero 73 vom 29.8.1868 an unter der lfd. Nr. 29.106 wurde der Abschluß eines neuen Postvertrages mit der Schweiz publiziert.

    Dort lesen wir im § 6: "Unzureichend frankirte Briefe ... werden wie unfrankirte Briefe behandelt und taxiert und die Werthbeträge der verwendeten Marken nach Maßgabe der VO vom 27.4. laufenden Jahres Nro. 11.682 Ziff. 2 Abf. 3 (VO-Blatt 1868 S. 225 etc.) der Postanstalt des Bestimmungslanes zur Vergütung an den Adressaten in Anrechnung gebracht."

    In der Spezifikation zum Briefpostverkehr lesen wir auf Seite 391 mittig folgendes: "Für unzureichend frankirte Briefe ist der Werth der verweneten Marken nach der im § 24 Ziff. 4 des Reglements vorgeschriebenen Reduction unter Ziff. 6 der Kartenabtheilung I an die Schweizerische Postanstalt zu vergüten und zugleich unter Ziff. 1 der Kartenabtheilung II der Bayerische resp. Deutsche Taxantheil nach dem einfachen Satze von 30 Rappen nebst dem etwaigen fremden Porto in der Reduktion auf Franken und Rappen anzurechnen."

    Das Reduktionsverhältnis betrug 1 Franken = 28 Kreuzer = 8 Silbergroschen, wobei 1 Kr. = 3 4/7 Rappen entsprach und generell immer auf 5 Rappen zu runden war (kleinste Verrechnungseinheit unter den Postverwaltungen), allerdings Wertbeträge unter 3 Pfennigen, unter 1 Kreuzer und unter 5 Rappen blieben bei der Einhebung unberücksichtigt.

    Generell galt 3/5 des Portos/Frankos für Bayern und 2/5 des Portos/Frankos für die Schweiz.

    .

    Es galten demnach:

    3 Pfennige = 3 Rappen

    4 Pfennige = 4 Rappen

    6 Pfennige = 6 Rappen u. s. w.

    1 Sgr. = 12 Rappen

    2 Sgr. = 25 Rappen.

    Für die süddeutschen Postgebiete galt:

    1 Kr. = 3 Rappen

    2 Kr. = 7 Rappen

    3 Kr. = 10 Rappen

    4 Kr. = 14 Rappen

    5 Kr. = 17 Rappen

    6 Kr. = 21 Rappen

    7 Kr. = 25 Rappen.

    Es gab 3 Leitwege Bayerns in die Schweiz:

    1. Rechtsrheinisches Bayern mit directer Kartierung über Lindau im Bodensee,

    2. Rechtsrheinisches Bayern mit Kartierung im geschlossenen Transit über Württemberg an die badischen Bahnposten und

    3. aus der bayer. Pfalz mit den badischen Bahnposten.

    Ab 1.1.1872 aber gab es die badische Post nicht mehr, weil sie dem Deutschen Reich einverlaibt worden war.

    Frankobriefe kosteten einfach 7 Kr., über 1-15 Loth 14 Kr..

    Portobriefe kosteten einfach 50 Rappen, über 1-15 Loth 100 Rappen (also 1 Franken).

    Umgekehrt kosteten Schweizer Frankobriefe einfach 25 Rappen, über 1-15 Loth 50 Rappen.

    Schweizer Portobriefe kosteten einfach 14 Kr., über 1-15 Loth aber 28 Kreuzer.

    Damit sieht man schnell, dass Portobriefe einen Aufschlag von 100% erhielten bzw. bei unterfrankierten Briefen zwar der Wert der Frankatur angerechnet wurde, aber sie verteuerten sich halt auch extrem.

    Die Postverwaltungen wollte dadurch erreichen, dass die Kunden nur noch frankierten und auch noch richtig obendrein, weil das für die Kunden am günstigsten war und für die Post die wenigste Arbeit bedeutete.

    Zurück zu dem Brief aus Speyer: Die Marke zu 3 Kr. wurde, wie oben beschrieben, mit 10 Rappen Weiterfranko für die Schweiz angesetzt.

    Bayern (Speyer) notierte nun 9 Kr. für sich als Forderung gegenüber der CH. Diese wurden in 30 Rappen reduziert. Die Schweiz kassierte (von Basel in Rötel vermerkt) 40 Rappen von ihrem Empfänger, weil sie

    a) von Bayern den Wert der Marke mit 10 Rappen als Weiterfranko bonifiziert bekommen hatte und ein unfrankierter Brief 50 Rappen gekostet hätte. Von diesen 40 Rappen führte sie 30 Rappen = 9 Kr. an die Reichspost ab, die sie an Bayern vergütete.

    Dieses System ist nicht leicht zu verstehen, aber wenn man es mal begriffen hat, und das ist sein Vorteil, vergisst man es auch kaum wieder.

    Wer Altdeutschland, den Norddeutschen Bund bzw. das frühe Deutsche Reich sammelt (gerne auch vice versa), darf sich das gerne ausdrucken und studieren - dann kann er alle seine Briefe beschreiben (von unterfrankierten Grenzrayonbriefen abgesehen, aber da warte ich noch auf den Ersten).

  • Lieber Ralph,

    wie nicht anders zu erwarten erst-klassisch von Dir erklärt... :thumbup::thumbup:

    Irgendwann starte ich eine Basel Sammlung ;)

    Beste Grüsse von
    Bayern Social


    "Sammler sind glückliche Menschen"

  • ... beginnend mit einem Badler Tübeli auf Brief aus Bayern mit Postbetrug ... das gibt es ja tatsächlich und wäre der perfekte Anfang!

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.