Bayern-Frankreich unterfrankiert

  • Liebe Sammlerfreunde,

    nach einiger Abstinenz, was das Zeigen eigener Belege angeht, hier mal wieder ein Neuzugang aus meinem Sammlungsteil "Frankaturen in das Vereinsausland":

    Nachdem Briefe nach Frankreich ja Aufgrund der Handlesbeziehungen durchaus Massenware darstellen, sind es Briefe im zweiten Gewicht bekanntlich eher nicht.
    Am 18.8.1860 gab man in Fürth einen ebensolchen Brief im zweiten Gewicht nach Lyon an die bekannte Adresse des Herrn A. Gebhardt auf, laut Inhalt eine Korrespondenz zur "Leonischen Industrie".
    http://de.wikipedia.org/wiki/Leonische_Waren
    und
    http://www.fabrikmuseum-roth.de/de/home

    Nicht weniger Interessant ist die postalische Behandlung des Briefes, der im zweiten Gewicht lag, jedoch mit 12 Kr nur für das erste frankiert und in den Briefkasten eingeschmissen wurde.
    (Im Übrigen wurde genau für diese angenommene Frankatur die 12Kr rot am 1.7.1858 für den PV vom 1.7.1858 verausgabt, um diese Portostufe mit einer Marke bedienen zu können, was vorher nicht möglich war.)

    Doch nun weiter zu dem vorliegenden Brief, der für die 2.GS siehe "boite" (Briefkasten) und "2 pt" (2 Ports) eben unzureichend frankiert war, weshalb der Postler in Fürth den bereits angebrachten "PD" Stempel wieder gestrichen hat.
    Denn der Brief war ja eben nicht "P.D." (Paye Destination) sondern um 12Kreuzer unterfrankiert, weshalb der Postler in Fürth unter den o.g. Notizen ebenso handschriftlich "Insuffisant" also unzureichend notierte.

    Eigentlich hätte die annehmende Post in Frankreich die Nachtaxe in Höhe von 24 Kreuzer umgerechnet in "8" Decimes auf dem Brief vermerken müssen, da unterfrankierte Briefe in dieser Periode wie gänzlich unfrankiert zu behandlen waren.
    Warum das bei diesem Brief nicht gemacht wurde kann ich nicht sicher sagen, wenn Sammlerkollegen eine Idee dazu haben freue ich mich über Ergänzungen.

    Schlechter macht das fehlen der Nachtaxe den Brief aber nicht :)

  • ... und, auch wenn der Brief es nicht nötig hat, der 7 A - Stempel von Fürth ziert ihn auch noch! Klassebrief in jeder Hinsicht. :P:P

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo Bayern Social,

    Bezüglich dieses Briefes, geben es 2 Annahmen:

    1/Das PD Stempel wurde sicherlich gestrichen, aber nicht sehr offensichtlich.
    Die Franzosen haben also betrachtet, daß dieser Brief richtig frankiert war.

    2/Es ist nicht sicher, daß das PD Stempel gestrichen wurde.
    Der Strich scheint lieber zur Adresse zu gehören.

    Viele Grüsse.
    Emmanuel.

  • Lieber Vals59, lieber Bayern Klassisch,

    erstmal danke für die netten Kommentare :)

    @Vals 59, Deine erste Annahme halte ich für die Wahrscheinlichere, denn streichen mussten die Bayern das PD ja schon, um es klar zu stellen, aber Du hast recht, dass kann bei der französischen Post natürlich übersehen worden sein, so dass diese von einem PD Brief ausging und daher dann keine Nachtaxe notiert hat.

    Ich kenne halt nur Briefe dieser Behandlung die eine Nachtaxe tragen, daher fand ich diesen so reizvoll.....Und Dank vals59 dass dürfte das die Erklärung dafür sein.

    bayern klassisch: Was hatte es nochmals mit dem 7A Stempel auf sich, ich meine der liebe maunzerle hatte hier mal einen Aufruf dazu gemacht, aber die Details kennen ich nicht!?

    Beste Grüsse von
    Bayern Social


    "Sammler sind glückliche Menschen"

  • Liebe Freunde,

    ist die Tinte des gestrichenen P.D. nicht die gleiche wie die des franz. Vermerks?

