• Offizieller Beitrag

    Hallo Freunde

    Im August 1875 war dieser Brief zum Briefkasten gebracht, und der Absender hat auch gedacht dass er den Brief richtig frankiert hatte. Wer wollte sonst 10 Pfennige verschwenden? Nur war die Reichsmarken in Bayern nicht gültig. Der Postbeamter in Bahnhofspostamt hat sofort gesehen dass die Marke falsch war, und mit blauer Stift die Marke ausgeklammert + Boite und 7 Kreuzer Porto notiert.

    7 Kreuzer Porto wäre in Bayern oder andere süddeutsche Länder richtig, aber nicht in Österreich wo der Brief hingeschickt war. In Österreich war es schon seit 1858 die Neukreuzer im Brauch. Somit hat der Empfänger nur 7 Neukreuzer bezahlen müssen, Statt 10.

    Ich hoffe dass ich hier andere Briefkastenbriefe aus dieser Zeit sehen kann :)

    Viele Grüsse
    Nils

  • Hallo Nils,

    ein bemerkenswerter Brief - Glückwunsch!

    Bayern hätte seine Forderung in 10 Nkr. reduzieren müssen, das war auch jedem im Augsburg bekannt. Warum man es nicht gemacht hat, wird ewig ein Rätsel bleiben.

    Einen hätte ich da auch, wenngleich etwas früher abgesandt:

    Auch in Augsburg (sic!) am 3.5.1855 sandte man einen Brief nach Ranshofen bei Braunau am Inn. Die 9 Kr. Marke für Briefe über 20 Meilen wäre ausreichend gewesen, wenn man nicht nachgewogen hätte (in Bayern konnten die Privaten auch ohne Lothgewichte feststellen, welche Gewichtsstufe ihre Briefe hatten, indem sie ein Gulden- und ein Halbguldenstück, die zusammen genau ein Zollloth ergaben, auf die eine Seite der Waage und den Brief auf die andere Seite der Waage legten).

    Hier notierte die Aufgabepost oben rechts "Boite" und darunter "noch 15x", sowie rechts von der Marke "1 Loth".

    Obwohl in der veröffentlichen Ausführung des Postvertrages zwischen Bayern und Österreich, ab dem 1.7.1850 gültig, vom Loth inklusive gesprochen wird, hat man wohl tatsächlich das Loth exklusive gerechnet.

    Nun rechnete man: 2. Gewicht über 20 Meilen = 18 Kr. plus zweifacher Portozuschlag = 6 Kr., total also 24 Kr., abzüglich der verklebten 9 Kr., so dass die notierten 15 Kr. CM Nachtaxe wenigstens rechnerisch korrekt waren.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Bilder

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Liebe Freunde,

    Briefe aus der "Boite", also der "Schachtel", sind immer interessant.

    Einen einzigen konnte ich auftreiben, der den Vermerk "Brieflade" trägt - ein Terminus, den ich in Bayern noch nie gesehen habe.

    Der Brief stammt von Friedrich Kirchner aus Würzburg (wer denkt da nicht unwillkürlich an dessen wunderbare Sammlungen?) und wurde innen auf den 16. Juli datiert. Lustigerweise steht aber 15. Juli auf der Briefklappe und aufgegeben wurde er auch am 16. Juli nach Doos bei Nürnberg.

    Ich vermute, dass man Probleme mit Doos hatte, denn Briefe von Würzburg nach Nürnberg kosteten glaube ich 6x, so dass hier 3x zu wenig frankiert worden waren. Man vergaß wohl, die Nachtaxe von 3x und den Portozuschlag von 3x zu vermerken und spedierte ihn einfach ab. Siegelseitig sind keine Stempel zu erkennen. Die Entfernung Würzburg - Nürnberg beträgt 91,5 km, also etwas über 12 Meilen.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Bilder

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber bayern klassisch,

    "Brieflade" - diesen für mich eher "südschwedisch" klingenden Terminus habe ich von Bayern noch nie gesehen, nicht einmal von weit im Norden und außerhalb der bayerischen Kernlande gelegenen Orten wie Würzburg. Gratulation zu dem tollen Fund!

