Briefe vom 1.7.1849 bis zum 30.6.1850

  • Liebe Freunde,

    weil sich genügsame, ältere Sammler auch über keine Stücke freuen können, deren Kaufpreis dem Wert einer warmen Mahlzeit in einer stattlichen Suppenküche gleich kommt, habe ich mir diesen hier geleistet, den ich besonders attraktiv fand.

    Aufgegeben in Regensburg am 27.9.1849, war er ins nahe Abensberg gerichtet, womit sich eine Entfernung unter 12 Meilen ergab. Da er aber über 1 bis 4 Loth schwer war, forderte die bayerische Post als Tribut 6x, die siegelseitig notiert wurden.

    Man erinnere sich an das zuvor gültige Regulativ vom 1.1.1843, als Briefe bis 6 Meilen 3x einfach bis 1/2 Münchner Loth wiegen durften. Um auf 6x zu kommen, hätte er zuvor also über 1 bis 1,5 Münchener Loth wiegen dürfen (17,5 - 26,25g). Jedes halbe Loth mehr kostete 1,5fach des einfachen Portos/Frankos.

    Das neue Loth mit 15,625g deckte die meisten Briefe ab und das 2. Gewicht reichte nun bis 4 Loth, was immerhin 62,5g ausmachte und schwerere Brief gab es eh kaum und wenn, dann waren sie von den Privaten der Fahrpost zu übermitteln, während Dienstbriefe bis 1 Pfund noch mit der schnellen Briefpost Beförderung fanden.

  • Liebe Sammlerfreunde,

    möchte hierzu einen Ortsbrief im Landbestellbezirk
    von Neustadt an der Haardt nach Gimmeldingen vom
    14. November 1849 zeigen. Ein Frankobrief hätte 1 Kr.
    gekostet. Der Portobrief kostete dreimal soviel. Der
    Empfänger bezahlte somit 3 Kreuzer Porto.

    Beste Grüße von VorphilaBayern

  • Liebe Freunde,

    ein netter Fang war für mich ein Briefchen aus München vom 24.9.1849 an den wohlgeborenen Herrn Max Deuringer, Hofbrauhaus - Besitzer in Dillingen. Im Inneren des Briefes ist von der Brauerei Pschorr die Rede, die ja heute noch unter Hacker - Pschorr firmiert und sogar mir bekannt ist, ohne sie googlen zu müssen.

    Bei einer Entfernung von 94 km = über 12 Meilen war das Porto am Folgetag in Höhe von 6 Kreuzern richtig von der Aufgabepost notiert worden. Sehr gelungen halte ich den Ankunftsstempel von Dillingen in tiefem Blau, den es auch in rot und schwarz gibt, als mir als "Blauem" gefällt er so natürlich am besten.

  • Liebe Freunde,

    weil ich gerade dabei bin, versuche ich mich hier an einer Systematisierung der Tarife in der Zeit vom 1.7.1849 bis 30.6.1850:

    Ortsbriefe:

    Frankiert bis 1 Loth inkl. 1x, unfrei 3x.
    Frankiert über 1 bis 4 Loth inkl. 2x, unfrei 6x.

    Fernbriefe:

    Frankiert + unfrei bis 1 Loth bis 12 Meilen 3x.
    Frankiert + unfrei über 1 - 4 Loth bis 12 Meilen 6x.

    Frankiert + unfrei bis 1 Loth bis über 12 Meilen 6x.
    Frankiert + unfrei über 1 - 4 Loth über 12 Meilen 12x.

    Drucksachen:

    1x je Loth inkl. ohne Rücksicht der Entfernung bis zum Maximum von 4 Loth (also 4x für DS über 3 bis 4 Loth).
    1x je Loth für Drucksachen im Lokalbezirk einer Poststelle bis 1 Loth bis zum Maximum von 2x für Drucksachen über 1 bis 4 Loth.

    Recommandation/Chargé:

    4x für die Aufgabepost, nie in Marken (eine Ausnahme bekannt!). Bei Verlust des Recobriefes erstattet die bayer. Post 25 Gulden dem Inhaber des Postscheins (musste nicht zwangsläufig der Absender sein!).

    Retour - Recepisse bzw. Lieferschein:

    12x für die Aufgabepost, nie in Marken.

