Bayerische Desinfektionsstempel

  • Koenigl. / Bayerisches / Sanitaets Siegel
    – verwendet im 2. Halbjahr 1831 bis 1. Halbjahr 1832
    - Stempelfarben: Schwarz und Rot

    Zu dem Stempel gibt es von Dr. K. Meyer eine kleine Abhandlung in der "Postgeschichte und Altbriefkunde" Heft 89. Dieser ist zu entnehmen, daß der Stempel nachweislich in Waldmünchen und Freilassing zum Einsatz kam. Björn Rosenau ordnet ihn in seiner Ausstellungssammlung "Desinfizierte Post in Deutschland / 1805-1850 - ein Überblick" auch Neuhaus zu ( http://disinfectedmail.org/gallery/index.…rview-23-small/ ).

    Niels zeigt hier im Forum im Beitrag ""Venino's Briefe (Aus der Geschäftskorrespondenz der Kaufleute VENINO, C. A. Venino sel. Erben Würzburg)" (Nr. 11) einen Brief von Wien nach Würzburg. Er äußert die Vermutung, daß dieser in Passau desinfiziert wurde. Für Passau-Marahilf ist jedoch ein individueller Stempel "Contumaz Anstalt Maria Hülf" belegt, was jedoch nicht die Verwendung des neutralen Sanitätssiegels ausschließt.


    Nachfolgend ein Brief vom 24. November 1831 von Wien nach Würzburg. Also ein ähnlicher Brief wie Nils ihn gezeigt hat.

    – 14 Kreuzer C.M. österreichisches Franko
    - 14 Kreuzer bayerisches Porto

    Die 14 Kreuzer bayerisches Porto entsprechen nach dem Tarif von 1810 einer Entfernung von 36 bis 42 Meilen, also 320 bis 374 km (1 bayerische Meile = 8,9 km 7,47 km). Für Würzburg-Passau würde der Betrag gut passen. Wie sieht es mit Würzburg-Freilassing aus?

    Ich würde mich freuen, wenn weitere desinfizierte bayerische Belege gezeigt werden könnten. Vielleicht läßt sich so der Verwendungszeitraum der Stempel weiter eingrenzen.

    Beste Grüße
    André

  • Hallo André,

    eine bayer. Meile war 7,47 km lang.

    Schrägstrich und 14 wurden von Österreich ausgeführt (Rötel), 14 in blauer Tinte vermerkte Nürnberg. Nürnberg bekam sein Postpaket mit den öst. Briefen von der bayer. Grenze und setzte von dort 14 Kr. bis zur Abgabepost in Würzburg fest.

    14 Kreuzer in Kilometern ausgerückt entsprachen, wie du richtig angemerkt hast, 36 bis 42 Meilen = 269 bis 314 km (wenn es irgendwo knapp werden sollte, ruhig aufrunden). Also 270 km bis 315 km wäre heute in der GPS - Zeit realistisch, vlt. sogar bis 320 km.

    Freilassing - Würzburg = 310 km, passt also.

    Waldmünchen - Würzburg = 204 km, das passt also gar nicht (und wäre mir bei den Aufgabe- und Abgabeposten auch fremd).

    Passau - Würzburg = 288 km, passt also auch.

    Da ich damals nicht dabei war, weiß ich es nicht - ich kenne beide hier aufgezeigten, möglichen Leitungen. Dass es in Passau einen anderen Contumaz-Stempel gab, da schließe ich mich dir an, belegt nicht, dass der Brief nicht doch über Passau gelaufen ist.

    Meiner ist vom 2.11.1831 und dürfte ein Parallelstück zu deinem sein.

    Bilder

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Ups, da bin ich doch glatt in der Übersicht der Entfernungen (Vorphilatelie, Helbig) um eine Zeile verrutscht und bei dem Wert der badischen Meile gelandet. Danke für die Richtigstellung.

    Danke auch für das Zeigen des Parallelstücks.


    –.-.-.-


    Nachfolgend ein Beleg, der heute immer noch Rätsel bei der Entzifferung des Stempels aufgibt. Er wurde am 30. Dezember 1831 in Lobenstein aufgegeben und ins nicht weit entfernte Hof geschickt. Das Porto von 4 kr. entspricht der Entfernung von 6 bis 12 Meilen.

    1831/32 sind nur wenige Negativ-Desinfektionsstempel zum Einsatz gekommen. Dieser hier ist leider unvollständig abgeschlagen und weitere Belege mit dem Stempel sind bisher nicht bekannt. Das Buch "Disinfected Mail" von K.F. Meyer schreibt ihn der Contaumaz-Anstalt Buch am Forst zu, vermutlich, weil von dieser Anstalt bereits zwei Negativ-Stempel bekannt sind. Wenn man sich die Verbindung auf der Karte anschaut wäre doch eigentlich Töpen bzw. Hof selbst wahrscheinlicher. Was meint Ihr hierzu?

    Beste Grüße,
    André

  • Hallo André,

    schöner Brief - das mit Buch am Forst können wir getrost vergessen, das hat ein Ahnungsloser hingehaucht.