    LLiebe Grüße von maunzerle :thumbup:

    "Ein Leben ohne Philatelie (und Katzen) ist möglich, aber sinnlos!" (frei nach Loriot, bei dem es allerdings die Möpse waren - die mit vier Beinen wohlgemerkt)

  • Lieber maunzerle,

    ich kenne diesen Terminus nur von Baden (evtl. gibt es ihn auch von Württemberg oder Taxis). Nach meinen Recherchen hätte man auch mit 6x frankieren müssen, denn Doos hatte noch keine eigene Post (Expedition erst 1876!). Andererseits schrieb mir der liebe Luitpold, dass Doos zuvor zu Fürth gerechnet wurde und damit genau 12 Meilen von Würzburg entfernt liegen sollte, wofür dann 3x wieder gereicht hätten.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch, der das gute Stück schon 15 Jahre in seiner Krabbelkiste hatte

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


    Einmal editiert, zuletzt von bayern klassisch (28. Mai 2012 um 21:01)

    • Offizieller Beitrag

    "Brieflade" - diesen für mich eher "südschwedisch" klingenden Terminus

    Hallo manuzerle

    Auf jeden Fall ist es auf schwedisch ganz nahe - Brevlåda (Brewloda ausgesprochen) ist typisch schwedisch (nicht nur süd-schwedisch) :)

    Der Brief ist gut :)

    Viele Grüsse
    Nils

  • Guten Tag an alle,
    Meine Neugier ist von diesem Thread geschärft gewesen, weil ich zugebe, keine Nützlichkeit der Erwähnung "Schachtel" oder "Boîte" zu verstehen.
    Ich habe gut verstanden, Irrtum vorbehalten, daß sie an ungenügenden frankiert Briefe angebracht war.
    Kann jemand mir erklären?
    Emmanuel.

  • Hallo Emmanuel,

    was ich schreibe, gilt nur für Bayern und kann bei anderen altdeutschen Postgebieten völlig anders praktiziert worden sein:

    In Bayern hieß der Briefkasten "Boite", wie das franz. Wort für Schachtel.

    Briefe, die mit Marken frankiert waren, welche nicht ausreichten, waren mit "Boite" - Vermerk zu versehen, wurden nachtaxiert und weiter gesandt. Damit man nicht glauben sollte, die Aufgabepost hätte ihren Absender falsch beraten, erklärte das Wort "Boite", dass der Absender die Schuld an der Unterfrankatur trug, weil er ihn so in die "Boite" eingeworfen hatte. Dann war es eine exkulpatorische Maßnahme.

    Bei Einschreibebriefen bis 1861 wurde "Chargé", "gegen Postschein", "recommandirt" usw. auch gestrichen, wenn sie in der "Boite" vorgefunden wurden, weil die Rekogebühr nicht in Marken ausgedrückt werden konnte und damit der Brief in jedem Fall unterfrankiert war. Rekobriefe mussten aber frankiert versandt werden (Frankozwang), so dass auch noch in der Regel der "franco" - Vermerk zu streichen war und das durfte man am Schalter nicht (nur der Absender), sondern nur, wenn ein Brief aus der "Boite" stammte.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Danke Ralph,
    Ich erwartete eine Erklärung wie diese wirklich.
    In Frankreich war die Frankierung unter Verantwortung des Spediteurs. Die Postverwaltung brauchte also nicht, einer dieser Erwähnungen zu bedienen, wenn der Brief unterfrankiert war. Dagegen auf der Frankierung von spezifischen Postsendungen (Einschreiben, Chargé, Wertbriefe), war die Verantwortlichkeit für die Postverwaltung und für den Postbeamte, der das Gebühr berechnet hatte, voll und völlig.Einen Einschreiben oder einen Chargé Brief, konnte nicht nachtaxiert sein.
    In Frankreich in dieser Epoche geben es auch die Erwähnungen "Trouvée à la boîte" (in der Schachtel gefunden) und "Boîte de..." (Schachtel von...), aber die aus anderen Gründen benutzt waren.
    Emmanuel

  • Hallo Emmanuel,

    für Bayern - Frankreich nach dem Vertrag von 1847 galt, dass bei unterfrankierten Briefen (egal ob mit Sonderdienst, oder ohne) von der aufdeckenden, ausländischen Poststelle mit dem fehlenden Franko in Auslage belastet wurden. Dies galt in der Zeit, als es noch keine Markenbriefe gab und man immer zum Postler musste, um nach dem Franko zu fragen, so dass stets die Post schuld an den Problemen war.