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Liebe Freunde,

    nach genauem Betrachten des Briefes gehe ich davon aus, dass der gestrichene PD Vermerk nicht zu der Tinte des Absenders passt und an dieser stelle auch keinen Sinn macht.

    Es dürfte entweder von der bayerischen oder der französichen Post das PD gestrichen worden sein, ich denke eher von den Bayern, da das die fehlende Nachtaxe plausibel erscheinen lässt, aber mit Sicherheit wird sich das wohl nicht mehr feststellen lassen.

    Aber wie Bayern Klassisch schon feststellte, derlei Fragen sind bei dem Brief eher nebensächlich ;)

    Danke für die Hilfe! :)

    Beste Grüsse von
    Bayern Social


    "Sammler sind glückliche Menschen"

  • Hallo Bayernjäger,

    der Brief passt sehr gut zu dem ersten 12Kr rot zu Beginn, denn auch der wurde nicht korrekt behandelt, was die Briefe für mich aber auch so spannend macht.

    Den Du uns zeigst würde ich in aller kürze wie folgt beschreiben:

    16.8.1866 Augsburg-Vaise-Lyon Brief der 2. GS (über 10-20 Gramm) aber nur für die 1.Stufe frankiert („2“ Port). Bayern taxierte nichts aber Strasbourg erhob 4 Decimes=12Kr, was falsch war, denn der Brief hätte wie gänzlich unfrankiert behandelt werden müssen. Richtig waren: 8 Dec. =24Kr Nachporto(2x6Dec.=12Dec=36Kr-12Kr=24Kr=8Dec.Nachporto). PD Stempel fehlt dafür notierte man „afranchissment insuffisant“ .

    Schönes Stück. :)

    Beste Grüsse von
    Bayern Social


    "Sammler sind glückliche Menschen"

    Einmal editiert, zuletzt von Bayern Social (3. September 2015 um 08:23)

  • Hallo Bayernjäger,
    Seit dem 1. Juli 1858 waren unterfrankierte Briefe nicht mehr als unfrankiert betrachtet. Die Nachtaxe musste die Marken auf dem Brief berücksichtigen. Die Berechnung der Nachtaxe beginnt immer mit dem Porto eines unfrankierten Briefes, von dem man den Betrag von den Marken auf dem Brief abzieht.
    Bayerischer Unfrankierter Brief der 2. Gewichtsstufe: 12 décimes
    Marken auf dem Brief: 12 Kr = 4 décimes
    Nachtaxe: 8 décimes, hier mit 4 décimes falsch berechnet.
    Viele Grüsse.
    Emmanuel.

  • Hallo zusammen

    NAchdem ich mir jetzt 2 Stunden den Kopf zerbrochen habe, hoffe ich, dass ihr eine passende Lösung habt.

    Der Brief aus München nach Montpellier von 1859 ist mit 9 Kreuzern nicht ausreichend frankiert. Handschriftlich "Insuff" und 7 Decimen Nachtaxe.

    Ich hatte den Brief gekauft , weil er einen extrem schönen und gut lesbaren Abschlag des Eingangsstempels Autriche- Strassbourg 1.Jun 1859 trägt. Das kann vielleicht mal passieren, dass der falsche stempel draufkommt. Aber was ist nun mit der Taxe?

    Wenn der französische Beamte realisierte, dass der Brief nicht aus Österreich sondern aus Bayern kam, hätte er für den einfachen Brief 6 Decimes minus 3 Decimes Markenfrankatur - also 3 Dec. taxieren müssen.
    Bei einem doppelt schweren Brief (da würde man links oben eine "2" erwarten) wären es 12 Decimes minus 3 Dec- also Taxe 9 Decimes.

    War ihm der Rotwein am Vorabend nicht gut bekommen, dann glaubte er fest daran, der Brief kommt aus Österreich:
    Dann wäre als Portobrief 8 Decimen fällig gewesen, dann gäbe es 3 mögliche Anrechnungen der 9 Kreuzermarke:
    9 Kreuzer rheinisch = 3 Dec.. Porto 5 Dec.
    9 KrCM (die es 1859 nicht mehr gab) = 3,9 Dec, macht 4,1 Decimes aufgerundet 5 Dec Porto
    9 Neukreuzer = 2,3 Decimes, = 5,7 Dec , aufgerundet 6 Dec.

