Salegg-Korrespondenz, Hengersberg

  • Hallo miteinander!
    Ich bin vor einigen Tagen tatsächlich im Handel fündig geworden: drei Salegg-Briefe aus der Vorphila-Zeit! Damit dürfte die These vom Tisch sein, Salegg habe seine Korrespondenz "nur" aus philatelistischen Gründen aufgehoben. Der erste ist datiert Osterhofen, den 29.12.1843 und wurde per Bote überbracht (siehe Vermerk "1 Kreuzer").
    Beim zweiten handelt es sich wohl um einen Fuhrmannsbrief, datiert Bogen, den 20.06.1846.
    Der dritte scheint per regulärer Post (über Osterhofen) angekommen zu sein, datiert Marktbreit am Main, den 22.06.1846.
    Allerdings: Kein Stempel, kein Vermerk. Was steckt dahinter?
    Bin für jedweden Hinweis dankbar.

  • ... wenn wir die Siegelseiten und Inhalte sehen könnten, wäre es sicher leichter, deine Fragen zu beantworten ... ;)

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber Ralph,
    hier sind sie also, die Briefinhalte: Beim ersten handelt es sich um die Besetzung einer offenen Stelle als Ladnerin im Geschäft vor Ort, beim zweiten um einen Privatbrief vom Schwager, und beim dritten um die Ankündigung des Besuchs eines Handlungsreisenden aus Marktbreit in Hengersberg ...

  • Lieber Donauwalzer,

    ich schrub wegen der Siegelseite, weil dort oft die Frankotaxen mit ganz kleinen Ziffern notiert wurden. Aber wenn nichts ist, dann ist nichts.

    Der 1. Brief mit gut 8 km Entfernung ist sicher durch einen Privaten zugestellt worden. Vermutlich hat man 1 Kreuzer bezahlt und den neben frei notiert, damit Salegg wusste, dass er den Boten nicht zu bezahlen hat.

    Die Inhalte der weiteren Briefe sind für mich nicht lesbar. Könntest du deinen Scanner auf 300 dpi einstellen und bis zu 600 kb Daten hier einstellen? Das würde mir den Job deutlich erleichtern.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber Donauwalzer,

    vielen Dank - die Kompression der Scans ist nicht gut (kleine Bilder, sehr genau, aber schwer zu lesen).

    Der hier 1. Brief ist "mit Gelegenheit" und einem Päckchen braucht nicht mit einem Fuhrmann befördert worden zu sein - "per Occassion" kann auch bedeuten, dass man einem Bekannten, Verwandten oder einem Dritten (dann für Geld) etwas nach Hengersberg mitgab, der in dieser Richtung eh schon unterwegs war. Taten das Bekannte und Verwandte, stand natürlich nicht "frey" drauf, weil das eh klar war. Nur wenn Dritte involviert waren, musste der Empfänger wissen, ob er den Überbringer auszuzahlen hatte, oder nicht. In der Regel zahlte der Absender.

    Der hier 2. Brief aus Marktbreit kam ja von weiter her und war ein sog. Reiseavis. Auch er trägt den Frankovermerk und kam demnach, da nicht mit der Post, auf andere Weise zu Salegg.
    Ich kann die Speditionsweise aber aus dem Inhalt nicht erkennen, vermute aber einen Reisenden, der hier und da ein paar seiner Avise (sollte nicht handgeschrieben, sondern hektographiert sein?) abließ, die zirkulierten.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber Ralph,
    vielen Dank für Deine Expertise, die ich gut gebrauchen kann! Bei dem Reiseavis (schöner Begriff!) aus Marktbreit handelt es sich tatsächlich um einen lediglich ausgefüllten Vordruck. Eine Verteilung "unter der Hand" wäre natürlich möglich. Hältst Du es aber auch für denkbar, dass es einer ohnehin auf den Weg geschickten Lieferung aus Marktbreit einfach beigelegt wurde? Gibt es solche Belege öfter?
    Liebe Grüße,
    Donauwalzer

  • Lieber Donauwalzer,

    ich sammle schon zu lange Bayern, als dass ich etwas/dieses ausschließen könnte. Befreundete Firmen tauschten das schon mal aus bzw. legten es vlt. mal ihrer Lieferung bei. Man darf dabei weniger an Konkurrenz denken, auch wenn es diese schon damals gab; eher an eine starke Gemeinschaft funktionierender Handelshäuser, Firmen und Verteiler, die so solide waren/blieben und die gegenseitigen Wechsel Sicherheit boten (Banken waren ja kaum damals involviert).

    Außerdem: Konnte durch Weitergabe von Adressen ein Hersteller größere Kundenkreise gewinnen, so konnte er selbst wieder seine Rohmaterialien günstiger einkaufen und letztlich damit seine Produkte günstiger verkaufen. Der Einzelhändler konnte also gleiche Preise von seinen Kunden erwarten, aber im Lauf der Zeit immer günstiger einkaufen und so seine Marge erhöhen (bzw. sie weitergeben und dadurch größere Kundenkontingente für sich gewinnen).

