von und nach Russland nach dem Postvertrag vom 13.4.1852

  • Lieber Michael,

    die blaue Tinte bei 2f für "zweifach" ist todsicher preußisch. In der CH schrieb man niemals "2f" für die zweifache Gebühr in dieser Zeit (und blaue Tinte hatte man auch nicht).

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber Michael,
    Die rote "6" links unten auf der Vorderseite ist der Betrag, den die deutsche Postverwaltung (hier Bayern) der Schweiz für diesen Brief vergütete. Geschrieben hat sie Bayern (verantwortlich für den Austausch und die Abrechnung mit der Schweiz bei Leitweg "Bayern") - nicht die schw. Postverwaltung. Mit diesem Betrag stand der Brief dann auch in der Abrechnungskarte. Ob die Schweiz überhaupt systematisch nachgewogen hat, wage ich zu bezweifeln.
    Erst im Empfängerpostamt wäre ein eventuelles Übergewicht vielleicht aufgefallen. Das wäre dann bei einem Frankobrief recht aufwendig in der Behandlung gewesen. Ich kenne keinen solchen Fall.
    Eine Veranlassung (auch nach dem Schriftbild und der Tinte) einen der anderen Vermerke auf der Vorderseite der Schweiz zu zuordnen sehe ich nicht
    Zur Progressionsproblematik: In den 1852er Postverträgen D-CH einigte man sich 15g mit 1/30 des Zollpfundes (Loth) gleichzusetzen, sprich auf pingeliges Nachwiegen zu verzichten. Damit ist diese Diskussion auf den Bereich Russland - Preussen (Progression bei ??) einzuschränken.
    So viel ich mich erinnere, kassierte doch die Eingangspostverwaltung im DÖPV (hier Preußen) bei den Frankobriefen. So wie ich die Preußen kenne, hatten diese keine Probleme 10 Sgr zu kassieren und davon nur 6 Kr an Bayern / Schweiz zu vergüten.
    LG
    Rudolfo

    Beste Grüße

    Rudolfo

  • Lieber Rudolfo,

    wenn Preußen "2fach" schrieb, haben sie an Bayern auch 2fach zu vergüten. Es macht keinen Sinn, einen Brief, der in Rußland und dem Postverein 15,625g wiegen durfte, also mehr als die CH - Gewichtsgrenze von 15g, zweifach zu schreiben, um dann nur einfach weiter zu vergüten.

    Zitat

    Die rote "6" links unten auf der Vorderseite ist der Betrag, den die deutsche Postverwaltung (hier Bayern) der Schweiz für diesen Brief vergütete. Geschrieben hat sie Bayern (verantwortlich für den Austausch und die Abrechnung mit der Schweiz bei Leitweg "Bayern")

    Das würde ich ausschließen, zumal Bayern auch kein Interesse an 1. oder 2. Gewichtsstufe hatte, weil sie keinen Pfennig für alle Briefe gesehen haben, die von Preußen über Bayern in die CH liefen.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


    • Offizieller Beitrag

    Lieber Rudolfo, lieber bayern klassisch,

    vielen Dank für eure Überlegungen zu dem Brief.
    Ich möchte noch mal die Interpretation der blauen Tintennotiz hinterfragen. Ist dies wirklich als "2f" zu lesen? In diesem Fall wäre der Schreibwinkel mitten drin verändert worden, da die "2" dann nach links gekippt steht und das "f" gerade steht. Zudem wäre das "f" deutlich größer notiert worden als die "2".
    Meiner Meinung nach könnte man die Notierung auch als "~1" (ungefähr durch das Tildenzeichen ausgedrückt) lesen.
    Kann sich dem jemand anschließen?

    Viele Grüße
    Michael

  • Lieber Michael,

    für mich ist deine Erstbeschreibung mit der 2. Gewichtsstufe schlüssig und plausibel - zumal auch die siegelseitigen Weiterfrankotaxen stimmen.

    Außerdem hätte man bei einem einfach schweren Brief keine Gewichtsprogressionsstufe angebracht (außer er wäre recommandirt aufgegeben worden).