    Töpen ist m. E. richtig. Von Hof könnte er auch sein, doch kenne ich solch einen von dort erst gar nicht.

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Hallo André,

    einen etwas tieferen Einblick in die Geschichte der bayerischen Postdesinfektion geben die Beiträge von Josef Lentner, "Das Briefräuchern in Bayern bei Seuchengefahr" im Archiv für Postgeschichte in Bayern (Hefte 1963 I und II und vor allem Heft 1964 I). Besonders der dritte Teil, in dem die einzelnen Kreise Bayerns abgehandelt werden, ist interessant, weil hier die jeweiligen Contumazanstalten ausführlich beschrieben werden. Damit kann man allerdings auch nicht alle Fragen, vor allem die nach Stempeln, beantworten.

    Viele Grüße aus Erding!

    Viele Grüße aus Erding!

    Achter Kontich wonen er ook mensen!

  • Lieber Dietmar,

    da das Copyright sicher lange abgelaufen sein wird, wäre es doch möglich, diese Literatur hier mal einzupflegen. Wäre jedenfalls toll (von wem auch immer).

    Danke für die Literaturangabe!

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Optisch kein Schmuckstück, aber für meine Desinfektionspost-Sammlung ein kleines Highlight. Ein Brief vom 20.06.1805 von Nobiallo (bei Mailand) nach Landeshut (Schlesien). Er trägt die Leitvermerke Mantua und Wien, sowie den Desinfektionsstempel von Nürnberg.

    Aus den Jahren 1804/05 sind aus einigen deutschen Staaten Verordnungen bekannt, welche die Desinfektion von Briefen aus Spanien und Teilen Italiens vorschrieben, da dort das Gelbe Fieber grassierte. In dessen Folge wurde in Nürnberg auf der Bärenschanze eine Briefreinigungsanstalt eingerichtet, die von Februar bis Oktober 1805 in Dienst war (DASV-Rundbrief 443, Beitrag von Klaus Meyer). Von dieser Anstalt sind zwei verschiedene Stempel bekannt: "GEREINIGT VON / INNEN UND AUSSEN / NÜRNBERG" und "GEREINIGT / VON AUSSEN / NÜRNBERG"

    Der Beleg aus Nobiallo ist insofern interessant, da er den Stempel GEREINIGT / VON AUSSEN / NÜRNBERG" trägt, jedoch auch Perforatioslöcher und zwei Schlitze aufweist. Es ist daher davon auszugehen, dass der Brief dreifach gereinigt wurde. Vermutlich in Italien geschlitzt, in Österreich gerastelt und in Nürnberg noch einmal äußerlich gereinigt.

    Leider habe ich keine Karte aus dem Jahr 1805 und in diesen Jahren gab es viele territoriale Verschiebungen. Wie könnte der Laufweg des Briefes gewesen sein?
    Mailand gehörte 1805 zur Italienischen Republik, der Brief lief dann über Österreich / Bayern (Thurn und Taxis Post) und ? nach Landeshut (Preußen)?

    Als Gebühren sehe ich angeschrieben:
    "6 D"
    "6" (in Rötel) österreichisch 6 kr. ?
    "13 1/2" preußisch 13 1/2 Sgr. ?
    "16" (siegelseitig)

    Beste Grüße,
    André

  • Hallo Erdinger,

    besten Dank für den Literaturhinweis. Die drei Hefte hatte ich mir Anfang des Jahres antiquarisch beschafft, da sie oft in Quellenangaben genant wurden. Aber wie schon angemerkt, zu den Verwendungszeiträumen der Stempel ist darin wenig zu finden.

    Beste Grüße
    André

  • Hallo traumsand,

    es gibt auch das Vorphila-Handbuch von Herrn Friedrich Pietz. Zu den Desinfektionsstempel 1831/32 ist unter der Nr. 14 folgendes vermerkt.
    Kreisstempel, Antiqua. KOENIGL: BAYERISCHES SANITÄTS= SIEGEL
    August 1831 bis Frühjahr 1832
    Durchmesser 22,5 mm
    schwarz und rot
    schwarz: Freilassing 300 Pkt. Höll (Waldmünchen) 500 Pkt.
    rot: Augsburg 1000 Pkt. Ziegelhaus (Lindau) 1500 Pkt.
    Verwendung des Stempels auch bei anderen Contumazanstalten möglich.

    Der Stempel in Abschnitt 3. mit lesbaren Buchstaben "CONTUMAZ" ist nicht aufgeführt.

    Beste Grüße von VorphilaBayern

  • Hallo VorphilaBayern,

    das der Gebrauch des Stempels in Freilassingen am gängigsten ist, bestätigt meine Beobachtung. Der rote Stempel für Augsburg wird auch im Feuser erwähnt. Es käme also noch Ziegelhaus (Lindau) hinzu.

    Besten Dank,
    André

  • Der Stempel in Abschnitt 3. mit lesbaren Buchstaben "CONTUMAZ" ist nicht aufgeführt.

