Von und nach Russland nach dem Postvertrag vom 13.1.1866

  • Lieber Michael,

    wer P.D. und Franco gestempelt hat, kann ich leider nicht sagen.

    Baden hatte m. W. 7 Kr. für sich und 7 Kr. für Russland angesetzt, wenn ich nicht irre. Baden hatte ja, wie die anderen süddeutschen Staaten auch, ihre einfachen Briefe nach Russland mit 14 Kr. frankieren, so dass man die 2 Sgr. = 7 Kr. hier auch für das Inland umsetzte.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo zusammen!

    Heute hat er sich etwas aufgehellt, der „dies ater“ vom letzten Januar-Wochenende: zweiter Sieger war ich bei Rauhut, als ich bei einem Heidelberger Brief ins Taxis-Gebiet mit anerkanntem Bestellkreuzer „zweiter Sieger“ blieb und in der Bucht gleich zweimal trotz sehr ambitionierter Gebote „gesnipt“ wurde … 
    Aber der Konkurrent bei diesem schönen Brief bekam wohl kalte Füße und so hat er doch nach über 140 Jahren noch einmal den Weg nach Heidelberg gefunden. [Blockierte Grafik: http://s3.imgimg.de/uploads/Sta46648c6PetersburgHD1868a46648c6jpg.jpg
    Was ich sehe: ein eingeschriebener Francobrief aus St. Petersburg, der nach julianischem Kalender am 29. Oktober 1868 – umgerechnet am 10. November – eingeliefert und bar bezahlt wurde. Die Notiz rechts oben interpretiere ich als Registriernummer (1571?). Ansonsten sehe ich nur links eine handschriftliche rote Notiz, kann aber die Zahl nicht lesen – 2? 6? 9? … in welcher Währung?

    Die übrigen handschriftlichen Notizen in anderer Handschrift müssen eigentlich Kyrillisch sein - sonst könnte ich sie ja lesen 8)

    Einen schönen klaren roten deutschsprachigen Stempel „Aus Russland …“ vom 11.11. 68 (11 Uhr?) interpretiere ich als preußischen (?) Grenzübergangsstempel.
    [Blockierte Grafik: http://s3.imgimg.de/uploads/Stc356fa73PetersburgHD1868RSc356fa73jpg.jpg]

    Siegelseitig (hier stimmt der Begriff hndertprozentig) findet sich noch ein sehr schöner Heidelberger Distributionsstempel als Ankunftstempel. 
    (Die kleine Preisangabe unten rechts werde ich ausradieren – sonst glaubt womöglich noch jemand, dass auch ein „markenloser“ Brief Geld kostet :rolleyes: …)

    Bitte, liebe Freunde, helft mir bei meinen Fragezeichen!

    Viele Grüße von balf_de 

    • Offizieller Beitrag

    Hallo balf_de

    Ein interessanter Brief.

    Der rote Stempel hat eine van der Linden Nummer 333, und ist als rot gestempelt keine grosse Seltenheit. Und gehört die Eydthkuhnen-Bromberg Bahnstrecke.
    Ich glaube nicht dass die dritte 11 die Uhrzeit ist, vielleicht ist es II? Alle bei van der Linden gezeigten Stempel haben diese II zum Schluss. Wahrscheinlich ein Zeichen für die Route von Ost nach West? Michael weiss es ganz sicher.

    Die andere Fragen kann ich jetzt nicht Beantworten :)

    Viele Grüsse
    Nils

  • Lieber balf_de,

    nachdem der gute Nils dir die eine Hälfte erklärt hat, folgt nun die andere. :)

    Der Brief war nach dem PV Preußen - Russland vom 13.1.1866 zu behandeln. Das Franko von zuvor 20 Kr. (9 Kr. Baden, 11 Kr. Russland = 3 Sgr.) war reduziert worden auf 14 Kr., die halbscheidig zu teilen waren zwischen den Postverwaltungen. 14 Kr. entsprachen genau 4 Sgr., die Hälfte waren demnach 2 Sgr., die oben links angeschrieben wurden und 7 Kr. entsprachen.