    Laufzettel:

    12x für die Aufgabepost plus das tarifmäßige Porto/Franko des Briefes, also 3x, 6x oder 12x, siehe oben.
    Laufzettel im Lokalbezirk waren nicht möglich!

    Expreßbriefe:

    Zum o.g. Porto/Franko (3x, 6x bzw. 12x) kamen 24x für die Expressbestellung (Teilung: 18x für den Expressboten der Abgabepost und 6x dem Expeditor der Abgabepost) und 12x für die immer mitlaufende Retour - Recepisse (für den Expeditor der Aufgabepost).

    Muster ohne Wert:

    Keine Gebührenmoderation vorgesehen, weder bei Versand im Innern des Briefes, noch am Brief anhängend; Versand im Lokalbezirk und als Fernbrief frankiert bzw. unfrei möglich, Gebühren siehe oben.

    Unterfrankaturen:

    Absendung erfolgte ohne Zuschlag, d. h. es wurde nur nachgefordert, was der Empfänger noch nicht bezahlt hatte. Gebühren für Sonderdienste hatte immer der Absender zu tragen und diese konnten nicht dem Empfänger angelastet werden.

    Sollte ich etwas aufzuzählen vergessen haben, bitte ich 1. um Nachsicht und 2. um Meldung des Fehlenden.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber Ralph,

    Alles auf einen Blick sauber beieinander!

    Vielen Dank und liebe Grüße von maunzerle :thumbup:

    "Ein Leben ohne Philatelie (und Katzen) ist möglich, aber sinnlos!" (frei nach Loriot, bei dem es allerdings die Möpse waren - die mit vier Beinen wohlgemerkt)

  • Liebe Freunde,

    aus der doch recht engen Periode 1.7.1849 bis 31.10.1849, als der Tarif für die Markenbenutzung schon da war, nur die Marken halt noch nicht, zeige ich einen mit Doppeltaxierung aus Bayreuth vom 14.7. nach Bad Kissingen, wo er 2 Tage später ankam. Ein typischer Sommerbrief, der zuerst mit einer schludrigen 6 taxiert wurde, ehe man in Bad Kissingen mit einer Rötel - 6 nachbesserte.

    Dergleichen Wiederholungen von korrekten Taxen kenne ich noch bis zu Anfang der 1850er Jahre - danach tauchen sie nicht mehr auf.

    Bilder

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Liebe Freunde,

    eine weitere Mini - Sammlung von mir hat Zulauf bekommen, die Slg. 1.7.1849 bis 31.10.1849.

    Ein Privater schrieb eine Stiftungs Sache (!!) in Oettingen am 5.9.1849 und gab sie am Folgetag unfrei zu Post. In Oettingen stempelte man noch mit grüner Farbe, was sich bald ändern sollte, als die ersten Marken erschienen und auf schwarze Farbe umzustellen war.

    Hier aber taxierte man korrekt mit 3 Kreuzer innerbayerisch für einen Brief an die Hochlöbliche Stiftungsverwaltung zu Oberdorf bey Bopfingen. Bei Bopfingen? Das lag doch in Württemberg und hatte mit dem rein innerbayerischen, neuen Taxregulativ vom 1.7.1849 gar nichts zu tun, könnte man meinen. Ja und nein!

    Mit dem Postvertrag zwischen Bayern und Württemberg von 1809 (also noch unter Napoleons Zeiten) galt bei einigen Grenzorten, dass die eigene Postkutsche bis zum gegenüber liegenden Grenzort fahren durfte, um die Post abzugeben, ohne dass dies eine weitere Gebühr nach sich zu ziehen hatte - im Klartext: Briefe aus Bayern nach Bopfingen galten als frankiert bis Nördlingen (s. hinten den Ankunftsstempel vom selben Tage), wurden jedoch mit der bayerischen Kutsche bis in württembergische Bopfingen gefahren (wobei damals Thurn und Taxis die Postgerechtsame in Württemberg noch gepachtet hatte).

    Oberdorf war ein eigenständiger Ort vor den Toren von Bopfingen, ist aber heute längst eingemeindet und der größte Stadtteil heute mit ca. 1.500 Einwohnern. Damals waren es sicher weit weniger.

