• *hupps* 8o

    Hallo Herr Dr. "Hoppla-Hollywood" ^^

    Du kannst zunächst davon ausgehen, dass während der alliierten Seeblockade die im 1.WK von den Briten aufgebrachten Schiffe neutraler Staaten - wie u.a. der USA bis zum Kriegseintritt 06.04.1917 - mit nach Deutschland adressierter Post zwar in unterschiedlichen Häfen der britischen Insel festgehalten worden sind.

    Die von ihnen beförderte Briefpost wurde aber nicht dort zensiert, sondern mit der Eisenbahn allesamt nach London verbracht und dort zentral der Militärzensur zugeführt. Von daher erübrigt sich eine örtliche Zuordnung der Zensornummer an anderer Lokalisation. Weitaus interessanter ist die Frage, warum der Brief bis Kriegsende dort hängen geblieben ist:

    In dem für Dich schon einmal an anderer Stelle verlinkten Supplement des US Department of State aus dem Jahre 1916...

    ‎Papers relating to the foreign relations of the United States, 1916. Supplement, The World War 1916 - UWDC - UW-Madison Libraries

    ...findet man u.a. eine Auseinandersetzung zwischen den USA und GB, das für anfänglich 85, in den USA ansässigen Firmen vorwiegend deutscher Herkunft eine "blacklist" als Blockadegrundlage auch für von jenen stammende Post verfügt hatte. Die USA haben sich auch darüber bitterböse beschwert. Die Liste wurde dann von den Briten nach einigem hin-und-her etwas gekürzt, aber nicht vollends.

    Dein Absender war - wenn auch wegen der Zensurabanderole schlecht lesbar - mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der in Boston / Massachusetts ansässige Buchverlag Theo. H. Castor & Co, dessen Begründer Theodor Hengstler Castor (1862-1937 ) aus Biberach an der Riß entstammt:

    List of booksellers in Boston - Wikipedia

    Nach diesem recht netten Heimatforscherartikel...

    http://www.gfh-biberach.de/Hefte/BC-Heimatkundliche-Bl%C3%A4tter-f%C3%BCr-den-Kreis-Biberach/J25H2S85.pdf

    ...sollen die Castors lt. einer "Anektode" unter Verdacht gestanden haben, deutschen U-Booten nachts heimlich Lichtsignale gegeben zu haben. Leider habe ich diese "blacklist" nicht, aber hättest Du als damals britischer Abwehroffizier diese Firma etwa nicht da draufgesetzt ?

    Der rote release-Kastenstempel ist höchstwahrscheinlich kurz nach dem Kriegsende draufgekommen, bevor das Zensur-bureau des Militärs aufgelöst wurde, um sich von den "gesammelten Werken" fragwürdiger Korrespondenten letzthin zu entlasten.

    Schönen Gruß

    Tim 8o

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • ...und da das mit dem mir aus Lenggries an anderer Stelle zugemuteten Herzrhytmusstörungen und Schnappatmungsanfällen so nicht einfach stehen gelassen werden kann, anbei auch einmal von hier aus ein Beleg der nicht gerade häufigen Sorte. Hier mit dem in der Sammlung bislang noch nicht belegten Kastenstempel für die Retoure von nicht offen aufgelieferten Sendungen von und nach dem Sperrgebiet.

    Schönen Gruß

  • Hallo Tim,

    vielen Dank für Deine Ausführungen und Hinweise und das Zeigen des Primasens-Beleges.
    Solche Stücke beweisen immer wieder, dass die Pfennigzeit durchaus mit der Kreuzerzeit mithalten kann - vielleicht nicht bei den spektakulären Auktionszuschlägen, so doch aber bei der Post- und Zeitgeschichte. ;)
    Nach wie vor offen ist jedoch die Frage, ob sich der "Released"-Stempel ausschließlich auf erst NACH Kriegsende freigegebener Post findet. Die bis dato von mir gesichteten Belege deuten zwar darauf hin, aber vielleicht kann der eine oder andere Zensurspezialist im Forum dazu noch etwas sagen.

    Beste Grüße
    Postgeschichte-Kemser

  • Hallo Schorsch,

    die Frage ist berechtigt, ich habe auch nur Belege damit, wo entweder ohne Ankunftsstempel verblieben sind, oder der Empfang per Handvermerk erst nach Ende des Krieges angebracht worden ist. Ich habe eine entsprechende Anfrage an die Royal Philatelic Society gestellt und zugleich einmal darum gebeten uns evtl. einschlägige Literatur zu bennenen. Sobald man von dort geantwortet hat, gebe ich laut.

    Als weiteres Beleg Stück der alles andere preiswerten Sorte eine Karte aus Griechenland (hier Piräus) mit dem Zweizeiler "Wegen Kriegszustandes Absendung verboten".