    Facit: der BEamte war wohl so betrunken, dass weder der Stempel noch die Taxe passt. Das nenn ich konsequent.

    Man könnte noch annehmen, dass der Beamte denkt, der Brief kommt aus der österreichischen Levante, dann wäre das Porto 10 Decimes gewesen, abzüglich 3 Decimes Frankatur = 7 Dec.. München und Levante ist ja nicht ganz so falsch.....

    Gut. Hat einer eine Erklärung oder müssen wir feststellen, dass einer doppelten Bockmist verzapft hat?

    Beste Grüße, cameo

  • Lieber cameo,

    du hast dir viele Gedanken gemacht - so vieler Gedanken hätte es aber gar nicht bedurft ...

    Die Briefpakete aus Österreich (auch der Levante, Rußlands Süden usw.) kamen nach Bayern und wurden mit bayerischen vereinigte in separaten, geschlossenen Paketen nach Strasbourg geschickt.

    Die Aufgabepost hatte ja treffend afr. insuffissant notiert und den P.D. - Stempel verweigert; damit war der Brief in der Spalte der Portobriefe/unterfrankierten Briefe der Briefkarte einzutragen gewesen. Die Briefkarte für die österr. Post konnte Bayern gar nicht einsehen bzw. gar korrigieren bzw. upgraden; von daher ist die Möglichkeit, ihn mit den österr. Briefen zu verrechnen bzw. so zu taxieren nicht möglich.

    Die Rechnung, du hattest sie schon geschrieben, war: 6 Decimes für unfrankierte Briefe = 18 Kr. minus dem Wert der verklebten Marke(n) von 9 Kr. = 3 Decimes = Nachporto 3 Decimes in Frankreich. Auf die 7 Decimes kommt man nicht, das kann man drehen und wenden, wie man will.

    Der Stempel Autriche - Strasbourg, nett so etwas zeigen zu können, hatte mit der Taxierung nichts zu tun - offenbar hatte man zuvor die Briefe aus dem österr. Briefepaket abgestempt und nach Öffnung des bayerischen Pakets noch etwas weiter gestempelt, ohne seinen Irrtum bemerkt zu haben - auch die Taxe hatte das keine Auswirkung. Im übrigen wussten die Experten in Strasbourg (das meine ich jetzt nicht ironisch), wie bayerische und wie österreichische Marken aussahen und hätten schon so leicht erkannt, woher der Brief stammte (Bayern steht ja gut lesbar auf der Marke und München kann man im Aufgabestempel und Absenderstempel gut lesen).

    Er hatte einfach, wem oder was auch immer geschuldet, einen anderen Postvertrag bzw. eine andere Abrechnung im Kopf, als er das machte.

    Bayern bekam 40% der regulären Taxe von 6 Decimes bonifiziert (intern), von daher hatte man auch keinen Vorteil - nur Frankreich kassierte mehr, als ihnen zustand. Ich hätte mich als Empfänger beschwert ... :D

    Ein wunderbarer Brief in perfekter Erhaltung - wer hätte den nicht gerne? :P:P:P

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber cameo, lieber bayer klassisch,

    erstmal besten dank an Cameo für das Zeigen dieser Rosine, selten und dann noch in einer solchen Erhaltung, chapeau :):)

    Zwei Unterfrankierte konnte ich ja auch zeigen-das sind Briefe ganz nach meinem und sicher unserem Geschmack... :thumbup:

    Eure beiden Beschreibungen sindsehr gut und auch wenn das Datum 1859 in die heisse Phase des 1859 Krieges fällt, sollte der Laufweg davon nicht beeinflusst sein, oder?
    Das wäre aber ein Aspekt , den Du, Cameo sicher am besten kennst, wenn dort ein Einfluss bestanden hätte...