    Von daher ist für mich der Fall klar.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • liebe Sammlerfreunde,
    ich weiß nicht, ob der gleich gezeigte Brief hier richtig eingestellt ist. Es handelt sich um eine (leider nur) Briefvorderseite von Warschau nach Breslau. Ich habe ihn bei ebay ersteigert, weil er schöne Nebenstempel zeigt und alle Stempel zudem in rot sind. Wer kann etwas zu dem Brief sagen? Was sagt die Franko-Gebührenberechnung aus? War Polen zu dieser Zeit russisch, Nebenstempel Aus Russland?
    viele Grüße
    preussen_fan
    Erwin W.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Erwin,

    sieht nach einem Einschreiben der 4. Gewichtsstufe aus, ca. 1852-57.
    Polnische Taxe: 3 Sgr. Briefporto x 4 Gewichtsstufe = 12 Sgr. x2 recommandiert = 24 Sgr.
    Preußische Taxe bis Breslau: 2 Sgr. x 4 = 8 Sgr.

    Der Brief kam über die Eisenbahnverbindung Myslowitz-Breslau.
    Polen gehörte postalisch zu Russland.

    Schönes Stück!

    Gruß
    Michael

  • hallo Michael,
    danke für die Antwort. Kann es sein, dass ich links oben auf dem Brief, vor "Herrn" 3 3/20L lese? Damit hätten wir die 4. Gewichtsstufe, die bis 4 Loth geht. Jetzt habe ich allerdings noch folgende Fragen:
    1. Da der Brief franko ist, musste der Absender bezahlen. Hätten das in Polen nicht Zsloty sein müssen und nicht Silbergroschen?
    2. Wieso rechnest du das Einschreiben zu 2x das Briefporto? In Preußen kostete das Einschreiben doch 2 Sgr.
    beste Grüße
    Erwin W.

    viele Grüße
    Erwin W.
    preussen_fan

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Erwin,

    das Gewicht lese ich genauso.
    Der Absender hat den Brief in Kopeken bezahlt (in diesen Jahren wurden in Polen die Briefe in der russischen Währung taxiert/bezahlt). Die im PV festgelegte Verrechnungswährung zwischen Preußen und Polen(Russland) waren Silbergroschen. Eigentlich hätte nur das Weiterfranko in Sgr. notiert werden müssen, aber ich habe mehrere Einschreiben aus Polen, in denen so vorgegangen wurde wie bei deinem und das gesamt Franko notiert wurde.
    Preußen erhielt keine Reco-Gebühr, diese wurde in Polen erhoben (das ist jetzt die Regelung ab 1852). Der polnische(russische) Tarif sah in diesen Jahren als Reco-Gebühr für Auslandsbriefe die jeweilige Brieftaxe vor: bei einem einfachen Brief 10 Kop. extra, bei einem Brief der 4. Gewichtsstufe 40 Kop. - wohlgemerkt zusätzlich zu dem Briefporto!

    Gruß
    Michael

  • Liebe Sammelfreunde

    das ich mal einen Brief hier vorstellen würde, hätte ich nicht gedacht.

    Am 9.März 1863 in Warschau geschrieben, einen Tag später aufgegeben, lief dieser Portobrief an die Gebrüder Köhne & Boeckelmann in Klein Ottersleben. Klein Ottersleben wurde von Sudenburg aus versorgt - Sudenburg war durch die Omnibusverbindung mit Magdeburg verbunden.

    Interessant ist noch der Inhalt. Soweit ich es lese, wurde in ihm ein Wechsel? in Höhe von 378 Reichsthaler 22 Sgr. 6 Pfennige mit versendet und damit handelt es sich eindeutig um einen Postbetrug!

    soweit ich es lesen konnte:

    Zucker-Fabrik & Raffinerie Oryszrw. Administrator

    Herrn Gebr. Köhne & Boeckelmann Kl: Ottersleben bei Magdeburg
    Warschau den 9ten März 1963.

