Dienstvertrag eines bayerischen Postexpditors

  • Liebe Freunde,

    etwas abseits von Marken, Stempeln und allem, was damit zu tun hat, bietet sich ab und zu die Gelegenheit, fast schon einmalige Stücke zu erwerben, auch wenn diese nicht katalogisiert sind und keinen Tauschwert besitzen. Als Primärquellen dienen sie aber der PO - Forschung und erklären einiges im Zusammenhang, den man erst einmal selbst herstellen darf.

    Heute zeige ich den originalen Dienstvertrag des K. Postexpeditors Franz Mandlinger aus Denkendorf, der im Mai 1871 ratifiziert wurde.

    Den gedruckten Teil brauche ich wohl nicht zu kommentieren - bei Fragen hierzu mache ich das aber gerne.

    Interessant zu sehen, dass man ihm 2 mal sein Privatsiegel abdrucken ließ - damit man später sah, wenn es mal Ungereimtheiten geben sollte, wie er zu siegeln hatte bzw. wie gesiegelt wurde.

    Höchst interessant, denn sonst sind diese Informationen nirgendwo zu beschaffen, war die Vergütung für ihn, die ich hier transkribieren möchte:

    "Für seine Dienstleistungen hat der k. Postexpeditor zu beziehen:

    a) ein ständiges Aversum von jährlich 150 fl. (Gulden),
    b) ein unständiges (bitte nicht mit unanständig zu verwechseln) Aversum von jährlich 24 fl. (Gulden) und
    c) die normalen Schein- und Personen - Einschreib - Gebühren.

    Nun waren 174 Gulden Fixgehalt im Jahr 1871 nicht eben viel Geld, denn ein Postbote verdiente bereits mehr. Auf der anderen Seite konnte man mit den Scheingebühren Geld verdienen, auch wenn dies zahlbare Vordrucke waren, die der Expeditor erst einmal der Postverwaltung selbst abkaufen musste, ehe er sie für mehr Geld an den Mann (oder die Frau) bringen konnte.

    Nun wird man sich fragen, wie hoch diese Zusatzeinkünfte gewesen sein mögen, die man im beschaulichen Denkendorf so zu erwarten hatte - nun, ein Blick auf den Mühlradstempel 914 ist nur bedingt aussagekräftig, denn dieser ist eine echte Rarität, aber wohl eher der sehr kurzen Verwendungsdauer geschuldet.

    Wer Briefe aus Denkendorf in den 1870er Jahren besitzt (ich habe glaube ich keinen), die recommandirt sind, der kann an der Höhe der Reconummer ablesen, wie es hiermit bestellt gewesen sein dürfte, denn ab 1.1.1868 betrug diese ja 7 Kreuzer pro Einschreiben und wenn er im Jahr davon 100 oder 200 ablassen konnte, waren das ja 12 bis 24 Gulden für ihn allein (minus der Kosten des Erwerbs von der Materialstelle).

    Welche Personenbeförderungsscheine dazu gekommen sein mögen, weiß ich leider nicht, aber Kohorten von Reisenden wird man dort wohl vergeblich suchen, so dass auch diese Einnahmequelle eher mäßig gesprudelt haben dürfte.

    Verinnerlicht man dieses, erklärt sich der Stand des Franz Mandlinger auch ein wenig, denn es war der Bürgermeister der Gemeinde, so dass wir hier eine Verquickung vor uns haben, die es auf dem flachen Lande häufiger gab, als man heute meinen könnte, denn der eine "Job" musste zwar nicht den anderen nach sich ziehen, aber es half ungemein. Daher ist davon auszugehen, dass unser Franz sich dieser Nebeneinnahme gerne bediente, denn einer musste es ja machen und 500 Gulden Kaution konnte ein damaliger Normalbürger nicht immer stellen.

    Einer gesonderten Betrachtung würdig sollte sich auch die letzte Seite erweisen, jedenfalls für uns PO - Sammler, unterschrieb doch bei der General - Direction in München nicht nur der bekannte "Baumann", dessen Namen wir regelmäßig um diese Zeit in den bayer. VO - Blättern finden, sondern, ja, ganz unten rechts, auch der Freiherr von Gummpenberg, dessen Unterschrift ich zufällig kenne und der uns ja ein wunderbaren Büchlein für die Benutzung der Post und Eisenbahn hinterlassen hat, das zu lesen ich jedem empfehlen kann.

    Wer weitere Dienstverträge hat, darf sie gerne hier vorstellen - ich würde mich sehr darüber freuen.

  • Lieber bayern klassisch,
    Da kann ich nur sagen "Vielen Dank für die Abbildungen und Deine Ausführungen". Das ist wahrlich keine alltägliche Quelle.

    Liebe Grüße von maunzerle :thumbup:

    "Ein Leben ohne Philatelie (und Katzen) ist möglich, aber sinnlos!" (frei nach Loriot, bei dem es allerdings die Möpse waren - die mit vier Beinen wohlgemerkt)

  • Lieber Bayern Klassisch, lieber Maunzerle,

    Dem kann ich mich nur voll und ganz anschließen, dass ist Postgeschichte vom feinsten, vielen Dank :thumbup::thumbup:

    Beste Grüsse von
    Bayern Social


    "Sammler sind glückliche Menschen"

  • Hallo Ralph,
    ich will so was auch haben... :D

    Ich hab gelesen das ein Postexpeditor fünf Prozent aus den Anlieferungen an Post-Paket-und Zeitungsgebühren zur sein Gehalt bekommen hat.
    Beispielweise Zustellgebühr für einen Zeitung Abonnenten wahr Jährlich 1 Gulden.
    Falls er seine Eigene Räumlichkeiten zur Verfügung stellte, könnte so ein Nebenverdienst auch in so kleinen Ort (+Umgebung) interessant sein...
    LG A

    "Im Grunde sind es doch die Verbindungen mit Menschen, die dem Leben seinen Wert geben."
    W. v Humboldt

  • Hallo Adriana,

    der hier hat ja nur die Scheingebühren erhalten, keine Tantiemen. Das war m. E. nicht sehr viel (war auch nicht viel los dort). Dennoch konnte man als Expeditor auch reich werden, wie der in Frankenthal, weil ihn dort die Zuckerfabrik mit Sendungen an/von zugeschüttet hat und er allein schon von den Scheingebühren hätte leben können.

    Wenn ich einen Vertrag von Kempten finde, bist du meine erste Ansprechpartnerin. :)

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.