    Im Gegensatz zum vorherigen Vertrag, bei dem sich die Gebühr für die russische Strecke bei der Recommandation verdoppelte, war nun nur noch die einfache Recogebühr vom Absender zu zahlen (dürfte in etwa 7 Kr. gewesen sein, aber das ist nur geschätzt). Die Besonderheit bei recommandirten Briefen war der Frankozwang. Konnte man nach diesem PV frankiert oder unfrankiert versenden, zog der Wunsch nach Recommandation die Frankatur zwingend nach sich.

    Russland erhielt also die Recogebühr und 2 Sgr.., Preußen kassierte die anderen 2 Sgr. und Baden erhielt gar nichts. Das einfache Gewicht war maximal ein Loth - wie dein Brief zeigt (wäre er schwerer gewesen, hätte man ein Vielfaches der "2" Sgr. notiert).

    Ein schönes und seltenes Stück, denn recommandirte Briefe aus Russland nach Deutschland sind keine Massenware.

    Glückwunsch zu dem schönen Stück und liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber Michael,

    11.8.1866 - das war kurz nach dem Krieg, aber es ist auch so schon ein sehr begehrenswertes Stück (Gott-sei-Dank nicht von Heidelberg). 8o

    Das Weiterfranko mit 7 Kr. ausgewiesen - eigentlich war bei den süddeutschen eher die Regel, das Weiterfranko bei Briefen über Preußen in Silbergroschen anzusetzen.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

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    • Offizieller Beitrag

    Lieber bayern klassisch,

    der Abstand zum 66er-Krieg ist etwas größer: Der Brief ist von 1867.

    Das Weiterfranko in Kreuzern ist ungewöhnlich. Rückseitig ist eine leider nur sehr unvollständige Blaustift-Notierung über das Weiterfranko vorhanden, die gut preußischen Ursprungs sein könnte.

    War 1867 überhaupt noch eine südliche Route - um Preußen herumgeleitet - via Österreich vorgesehen ?

    Viele Grüße
    Michael

  • Lieber Michael,

    sorry, hatte glatt 1866 gelesen - da war wohl der Wunsch der Vater des Gedankens. ;(

    Von den Südstaaten kenne ich ad hoc keine Briefe über Österreich ab 1867 nach Russland. Ob es aber Vorschriften gab, alle Post nach Russland Preußen zuzukartieren, kann ich aus der Hüfte nicht sagen, aber ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass man Österreich als Transitmöglichkeit ausgeschaltet hat. Anders war es bei Briefen aus Südrussland in die Südstaaten, da gab es diesen Leitweg noch.

    Siegelseitig könnte eine "2" für 7x = 2 Sgr. von Preußen stehen.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Lieber Hans,

    die blaue 20 dürfte von Württemberg kommen, da der badische Bahnpoststempel ebenso fehlt, wie der Basler Eingangsstempel. Ab ca. 1860, wann genau kann niemand mehr sagen, liefen die Korrespondenzen auch über Württemberg direkt in die CH, nicht mehr nur über Baden und Bayern (jedenfalls ist das mein derzeitiger Forschungsstand).

    Die 20 musste der schreiben, der mit der CH in rheinischen Kreuzern verrechnete, also nicht Preußen, die ja keinen Kartenschluß zur CH hatten.

    Alle Orte der CH waren von deutschem Boden aus entfernungsmässig vermessen worden, daher gab es nur 2 Rayons für die CH: bis 10 Meilen inkl. und über 10 Meilen. Wohlen lag im 1. Rayon, daher nur 3 Kr. Inlandsporto für die CH entsprechend 10 Rappen. Die Entfernung galt aber nicht von einem Ort, sondern von Grenztaxpunkten bzw. deren Mitte, also z. B. Lindau - Konstanz oder Basel - Konstanz.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch, der deinen Brief auch nicht übel findet :P

    Liebe Grüsse vom Ralph

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    • Offizieller Beitrag

    Liebe Freunde,

    hier ein Brief, der die Verwendung russischer Marken in Polen zeigt:

    Am 24.12.1866 von Warschau ins schlesische Liegnitz adressiert und mit 10 Kopeken voll frankiert.
    Frankobriefe kosteten normalerweise 2 Sgr. russisches und 2 Sgr. preußisches Porto, die Provinz Schlesien gehörte aber zu dem Bereich, für den 1 Sgr. auf preußischer Seite reichten. Die Gesamttaxe waren also 2 + 1 = 3 Sgr., entsprechend 10 Kopeken.
    Die Entwertung der Marke erfolgte mit einem Nummernstempel der Warschauer Stadtpost.

    Adressiert war der Brief an den Post-Expedienten L. Friedrich, Wohlgeboren in Liegnitz Schlesien, Wohnhaft im Postgebäude.
    Dort konnte der Brief aber nicht zugestellt werden (Ausgabestempel vom 25.12.) und der Briefträger notierte
    Adressat ist nach Lissa versetzt
    Eisenbahn Post b. Hunsdorf (?) Lissa

    Dort konnte der Brief dann am Folgetag abgegeben werden.

    Viele Grüße
    Michael

  • Lieber Michael,

    ich lese da "Eisenbahn Post B(ureau) Hansdorf".

    Ein toller Brief! Glückwunsch zu dieser Rosine. :)

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

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    • Offizieller Beitrag

    Liebe Freunde,

    bei dem folgenden Briefchen sind 2 Dinge schief gelaufen:

    Der Brief wurde am 10. April 1866 (30. März julianischer Kalender, russ. Aufgabestempel rückseitig) in Pernau frankiert aufgegeben.
    Adressiert war er an Frau Emma Preußer, geb. Frau von Gulschmidt, auf Schloß Lockwitz über Dresden
    Der Brief lief über Riga (Durchgangsstempel vorderseitig) nach Preußen und erhielt hier den Stempel FRANCO AUS RUSSLAND über BÜR.XI EDK.BRG.

    Der 1. Fehler betrifft die Frankatur
    Ein frankierter Brief kostete nach dem neuen PV 14 Kopeken, verklebt sind hier 2x5 und 2x1, also nur 12 Kopeken.
    Da dies nicht bemerkt wurde, ging der Fehler zu Lasten der russischen Postkasse. Rückseitig ist das reguläre Weiterfranko an Preußen mit 2 Sgr. notiert.

    Der 2. Fehler betraf den Zielort
    Anscheinend wurde die letzte Adresszeile über Dresden zunächst als Bestimmungsort gelesen. In Dresden wurde der Brief der Briefausgabe zugeleitet, dort der Fehler bemerkt, Dresden gestrichen und der eigentliche Zielort Schloß Lockwitz unterstrichen. Die Zustellung in Lockwitz (eigene Postexpedition seit 1857) erfolgte noch am selben Tag.

    Etwas zur Sophy:
    Lockwitz war ein ehemaliges Rittergut südwestlich von Dresden (heute ein Dresdener Stadtteil). Im 17. Jahrhundert erfolgte der Umbau zum Schloß.
    1756 schlug Friedrich II. hier sein Hauptquartier auf (Siebenjähriger Krieg). 1813 war es ein Lazarett für preußische und russische Soldaten.
    1813-1867 besaß die Familie Preußer das Schloß. Hierbei handelte es sich um eine ehemals bedeutende Kaufmannsfamilie aus Leipzig.