    In ergebener Beantwortung Ihres werthen vom
    2ten ? womit ich Rechnung über an die ZuckerFabrik Oryszrw
    vermittelst d(es) Herrn S. Kurnitzky ?? in Thorn versandte
    (Zeichen - Paket) # 53 - 82. 30 Sack Rübsammen
    ? 30 ? 66 ? Nr. 30 Cent
    empfing u? überreiche ich Ihnen einliegend dem Betrag
    mit Reichsthaler 378 .(Sgr.) 22. (Pfennige) 6 14 Tage dato von
    Som antFraenkel auf
    F. Mars. Magnus in Berlin
    wodurch diesen Gegenstand auszugleichen bitte.
    Ich hoffe daß dieser S......... unvers? an seinen Be-
    stimmungsOrt gelangen wird.

    Achtungsvoll und ergebenst
    für Heinr J. Rau
    Williamhautzen.

    Mit freundlichem Sammlergruss

    Ulf

  • Lieber Magdeburger,

    ein toller Briefs, den ich dir von Herzen gönne!

    In ergebener Beantwortung Ihres werthen vom
    2ten l.(aufenden Monats) womit ich Rechnung über an die ZuckerFabrik Oryszrw
    vermittelst d(er) Herren S. Kurnitzky & Co(mpagny) in Thorn versandte
    (Zeichen - Paket) # 53 - 82. 30 Sack Rübsammen
    ? 30 ? 66 ? Nr. 30 Cent
    empfing / überreiche ich Ihnen einliegend dem Betrag
    mit Reichsthaler 378 .(Sgr.) 22. (Pfennige) 6 14 Tage dato von
    Sam(zek) Ant(on) Fraenkel auf
    F. Mart(in). Magnus in Berlin
    wodurch diesen Gegenstand auszugleichen bitte.
    Ich hoffe daß dieser Saame unversehrt an seinen Be-
    stimmungs Ort gelangen wird.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber Bayern Klassisch

    danke für die Vervollständigung des Inhalts.

    Die laufenden Nummern #53 - #82 passen zu den 30 Sack (Rübsamen), also für jeden Sack eine Nummer. Die Bezeichnung Cent könnte für Centner stehen. Ob dies per Pakete durch die Post oder doch eher als Frachtsendung geschah, wäre auch interessant zu wissen.

    Jedenfalls ist nun auch klar, dass ein Wechsel innen lag - da wurde eine Menge "Porto" gespart.

    Mit freundlichem Sammlergruss

    Ulf

  • Lieber Magdeburger,

    ein Wechsel war ja so viel wert wie Bargeld - wenn der, auf den er gezogen war, liquide war.

    M. E. hat die Post Zentnergewichte nicht befördert, sondern eher der Eisenbahndienst bzw. davon die Güterbestättereien.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Liebe Sammelfreunde

    noch kurz etwas zur Portoersparnis:

    Laut Angabe war ein Wechsel von 378 Reichsthaler 22 Sgr. 6 Pfennige enthalten. Dies müßte zuerst in Rubel umgerechnet werden und entspricht 352,24 Rubel (1 Thaler = 96 Kopeken).
    Laut Vertrag war die Wertgebühr bei einer Summe zwischen 300 bis 600 Rubel auf 3 Rubel festgelegt. Dies wieder in Thaler umgerechnet ergibt 3 Thaler 4 Sgr. Das Porto für den Brief betrug 10 Kopeken = 3 Sgr.
    Innerhalb Preussen war die Wertgebühr 2 Sgr je angefangene 100 Thaler und somit 8 Sgr. Bei Wertbriefen galt das normale Briefporto von 3 Sgr. Somit ergibt sich insgesamt 3 Thaler 18 Sgr. Die Ersparnis betrug also beachtliche 3 Thaler 12 Sgr. - Eine Menge Holz zur damaligen Zeit!

    Mit freundlichem Sammlergruss

    Ulf

  • Lieber Magdeburger,

    das eigentlich erstaunliche an der Sache ich die nicht - recommandirte Versendung. Üblicherweise, wenn man davon reden mag, wurden diese Wechsel unter Recommandation versandt, damit man wenigstens etwas in der Hand hatte. Das hätte in Russland aber bedeutet, dass er das doppelte in Russland an Franko hätte zahlen müssen, weil recommandirte Schreiben dem Frankozwang unterlagen. Vlt. hat das Geld für 30 Kopeken Franko bei der Briefpost nicht mehr gereicht ...