    Herzliche Grüße :thumbup:
    Bayern Social

    Beste Grüsse von
    Bayern Social


    "Sammler sind glückliche Menschen"

    Einmal editiert, zuletzt von Bayern Social (26. August 2017 um 16:16)

  • Ein wunderbarer Brief in perfekter Erhaltung - wer hätte den nicht gerne? :P :P :P


    ...dem stimme ich natürlich voll und ganz zu... :thumbup::thumbup:

    und wegen des 1859ger...da könnte es doch nochmal interessant werden...zeitlich würde der1.6.1859 "ideal" passen , aber geographisch kann ich nichts sicher dazu sagen.... 8o:P

    http://www.philaworld.ch/index.php/Sard…%C3%96sterreich

    Da der sardische Krieg aber hauptsächlich im Königreich Italien stattfand, dürfte der Brief und auch der "Zustand des Postlers" nicht im Zusammenhang mit dem 1859 Gescheben gestanden haben... 8o:P

    Beste Grüsse von
    Bayern Social


    "Sammler sind glückliche Menschen"

    Einmal editiert, zuletzt von Bayern Social (26. August 2017 um 16:20)

  • Lieber Bayern Social,

    die Auswirkungen des Krieges von 1859 fanden 500 km südlich statt - mit den bayer. - französischen Kartenschlüssen hatte der gar nichts zu tun.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Da der sardische Krieg aber hauptsächlich im Königreich Italien stattfand, dürfte der Brief und auch der "Zustand des Postlers" nicht im Zusammenhang mit dem 1859 Gescheben gestanden haben...

    Lieber Bayern Klassisch,

    ja, wie auch schon geschrieben, leider, denn zeitlich würde es eben ideal passen...aber nur zeitlich...sonst wäre der tolle Brief noch besser :thumbup:

    Beste Grüsse von
    Bayern Social


    "Sammler sind glückliche Menschen"

  • HAllo zusammen,

    Danke für eure Kommentare. Leider hat er mit dem Krieg 1859 nichts zu tun (das wäre ja noch besser 8) ). BK hat wohl recht, dass hier alles falsch gelaufen ist und der falsche Stempel nichts mit der falschen Taxierung zu tun hat.
    LG cameo

  • Liebe Freunde,

    weil ich es bisher vergessen hatte, jetzt aber nachholen möchte, zeige ich euch die VO Nr. 11,934 vom 28.6.1858, die im VO - Blatt Nr. 34 vom 30.6.1858 gerade noch so rechtzeitig zum Postvertrag Bayern - Frankreich ab dem 1.7.1858 heraus kam und die zeigte, wie präzise hier nach neuem Muster zu verwiegen war.

    Das in der VO mit "bayerisches Gewicht" genannte, uralte Münchener Loth (17,5g!), war somit endlich obsolet geworden, denn Frankobriefe nach Frankreich und Portobriefe aus Frankreich waren bis dato noch immer nach diesem Gewicht zu taxieren und zwar so, dass bis 1/2 Münchener Loth inklusive einfach war (also 8,75g inkl.).

    Auch hatten nur die Poststellen Gewichte in fanzösischen Grammen, die Kartenschlüsse zu Frankreich führten, also nur ganz wenige, so dass man mit den ab 1850 international üblichen Zollgewichten (1 Loth = 15,625g) arbeiten musste und darauf bedacht war, die richtigen Teil - Loth - Gewichte vorrätig zu haben, um die Taxen korrekt zu ermitteln. Hierfür wurden ausgegeben: 3/10, 4/10, 5/10 und 6/10 Loth - Gewichte, womit alle möglichen Gewichtsstufen nach/von Frankreich messbar waren (bis 10g inkl. - bis 20g inkl. - bis 30g inkl. usw. mussten umständlich mit 1 Zollpfund = 32 Zolloth - Teilgewichten abgewogen werden, also fast so kompliziert wie heute der Alltag in der EU!).

    Bilder

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber Ralph,
    da kann ich nur wieder "Danke!" sagen für das Dokument und Deine Ausführungen.
    Liebe Grüße von maunzerle :thumbup:

    "Ein Leben ohne Philatelie (und Katzen) ist möglich, aber sinnlos!" (frei nach Loriot, bei dem es allerdings die Möpse waren - die mit vier Beinen wohlgemerkt)