    Grüner Stempel, eine ominöse Stiftungssache, ein Tarif nach Württemberg, den es nur für Bayern geben sollte und ein fehlender Bestellgeldvermerk in Bopfingen - ja, das hat schon etwas, vor allem dann, wenn man es in der Bucht unerkannt schnappen kann zum Preis einer Damenpizza, schlecht belegt, leicht erkaltet - vlt. sogar von gestern ...

  • Lieber Hermann,

    vielen Dank fürs Zeigen und Einstellen dieses schönen Pfalzbriefes aus der recht kurzen Zeitspanne zwischen der gedachten und tatsächlichen Einführung der Marken in Bayern.

    Ich sammle ja diesen Zeitraum schon seit einigen Jahren - es ist ganz erstaunlich, dass man außer vlt. 5 oder 6 Varianten von sicher Hundert oder mehr davon nichts zusammen bekommt. Keine Drucksachen, kaum Chargé, keine Rückscheine, keine Muster-ohne-Wert Briefe, keine Retourbriefe, keine unterfrankierte Briefe, keine Ortsbriefe, keine Drucksachen ... nichts außer dem Standard.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Zitat

    nichts außer dem Standard

    Lieber Ralph,

    überleg doch einmal: Wie verlief die politische Entwicklung des Jahres 1849? Die Einnahme Rastatts am 23. Juli durch preußische Truppen markierte das Ende der deutschen Revolution. In Ungarn und Oberitalien herrschten noch weiterhin kriegerische Verhältnisse. Frankreich hatte sich kurz vor Jahresbeginn 1849 in die Hände Louis Napoleons begeben, die Schweiz hatte 1848 nach dem Sonderbundskrieg gerade eine neue Bundesverfassung bekommen und musste sich neu sortieren.

    Kein gutes Geschäftsklima, zeitweilige Verkehrsunterbrechungen, wenig Nachfrage (nicht nur, weil die Konsumenten auf den Barrikaden standen), da war vielerorts Schmalhans Küchenmeister.

    Viele Grüße aus Erding!

    Achter Kontich wonen er ook mensen!

  • Lieber Dietmar,

    das war mir alles bewußt - aber Briefe, die genau diese Irrungen und Wirrungen zeigen, findet man praktisch gar nicht. Was es gibt sind porto/franko gestellte 3 und 6x Briefe, dazu mal einen oder zwei mit Botenlohn (selten!) - sonst ist aber da Ebbe. Suche mal einen simplen Dienst - Chargébrief aus dieser Zeit, oder gar einen privaten mit Chargé - das ist 1 Jahr später Massenware, aber 1849 kaum zu schnappen.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber Wolfgang,

    magst du den nicht an mich vertauschen?

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber Ralph,

    eben die Irrungen und Wirrungen waren es. Die hatten einfach andere Sorgen, als uns den Gefallen zu tun, viele Briefe zu hinterlassen, noch dazu Chargé mit Rückschein ...

    Landgerichte als Unterbehörden waren personell immer unterbesetzt, sie mussten Rechtsprechung und Verwaltung aufrechterhalten, dazu kamen dann Militärergänzung, Bürgerwehr etc. Viele Landgerichte waren schon mit wenigen Kapitalverbrechen zur gleichen Zeit personell überfordert, wie war das dann erst mit einer Revolution?

    Wir haben schon aus besseren Zeiten nur einen Bruchteil des Materials als Überlieferung, wenn der Korrespondenzverkehr dann noch eingebrochen war, dann sinkt auch der relative Anteil, der die Zeitläufte überlebt, entsprechend.

    Viele Grüße aus Erding!

    Achter Kontich wonen er ook mensen!

  • Lieber Dietmar,

    du hast wohl Recht, dass die Auswirkungen solch krasse waren, denn die nicht vorhandenden Briefe sprechen klar für diese These (die ich nicht für so dramatisch hielt, jetzt aber eines besseren belehrt bin).

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo Freunde,

    ich zeige eine Neuerwerbung aus der Zeit vom 1.7.1849 bis zum Beginn der Markenzeit am 31.10.1849.

    Am 10.10.1849 schrieb in München die "Amalia von Enhuber" einen kleinen Privatbrief an einen "Herrn Preisinger, Profeßor der Phisick in Augsburg".

