Toskana - Kgr.beider Sizilien

  • Einen schönen Sonntag zusammen,

    heute möchte ich einen Brief aus Livorno/Herzogtum Toskana aus dem April 1856 nach Neapel im Königreich beider Sizilien zeigen, der mir noch etwas Kopfzerbrechen bereitet.

    Oben rechts steht "Via di Mare", weswegen ich davon ausgehe das er mit den französischen Postschiffen aus Livorno nach Neapel gelaufen ist.

    Beim Porto weiss ich leider nicht was die 4 Crazien zu bedeuten haben, Teilfranko bis wohin, und die 16 Grana sind der Rest wofür? Oder doch unterfrankiert?

    Viele Grüsse
    Christian

  • Ich denke auch dass der Brief mit französischer Schiffspost befördert wurde. Aufgrund des Postvertrages Frankreich-Toskana von 1851 hatte der Brief von Livorno bis zum Landungshafen in Neapel 4 crazie zu bezahlen. Neapel liess sich ziemlich vergüten, 13 wären in Neapel - Stadt fällig gewesen, 3 kamen zusätzlich für die Strecke Neapel - Marigliano (die Camorra lässt grüssen, hui!) hinzu. 13 grana wäre nämlich die Frankogebühr aus neapolitanischer Sicht bis Livorno. Einen schönen Abend von Altitalien

  • Hallo Altitalien,

    danke für Deine kompetenen Erläuterungen.

    13 Grana für die Strecke vom Hafen zur Stadt, muss schon sagen, die wussten wie man Geld verdient 8)

    Viele Grüsse nach Bozen (werde ich an Ostern besuchen :) )
    Christian

  • Ein, wie ich finde, sehr schönes Beispiel für einen Transitbrief der Extraklasse. Wieso denn? Nun, zunächst einmal aufgrund Provenienz und Destination. Briefe aus/nach Sizilien sind relativ selten, und dann ist es ja immer so, dass ich kleine Orte immer attraktiver finde als übliche größere Städte, aus welchen viel mehr Korrespondenz bekannt ist. Hier eben haben wir den Brief aus dem Postamt des malerischen Küstenstädtchens Cefalù, geschrieben in Castelbuono. Und er geht auch nicht in das sagen wir mal normale Florenz oder Livorno, sondern in die ebenso malerische Kleinstadt Pitigliano, auf Tuff gebautes mittelalterliches Juwel der Maremma. Der Brief geht an den Vorsitzenden der Wissenschaftlichen, Literarischen und künstlerischen Akademie von Pitigliano, geschrieben hat ihn ein Arzt aus Sizilien, der sich für die Aufnahme in die Akademie bedankt. "Franca fino ai confini" schreibt der Absender, bezahlt bis zu den Grenzen, und im Doppel-Königreich beider Sizilien stammend, ist der Plural auch richtig gelegt. In der Tat ist der Brief mit 12 grana bis zur Aussengrenze Neapels bezahlt, also bis Fondi/Terracina. Das entspricht dem Tarif von 1845 (bis zu 50 Meilen). Zuerst hat der Postbeamte in Cefalù die 12 falsch vorne hingeschrieben, und wahrscheinlich in Palermo wurde das korrigiert, gestrichen, und richtig hinten für einen Grenzfrankobrief angeschrieben. Ganz leicht in rot findet sich auch der Kontrollstempel des Amtes MSAG. Neapel schreibt oben links für sich die 5 grana an. Der Brief gelangt nach Rom, wo der Postsack aus Neapel geöffnet wird, und der Brief zu weiteren Instradierung bearbeitet wird. Das heisst hier man bringt den Stempel Transito per lo Stato Pontificio an. Aber der Brief erhält keine Einzeltaxe, da aufgrund des Vertrages Kirchenstaat-Toskana Briefe aus Sizilien pauschal abgerechnet werden. Und auch der Postbeamte in Pitigliano ist etwas verwirrt und macht den ersten Taxansatz falsch. Er schreibt 6, aber das Dekret aus dem Jahr 1847 sieht 8 crazie für Briefe aus Sizilien vor.

  • Hallo Altitalien,

    ein herrliches Stück mit handfester Erklärung der Manipulation des Briefes durch die unterschiedlichen Hände.

    Eine generelle Frage hätte ich zum Kirchenstaat: Gibt es eine Übersicht, welche Pauschalen für welche Korrespondenzen der Kirchenstaat von wem erhielt?

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Das klingt doch vielversprechend. Bitte hier im Forum (gerne auch mit Auszügen aus dem Inhalt) hier vorstellen. Ich bin sicher, dass es mehrere Bestellungen von Mitgliedern hier geben wird (von mir zum Beispiel). ;)

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Aus dem Aktenmaterial (in französisch) zur Toskana habe ich wieder wichtige Aspkete herausgegriffen, bei denen die Sprachbegabten und der Übersetzerpool aktiv werden können. Vielen Dank im voraus, kommt ja allen zugute.

    Florenz, den 22. Mai 1824

    Mein Fürst!