    Viele Grüße
    Michael

  • Lieber Michael,

    wunderbares Vortragsstück und ein herrlicher Beitrag von dir. :P

    Das gute Stück dürfte mit Sicherheit einen Frankodefekt nach sich gezogen haben, denn der Empfänger wurde ja nicht zur Kasse gebeten. Wenn man dann den noch dazu fände ... aber man wird ja noch träumen dürfen.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

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    • Offizieller Beitrag

    Liebe Freunde,

    ein Portobrief aus 1866 von St. Petersburg nach Neapel:

    von Petersburg über Eydtkuhnen nach Preußen, roter K2 PORTO AUS RUSSLAND über BUR.XI EDK.BRG:.
    Im geschlossenen Transit durch Bayern nach Baden, Kursstempel Heidelberg-Basel, und von hier durch die Schweiz, Kursstempel Basel-Olten, nach Italien. Ankunft in Neapel am 11. September nach 8 Tagen.
    Die russische Forderung wurde mit 3 Sgr. rückseitig notiert. In Baden wurden die aufsummierten 6 Sgr. russisches + Postvereinsporto in 20 Kreuzer reduziert. Der Empfänger hatte 10 Dec. bzw. 1 Lira zu zahlen.

    Geschichtlich interessant hier auch die Beförderung auf der erst 1858 eröffneten Bahnstrecke Basel-Olten, der sogenannten Hauensteinstrecke . Damals war es eine der steilsten Bahnstrecken in der Schweiz, am Bau war u.a. der englische Ingenieur Robert Stephenson beteiligt.

    Viele Grüße
    Michael

  • Lieber Michael,

    ich werde morgen mal nachschauen, wie die genauen Laufzeiten der badischen Eisenbahn in der Zeit kurz nach dem 66er Krieg waren.

    Wenn man bedenkt, dass der Postverein schon 20x für Russland und sich (Preußen) ansetzte, der Transit durch die CH 6 weitere Kreuzer kostete, waren 10 Decimi = 30x kein hohes Porto, da man ja für die Strecke von der Schweizergrenze zu Italien bis Neapel, und das war schon ein Stückchen, schlappe 4x erhielt.

    Relativ zur Beförderungsstrecke war natürlich die Schweiz der große Gewinner, denn 6x für die kürzeste Entfernung war natürlich schon ein Wort - in dieser Richtung waren auch die von dir angesprochenen Bemühungen zu sehen, mit hohem Aufwand die Beschleunigung des Transits zu gewährleisten und somit möglichst breite Korrespondenzströme an sich zu binden.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber Michael,

    wenn es Zug 23 war, was ich nicht sicher lesen kann, dann zeigte das nur die Route Offenburg - Basel. Ob er über Bayern oder Frankfurt am Main in Baden influierte, kann ich nicht sagen.

    Die italienischen Taxen waren damals nicht ganz so günstig, wurden aber sukzessive immer günstiger, wie in deutschen Landen auch. Hier aber mal die Ausnahme und es ist doch schön, wenn mal solches zeigen kann.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Liebe Freunde,

    die vom Adressaten zu zahlende Gebühr für unfrankierte Briefe aus Russland nach Italien im Transit durch Preußen und die Schweiz betrug damals generell 1 Lira = 100 Centesimi = 10 Decimi je 10 g. Der italienische Anteil waren dabei 20 Cent. Das geht zurück auf den Postvertrag Sardinien - Schweiz von 1851.

    Was ich (noch) nicht verstehe ist, warum die 6 Sgr. von Baden in 20 Kr.rh. redzuert wurden. Abgabepost blieb doch Preußen? Und Preußen hatte die Gebühr für Briefe über die Schweiz nach Italien genau aufgeschlüsselt: "Deutsches Porto 3 Sgr., Schweizerisches Porto 2 Sgr. (beides je 1 Loth excl., Italienisches Porto 1 3/4 Sgr. je 10 Grammes" (Generalverfügung vom 5. Oktober 1861). Ich bitte um Aufklärung.

    Sehr interessant ist für mich das Datum des Briefes. Denn erst mit Generalverfügung vom 12. September 1866 wurde Folgendes publik gemacht: "Nach Maßgabe der gegenwärtig sich dabietenden Postverbindungen kann bei Leitung der Correspondenz nach Italien, neben der Route über Frankreich, wieder, wie früher sowohl der Speditionsweg durch Süddeutschland und die Schweiz, als auch durch Österreich benutzt werden". Es wurde also etwas verkündet, was schon seit geraumer Zeit praktiziert wurde.

    Beste Grüße von Italienfreund