    Reiseavise kommen im gesamten 19. Jahrhundert vor. Mit dem Aufschwung der Eisenbahnen in den 1830er Jahren beginnend, nehmen sie sukzessive zu. Ab den 1850er Jahren, als das Bahnnetz immer besser ausgebaut wurde, nehmen sie einen deutlichen Aufschwung, zumal auch die Reisezeiten und damit die Reisekosten stark nach unten gingen, um Handel und Wandel Bahn zu brechen (im wörtlichen Sinne).

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Liebe Freunde,
    einmal mehr herzlichen Dank für die hilfreichen Auskünfte und die schönen Belege! Langsam fangen die vielen Briefe an, Geschichten zu erzählen, schälen sich erste Muster über Salegg, seine Lebenswelt und seine Geschäfte heraus. Die Faszination wächst mit jedem Stück weiter an - dank Euch!
    Beste Grüße,
    Donauwalzer

  • Hallo zusammen,
    hallo Ernst,

    hier ein Brief vom 5.7.1857 von Zwiesel nach Hengersberg. Die Stempel "606" = 2. Verteilung und Halbkreis Zwiesel vom 5.7. sind zu meiner Freude sehr sauber abgeschlagen. :thumbup: Hier hat Herr Poschinger aus Oberzwislau an Herrn Salegg geschrieben. Heute schreibt es sich Oberzwieselau, hat einen großen Golfplatz, gehört zur Gemeinde Lindberg und grenzt auch an Zwiesel.

    Grüße aus Frankfurt
    hasselbert

  • Hallo Heribert,

    was für ein wunderschöner Brief!

    Die Korrespondenz an Benedict von Poschinger ist ja - Gott-sei-Dank - auch erhalten geblieben und so sieht man mal einen Brief aus einer in eine große Korrespondenz. :P

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber Heribert,
    das ist nicht nur ein wunderschöner Abschlag, sondern auch der Brief selbst gibt ein wunderschönes handschriftliches Bild ab! Noch besser der Inhalt: Poschinger schickt Salegg beigeschlossen eine Darmstädter Fünf-Gulden-Banknote - ein toller Beleg für die Geldzirkulation innerhalb des Zollvereins! Einfach zum Anbeißen, danke für's Teilen!
    Beste Grüße,
    Ernst-Donauwalzer

  • Abend
    Es sind sehr schöne Briefe und auch die Private Inhalte/Briefe von Schwester und Schwager sind toll...
    LG A

    "Im Grunde sind es doch die Verbindungen mit Menschen, die dem Leben seinen Wert geben."
    W. v Humboldt

  • Hallo zusammen,

    lieber Ernst,

    und noch ein Salegg-Brief.
    Eigentlich kommen in meine Sammlung nur Briefe mit vollrandigen Marken (danke Günter Smura :thumbup: ). Aber hier ist die Marke so verschnitten, dass sie schon wieder schön ist. Der Brief geht am 17.12.1859 von Pleinting, heute ein Stadtteil von Vilshofen (hallo Niels), in das 2,5 Meilen entfernte Hengersberg.

    Grüße aus Frankfurt
    Heribert

  • Lieber Heribert, lieber VorphilaBayern!
    Es regnet Salegg-Briefe! Der Pleintinger Beleg hat doch einen sehr klaren Abschlag und bietet ein schönes Beispiel für die textile Warenpalette in Hengersberg. Wie wohl das melierte Strickgarn ausgesehen haben wird? Der Kundschaft hat's offensichtlich gefallen!
    Den Beleg von 1906 finde ich faszinierend: Er ist zwar adressiert an Joseph III. Salegg (geb. 1875), der von den Geschäftspartnern nach dem Tod seines Vaters 1898 als dessen Nachfolger betrachtet worden sein dürfte - was aber unmöglich ist: Seit 1890 befand er sich in der "Idiotenanstalt" zu Gemünden. Er wurde 1899 von seinem Vormund im Namen seiner Geschwister offiziell entmündigt. Auch wenn man nicht den Junior, sondern Joseph II. Salegg gemeint hätte, würde das nicht unbedingt von einer besonders aktuellen Kundenliste Ostermaiers in München zeugen! Oder ist hier etwa aus dem Personennamen ein Firmenname geworden? Denkbar wär's ... :huh:
    Beste Grüße und vielen lieben Dank!
    Donauwalzer

  • Hallo zusammen,
    hallo Ernst,

    und hier, wie versprochen zwei weitere Salegg-Belege. Beides sind Vertreteranzeigen mit der Besonderheit: die Marke diente zum Verschließen. Leider wurden dabei die meisten Belege beim Öffnen zerrissen.

    Der guter Herr Neumeyer von der Firma Hirsch aus Pfersee (heute ein Stadtteil von Augsburg) hat seine Anzeige unterwegs in Rosenheim aufgegeben. Mit was die Firma Hirsch und Co. gehandelt hat, ist mir leider nicht bekannt.
    Otto Feldmann aus München hingegen hat ein Tabak und Zigarren Lager und kündigte seinen Vertreter Seibert an.

    Einem hochgeschätzten Bayernexperten und Katzenfreund aus Niederbayern war diese Art des Verschlusses einer Vertreteranzeige bisher noch nicht bekannt. Bei einen Urlaub in Niederbayern konnte ich in Passau drei Belege erwerbe. Damals gab es in Passau noch zwei gutsortierte Briefmarkengeschäfte.

    Grüße aus Frankfurt
    Heribert