    Sie wurde ein Tag vor Kriegsausbruch am 31.07.1914 aufgegeben und ist dann wohl noch über das neutrale Italien an der deutschen Grenze aufgehalten und retourniert worden. Griechenland hatte sich anfänglich neutral gehalten, ist dann aber am 3. Juli 1917 mit der Entene in den Krieg gegen die Achsenmächte eingetreten.

    Schönen Gruß

    Tim

  • Grias Di Tim,

    * kopfkratz *....."Wegen Kriegszustand Absendung verboten"...?
    Mir erschließt sich aktuell der Sinn des Stempels nicht auf einer Sendung von Griechenland nach Ludwigshafen so er denn in Deutschland abgeschlagen wurde...müsste es nicht richtigerweise lauten: Wegen Kriegszustand Zustellung verboten" ?

    Möglicherweise wurde er in Ermangelung eines korrekten Stempels (was ja in den ersten Kriegstagen/-wochen schon mal vorkam) quasi als Provisorium verwendet?
    Oder handelt es sich möglicherweise um einen österreichischen Stempel - was dann wieder eher Sinn ergeben würde?
    In jedem Falle ein interessantes Stück ! :thumbup:

    Beste Grüße
    Schorsch

  • Lieber Schorsch,

    auf Deine vollkommen berechtigte Frage ich habe leider keine Antwort parat, setze "doppel-kopfkratzenderweise" aber gleich noch eine neu hinzugekommene Besonderheit oben drauf, bei welcher einem geradezu auch "die Flöhe kommen". 8o

    Noch nie gesehen, aber jetzt belegt, hier eine Auslands-Poka vom 17. Februar 1919 aus Edenkoben, adressiert nach Davos Patz / CH, aber nicht zugestellt und retourniert wegen dem vorderseitig angebrachten Kastenstempel:

    Acheminement suspendu le Autorité Militaire - RETOUR á ENVOYEUR

    Einzigster Hinweis hierzu :

    Philaseiten.de: (?) (35) (54) Postverkehr im 1. Weltkrieg und danach

    ...wonach - von der französischen Besatzungsmacht zensierte - Auslandspost erst ab August 1919 wieder zugelassen worden sein soll, leider aber keine diesbezgl. VO genannt wird. Auch im hier schon mehrfach zitierten Beitrag von Dr. W. Niedermeier in der Pfälzischen Postgeschichte vom April 1974 findet man hierzu leider...nichts.

    Wenn man den Inhalt der Poka liest, mit der Verwunderung des Absenders in Edenkoben noch keine Nachricht von den, offenbar in der CH ansässigen Nachkommen erhalten zu haben, dann scheint bis zu dem w.o. verlinkten Termin tatsächlich eine totale Blockade des Auslands-Postverkehrs hin-und-her vorgeherrscht zu haben.

    Wobei mir die/eine hierzu einschlägige VO natürlich noch viel wohler bekommen würde.

    Schönen Gruß

    Tim

  • Guten Morgen in die Runde,

    nachfolgenden Beleg möchte ich zeigen:

    Brief aus Trieb in Oberfranken, aufgegeben über die Bahnpost Hof-Nürnberg am 14. Oktober 1915 adressiert nach New York.

    Links am Briefrand findet sich ein roter, zweizeiliger Rahmenstempel "Auf Befehl der Militärbehörde zurück." und der handschriftliche Hinweis "zu lang".
    In der einschlägigen Literatur findet sich zwar der Hinweis, dass "zu lange" Briefe durch die Zensurbehörde an den Absender zurückgesandt wurden, jedoch keinerlei Hinweis, wie "zu lang" definiert war.
    Kann hier jemand mit genaueren Daten weiterhelfen? Vielen Dank schon mal im Voraus.

    Beste Grüße
    Postgeschichte-Kemser

  • Links am Briefrand findet sich ein roter, zweizeiliger Rahmenstempel "Auf Befehl der Militärbehörde zurück." und der handschriftliche Hinweis "zu lang".
    In der einschlägigen Literatur findet sich zwar der Hinweis, dass "zu lange" Briefe durch die Zensurbehörde an den Absender zurückgesandt wurden, jedoch keinerlei Hinweis, wie "zu lang" definiert war.
    Kann hier jemand mit genaueren Daten weiterhelfen? Vielen Dank schon mal im Voraus.

    Beste Grüße
    Postgeschichte-Kemser

    Postgeschichte Kemser

    Die Postüberwachungsstelle Stuttgart hatte dafür extra einen Stempel angeschafft, der im November 1915 in einer Akte überliefert wurde.

    Mehr als 2 Seiten brachten eine Verzögerung und mehr als 4 Seiten wurden retourniert.

    Die Überwachungsstelle Emmerich hatte einen Hinweiszettel gedruckt, der auf die Verzögerung von Briefen mit mehr als 2 Seiten Inhalt aufmerksam macht.

    Die Überwachungsstelle Köln benutzte einen Stempel mit folgendem Text "Verzögert weil der / Inhalt zwei Bogen- / seiten überschreitet."