    Nach dem ab dem 1.7.1849 neuen Tarif, der ja dann auch in der Markenzeit Gültigkeit hatte, kostete der Brief (bei einer Entfernung von ca. 7,6 Meilen) 3 Kreuzer. Nach dem bis zum 30.6.1849 gültigen Tarif hätte der Brief noch 4 Kreuzer gekostet.

    Raritäten sind solche Briefe nicht, aber sie laufen einem auch nicht jeder Tag über den Weg.

    Viele Grüße

    bayern-kreuzer

  • Lieber Wolfgang,

    an dem ist alles gut, was nur gut sein kann, von vorn bis hinten.

    In dieser Gebührenperiode ist, außer den Standardbriefen, alles kanpp, was knapp sein kann: Muster ohne Wert, Express, persönliche Postportofreihei, Nachsendung, poste restante, Retour-Recepisse und und und.

    Seit vielen Jahren versuche ich, eine 1-Rahmen-Sammlung zusammen zu bekommen, aber das Material reicht nicht.

    Nur ein Beispiel: Suche mal einen frankierten Ortsbrief (1x hinten). Du findest eher 20 davon mit einer schwarzen Eins, als einen mit Barfrankatur ...

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Liebe Sammlerfreunde,

    hierzu folgender Portobrief vom Sohn Adalbert Steinlein aus München vom 19. Dezember 1849 an seinen Vater. Dieser war evangelischer Pfarrer in Vohenstrauß (Oberpfalz). Porto 6 Kreuzer. Vohenstrauß bekam erst am 1. Oktober 1849 eine Postexpedition (von Neuwirtshaus übernommen / die Vormarkenzeit war also nur ein Monat). Im Internet habe ich einen Adalbert Steinlein in den 1860er Jahren als kgl. Notar in Hersbruck gefunden.

    Liebe Grüße,

    Hermann

  • Der Fingerhutstempel von "Altötting" ziert die schönsten "Schwarzen Einser"-Briefe Bayerns, und da ist dagegen mein Briefchen ein "Aschenputtel" :cursing:

    Und eigentlich gehörte das unter dem Thema "Briefe erzählen Geschichten", aber um gelesen zu werden, dann mal hier:

    Ein Faltbrief, geschrieben am Montag, den 3. Dezember 1849 zu Neuötting. Das Handelshaus Joh. Bull sel. Wittwe brauchte eiligst Halsbinden (die gehörten damals zur Männermode). Es wurde um Zusendung per Eilwagen gebeten.

    Der Empänger (siehe obige Annonce) zahlte wohl gerne 6 Kr. Porto, denn es kam ein Auftrag ist gut für das Geschäft und da geht man gerne in "Auslage" (konnte dann dem Besteller wieder berechnet werden).

    Ach was wäre dieser Brief geliebt und geschätzt, hätte der Absender doch "markiert" :(

    Die Entfernung von Altötting (Neuötting kam erst 1852 zu einer eigenen Post) nach Regensburg betrug über 12 Meilen. Warum nun am 3.12. geschrieben, erst am Mittwoch 5.12. aufgegeben und erst am Freitag, 7.12 angekommen - lags an der Witterung im Winter?

    Wer jetzt noch einen Ausflug nach Regensburg zum Kohlenmarkt machen möchte, wo sich einst das Geschäft des Briefempfängers befand, möge hier weiterlesen:

    Kohlenmarkt
    Zwischen Domplatz und Rathausplatz liegt ein für die Altstadtbebauung Regensburgs typischer Platz, der sogenannte „Kohlenmarkt“. Seinen Namen hat der Platz von…
    www.regensburgregional.de

    Luitpold

    "Heimat ist da, wo ich verstehe und wo ich verstanden werde." (Karl Jaspers. dt. Philosoph).

  • Hallo Werner,

    warum sollte man nicht unfrankiert verschicken? Es gab ja noch keine Portozuschläge und 90% der Handelsbriefe wurden unfrei aufgegeben, wenn es möglich war wie hier und keine anderen Absprachen getroffen wurden.

    Briefe wurden manchmal geschrieben, dann aber zurückbehalten, weil es Neuigkeiten gab oder bald geben konnte (1849 war ja eine eher wilde Zeit) und wenn man dann Gewißheit hatte über Handelsverläufe, Preise der Konkurrenz oder dies und das, zur Post gegeben.

    Zeit war Geld, ja, aber eine falsche Entscheidung war hundertfach kostspieliger.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.