    Nach Einführung der Marken kam der "Boite" - Fall mit Unterfrankatur natürlich häufiger vor, aber wenn man vergaß, "Boite" auf den Brief zu schreiben, war wieder die Aufgabepost für die Zahlung des fehlenden Frankos verantwortlich und musste dann schauen, wer den Brief in den Briefkasten geworfen hatte, was nicht immer von Erfolg gekrönt war. Dann hatte der Annahmebeamte / Postexpeditor Pech, denn er musste das Geld aus seiner eigenen Tasche bezahlen und konnte es nicht abwälzen.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Du hast Recht, Ralph

    Ich habe vergessen, zu sagen, daß der Spediteur für die Frankierung verantwortlich war, im Falle der Frankierung mit Marken. Wenn der Brief im Bargeld frankiert war (Stempel P.P.) und wenn die Frankierung schlecht berechnet gewesen war, war eben das Anfangspostamt verantwortlich.
    Emmanuel.

  • Hallo Emmanuel,

    schau mal bitte hier und sag mir doch mal, was die Kollegen in Strasbourg mit dem Brief und Augsburg gemacht haben (auch wenn keine Boite - Vermerk hier möglich war).

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Bilder

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo Ralph,

    Dieser 38 Gramm Brief (6. Gewichtstuffe) ist seit Augsburg frankiert gewesen.
    Sie ist in Frankreich in Straßburg eingetreten, wo das Grenzübergangpostamt hat das Stempel "A.E.D 11" geschlagen (Frankiert im Ausland bis zu Bestimmung). Auf Grund dieser Tatsache, die Beamter dieses Postamt erkannten, daß der Franco gut war. Die bayerischen Postbeamten haben den Franco dieses Briefes zerlegt: 18 Kr für Bayern und 28 für Frankreich.
    Ich kenne nicht, ob diese Berechnung gut ist, weil ich Postgebühren Bayern-Frankreich des Postvertrages von 1847 nicht kennt. Es scheint mir trotzdem, daß dieser Brief nichts zu verstecken hat.
    Emmanuel.

  • Hallo Emmanuel,

    in Augsburg wurden 18x für Bayern und 18x für Frankreich bar bezahlt. Die einfache Gewichtsstufe war das halbe Loth = 8,75g.

    Bei einem in Strasbourg ermittelten Gewicht von 38g war es ein Brief in der 5. Gewichtsstufe. Je Gewichtsstufe musste 9x für Bayern und 9x für Frankreich bezahlt werden.

    Der Absender hätte also für Bayern 45x und für Frankreich 45x zahlen müssen - damit war der Brief trotz P.D. - Stempels von Augsburg um 27x für Bayern und 27x für Frankreich unterfrankiert.

    Bayern teilte seinen Expeditoren mit, dass Frankreich mehrfach unterfrankierte Briefe bemängelt hatte, die P.D. - Stempel aufwiesen. Frankreich, so sagte das Ministerium in München, durfte bei Briefen mit P.D. - Stempeln von Bayern kein Nachporto notieren und somit die französischen Empfänger nicht belasten, die ja an den unterfrankierten Briefe aus Bayern nicht schuld waren.

    Um diesem Zustand abzuhelfen, sollte mit der nächsten retour gehenden Briefkarte die franz. Grenzpost (Strasbourg) die Aufgabepost (Augsburg) mit dem fehlenden Franko (27x / 27x) in Auslage belasten.

    Die Frage ist, ob Strasbourg hier Augsburg mit 27x für den französischen Anteil, oder mit 54x für beide Anteile belastete. Hierfür gibt die bayer. Verordnung keine Auskunft. Weißt du es?

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo Ralph,
    Frankreich hat seine Anteil und nicht die Ganzheit des Mangels verlangen sollen.
    Dazu wird Frankreich 38 gr und also 6. Gewichtsstufe (5. für Bayern) berücksichtigen.Irrtum vorbehalten meiner Seite, hätte Frankreich in 1847 das Porto wie so berechnet : 18*6 = 108 Kr (32 décimes) und hätte in Bayern 36 Kr gefragt.
    Seit dem 1. August 1849 kostete ein einfacher Brief (7.5 g) von Bayern nach Frankreich 50 c (15 Kr).Zu diesem Datum ist das Porto wie so berechnet gewesen: 15*6= 90 Kr. Frankreich hat sich also 27 Kr Bayern gefragt.
    Emmanuel.

  • Hallo Emmanuel,

    interessant die unterschiedlichen Möglichkeiten zu sehen - vielen Dank für deine Antwort. Man wird nicht immer alles 100%ig klären können und wenn wir Klassiker kooperieren, können wir schon viele Problembriefe aufklären.

    Danke für die Infos und liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.