    Ich habe glücklicherweise die toskanische Regierung von der Berechtigung der Forderung überzeugen können, die die Depesche Eurer Hoheit vom 14. April dieses Jahres mir zu stellen befahl, bezüglich der Umsetzung des 5. Absatzes im Zusatzartikel zu unserem am 19. August 1823 mit dem römischen Hof abgeschlossenen Postvertrag. Nachdem ich dem Herrn Grafen de [?] mitgeteilt hatte, dass beginnend mit dem 1. April das Mailänder Postamt in seinen quartalsweisen Rechnungen die 125 Römischen Scudi aufführen wird, mit deren Erstattung das toskanische Amt nach dem Wortsinn des fraglichen Artikels belastet wurde, informierte mich der Minister durch die Note, die im beiliegenden Original Eurer Hoheit zu senden ich die Ehre habe, dass das besagte Amt angewiesen wurde, die jährliche Zahlung von 500 römischen Scudi ohne Weiteres vorzunehmen, die wir von der Großherzoglichen Verwaltung verlangen.
    Eure Hoheit werden jedoch der vorgenannten Note entnehmen, dass die toskanische Regierung eine Gegenforderung stellt, angesichts der hohen Ausgaben, die sie vorgeblich 1823 für die Wiederherstellung der Postkurse auf der Giardini genannten Postroute aufgebracht hat, ein Aufwand, den der toskanische Fiskus mit dem von Österreich zu teilen wünscht. Ich habe diesen Gegenstand zur Berichterstattung angenommen, ohne auch nur im Geringsten anzudeuten, ihm Folge zu leisten. Ich muss dennoch Eure Hoheit bitten, mir Ihre höchsten Absichten in dieser Sache zur Kenntnis zu bringen, damit ich in der Lage bin, dem Ministerium Seiner Kaiserlichen Hoheit angemessen zu antworten, falls es seine Forderung erneut erhebt, was es bei der erstbesten Gelegenheit sicherlich tun wird.
    Wollen Sie, mein Fürst, die Versicherung meiner tiefsten Verehrung entgegennehmen.
    Bombelles

    An die Geheime Hof- und Staatskanzlei.
    Wien

    Der unterzeichnete Staatssekretär des Ministers der Auswärtigen Angelegenheiten hat es sich zur Pflicht gemacht, Seiner Kaiserlichen und Königlichen Hoheit Erzherzog Großherzog, seinem Herren, die Note vorzulegen, welche Seine Exzellenz Herr Graf Bombelles, außergewöhnlicher Gesandter, bevollmächtigter Minister Seiner Kaiserlichen und Königlichen Apostolischen Majestät, sich beehrte ihm unter dem Datum des 29. April zu übergeben, welche die toskanische Regierung auffordert, sich doch der jährlichen Zahlung von 500 römischen Scudi zu unterwerfen, die ihrem Anteil an 1000 der besagten Scudi entspricht, falls die Passage der austro-toskanischen Boten durch die Legation Bologna wiederhergestellt ist, wie es zugunsten des Kirchenstaats im 5. Absatz des Zusatzartikels des Postvertrages festgelegt ist, der am 19. August 1823 zwischen den Regierungen von Österreich und Rom geschlossen wurde.
    Seine Kaiserliche und Königliche Hoheit der Erzherzog Großherzog, hat, ungeachtet des Umstands, diesem Artikel nicht beigetreten zu sein, und einzig davon beseelt, bei jeder Gelegenheit nach Kräften die Wünsche Seiner Majestät des Kaisers und Königs, seines Erhabenen Bruders, zu unterstützen, befohlen, den Vorstand des Großherzoglichen Postamts zu beauftragen, auf Rechnung besagten Postamts die obengenannte jährliche Zahlung der Summe von 500 römischen Scudi zu leisten und direkt mit dem Postamt von Mailand die nötigen Vereinbarungen zur Ausführung dieser Zahlungen zu vereinbaren.
    Indem der Unterzeichnete eine solche Entscheidung seines Erhabenen Herrschers Seiner Exzellenz dem Herrn Grafen von Bombelles zur Kenntnis bringt, hat er doch die Pflicht mitzuteilen, dass Seine Kaiserliche und Königliche Hoheit der Überzeugung ist, dass die Kaiserlich-Österreichische Regierung, mit dem ihr eigenen Gerechtigkeitssinn und im Gegenzug für das schnelle Entgegenkommen im obengenannten Fall, ihrerseits die Berechtigung einsieht, wenn die 1823 angefallenen, sehr hohen Kosten für die Wiederherstellung der Postkurse auf der Strecke von Pistoia und Modena nicht gänzlich zu Lasten der toskanischen Regierung gehen, und einer Beteiligung an Kosten zustimmt, die angesichts der Verlegung einer Route entstanden sind, auf die sie so großen Wert gelegt hat.
    [Grußformel]
    Florenz, den 19. Mai 1824.
    [Unterschrift]

    Viele Grüße aus Erding!

    Achter Kontich wonen er ook mensen!

  • Lieber johelbig, lieber Erdinger,

    meinen herzlichsten Dank für das einstellen und das übersetzen dieser postgeschichtlichen Rosine!!!

    Wem da das Herz nicht höher schlägt der sollte lieber Bund ab 1960 sammeln :thumbup:8o:thumbup:

    Wirklich sehr schön!!

    Beste Grüsse von
    Bayern Social


    "Sammler sind glückliche Menschen"