    Meyer vermerkt in "Disinfected Mail", dass der Stempel erstmals in SAV/SMS 1956 No. 3D, Ch. 9 des Schweizer Altbriefsammlervereins beschrieben wurde. Viel mehr Informationen dürften darin jedoch nicht stehen, sonst hätte Meyer diese erwähnt. Bleibt nur die Hoffnung, dass sich ein bisher unbeachteter zweiter Abschlag des Stempels findet.

  • Hallo Karl,

    der ist ja göttlich! :P:P:P

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Ich glaube ich brauche etwas Nachhilfe, um den Beleg zu verstehen. Wenn ich bei wikipedia richtig nachgelesen habe, dann gehörte Bregenz seit 1814 zu Österreich. Wieso lief der Brief dann über Bayern?

    Geht aus dem Briefinhalt das genaue Datum hervor?

    Beste Grüße,
    André

  • Hallo Andre,
    #12 Brief von Karl würde an Königliche Bayerische Landgericht in
    https://de.wikipedia.org/wiki/Weiler-Simmerberg#Geschichte
    https://de.wikipedia.org/wiki/Landgericht_Weiler

    Bei die Ämter Briefen sind die Inhalte sehr selten vorhanden, vielleicht hat der Brief Präsentation Vermerkt rückseitig..

    Wenn nicht wird es Juli 1831 bis Februar 1832 vermutlich sein.
    LG A

    "Im Grunde sind es doch die Verbindungen mit Menschen, die dem Leben seinen Wert geben."
    W. v Humboldt

  • Hallo Filigrana,

    das klärt so einiges. Ich hatte den Ort Weiler nach Österreich, keine 30 km von Bregenz entfernt, verlegt. Hätte ich in der Anschrift "Baier. Landgericht" entziffern können, wäre mir das wohl nicht passiert.

    Besten Dank,
    André

  • Lieber Andre,
    eine Sache ist sich mit Schriftkunde ein wenig beschäftigen – paar einfache Tabellen reichen am Anfang..
    andere Sache ist das wir mehr oder weniger verschiedene Richtungen sammeln, wenn sich einer schon Beispielweise 100 bayerische Amtsbriefe angesehen hat fiel ihm das Entziffern natürlich hier leichter..Übung..

    Dein Gebiet ist sehr interessant! Es sind Briefe aus verschiedenen Zeiträumen und Orten, was die Sache mit die verschiedenen Schriftarten nicht einfach macht...aber wir bemühen uns gegenseitig helfen. Wenn ich mit dem Altschrift schon ein wenig klar komme, kriegst du es mit Leichtigkeit auch hin. :)
    LG A

    "Im Grunde sind es doch die Verbindungen mit Menschen, die dem Leben seinen Wert geben."
    W. v Humboldt

  • Vielen Dank für die aufmunternden Worte! Ich glaube ich bin in die gleiche Falle getappt, die Herr Helbig einmal in einem Vorphila-Büchlein beschrieben hatte. Mein Sammelgebiet (deutsche und spanische Desinfektionspost) ist zu umfangreich um es postgeschichtlich angemessen und ohne Frust erfassen zu können. Um so dankbarer bin ich für die Hilfe und Anregungen, die ich hier finde. Die meisten Desinfektionspost-Ausstellungssammlungen, die ich gesehen habe, und auch Fachartikel zu diesem Thema, gehen aus postalischer Sicht kaum in die Tiefe. Erklärung von Gebührenvermerke, insbesondere bei Transitpost, bleiben sie in der Regel schuldig. Ich finde das Verstehen der Tarife, Leitwege und geschichtlichen Hintergründe sehr reizvoll. Ich hoffe nur, dass ich mit meinen Fragen, die vielleicht manchmal etwas banal daherkommen, weil sich mir der Sinn nicht gleich erschließt, nicht anecke. Schrifttabellen habe ich natürlich auch, leider sind Handschriften meist nicht so deutlich bzw. Texte enthalten Begriffe, die heute nicht mehr gängig sind. Kennt jemand die Schrifttafeln der Marburger Archivschule, sind diese zu empfehlen?

    Liebe Grüße
    André

  • Hallo Andre,

    selbst wir fortgeschritteneren "Schriftgelehrten" beißen manchmal mehrere Stunden an ein oder zwei Worten herum, die wir nicht lesen können. Ich habe Currentschrift auf die harte Tour gelernt (als Student im Alten Hauptkatalog der Münchner Staatsbibliothek und dann als Benutzer im Stadtarchiv Erding). Das wird noch.

    Was mir angesichts des Materials einfällt: Vielleicht bist du irgendwann einmal so weit, dass du Desinfektions-Belege aus/nach/durch Bayern in einem Beitrag im Rundbrief unserer ArGe vorstellen möchtest? Literatur gibt es dazu wohl, nur die Briefe sieht man relativ selten.

    Viele Grüße aus Erding,
    Dietmar

    Viele Grüße aus Erding!

    Achter Kontich wonen er ook mensen!