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


    • Offizieller Beitrag

    Liebe Freunde,

    hier ein Brief vom 18. Juni 1858 aus dem finnischen Åbo nach Köln, an die bekannte Adresse Farina.

    Der Absender wünschte die Leitung über St. Petersburg und so geschah es dann auch. In Petersburg wurde der Brief dann über die Ostsee nach Preußen geleitet.
    Der Ra2 AUS RUSSLAND wird dem Eisenbahnpostamt III zugeordnet. Dazu passt der rückseitige Kursstempel HAMBURG BERLIN, der auf eine Leitung via Lübeck hinweist.

    Der Inhalt illustriert die schwierige / zeitaufwendige Kommunikation mit ausländischen Geschäftspartnern und das wirtschaftliche Krisenjahr 1858 (in Russland noch Folge des Krimkrieges??) :

    Auf Mein Ergebenes von 7 Mar bezug nehmend,habe ich den eingang Ihren Geehrten von 12. Mai zu erkennen - von da mit eingesandte 4 Wechselln, retounieren beygelegt
    Bf 206.4 auf A. Kumlin - er ist gestorben wie es mit Seinem Hause steht ist noch unbekannt.
    Bf 206.4 auf G A Stenberg in Helsingfors ohne accepts. - er will Selbst remitieren.
    Bf 206.4 auf A Harden in Helsingfors
    Bf 99.- auf C J Horström
    sind eingegangen - mit Bf305.4
    abgehet Incasso & Remiss Kosten Bf 10.4
    Netto Bf 295.-
    follgt in beygelegter Wechsell auf Sal Heine in Hamburg
    mit Achtung
    Chr Trappe

    Gruß
    Michael

  • Die Preussisch-Russische Postvertrag von 1852 definiert eine Art von "Zone-System" für die preußische Gebühren für Briefe an Russland. Briefe von Grenzregionen hatte eine Gebühr von 1 Silbergroschen (von Russland gerundet auf 4 Kopeken), ein wenig weiter entfernt hatte Briefe eine Gebühr von 2 Silbergroschen (gerundet auf 7 Kopeken) und der Rest eine Gebühr von 3 Silbergroschen (bis 10 Kopeken abgerundet ). Russische Gebühren waren 10 Kopeken, und das Gesamtporto fuer den russischen Empfänger ist in der Regel (aber nicht immer) auf der Rückseite des Briefes zu finden. Hier sind Beispiele von "1" und "2":
    [Blockierte Grafik: http://i.imgur.com/cUm8FCd.jpg]

    [Blockierte Grafik: http://i.imgur.com/ptRGNGl.jpg]

    [Blockierte Grafik: http://i.imgur.com/sFRl1U4.jpg]
    [Blockierte Grafik: http://i.imgur.com/By2H4u6.jpg

    Aber auf zwei Briefe aus der region Hamburg ist der "3" etwas schoener. Hier ein Beispiel:
    [Blockierte Grafik: http://i.imgur.com/SAzIfAn.jpg

    [Blockierte Grafik: http://i.imgur.com/rpbACOX.jpg]

    Feuser & Muenzberg nennen dieses Stempel (nr.667) als zu den Bahpost Kiel-Hamburg gehoerend. Irrtuemlich abgeschlagen oder nur ungewoehnlich?

    "Who says I don't have a conscience? I have 10!"

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Ivo,

    schöne Beispiele!

    Zitat

    Feuser & Muenzberg nennen dieses Stempel (nr.667) als zu den Bahpost
    Kiel-Hamburg gehoerend. Irrtuemlich abgeschlagen oder nur
    ungewoehnlich?

    Meiner Überzeugung nach wurde dieser Stempel beim preußischen Postamt in Hamburg geführt.
    In meiner Registratur befinden sich ca. 2 dutzend Briefe mit diesem Stempel. Alle aufgegeben in Hamburg mit Zieladressen in Finnland, Russland, Preußen und Sachsen.
    Es gibt noch einen ähnlichen (aber deutlich selteneren) Stempel "6" (Sgr.) von Hamburg und vergleichbares vom preußischen Postamt in Bremen.

    Gruß
    Michael