Express bis 1847 in Bayern

  • Liebe Freunde,

    von ganz wenigen Korrespondenzen abgesehen, die per se nicht gerade Wühlkistenformat haben, sind mit eigenen Boten bestellte Briefe des Königreichs Bayern (Expressbriefe) bis 1847, als der Expressdienst normiert wurde, nicht gerade häufig.

    Heute zeige ich einen Brief aus Günzburg vom 11.1.1843 an:

    Seine Wohlgebohren dem Herrn Thomas Schuegraf Patrimonial Richter Dachau Haßlangkreit Aichach bei München vertatur

    Er wurde mit 6 Kr. als Portobrief über 12 - 18 Meilen nach dem Reglement vom 1.1.1843 taxiert.

    Er zeigt einen Präsentationsvermerk, wie er bei Briefen aus dieser Zeit unüblich war und ist, jedoch keine weiteren Stempel, wie es die Vorschrift war. Wir lesen: Praes(entirt) am 16te Januar 1843.

    Des weiteren vermerkte eine andere Hand hinten: Befindet sich nunmehr in Haslangkreit bei Aichach - sicher ein Vermerk aus Dachau, wohin der Brief zuerst spediert worden war.

    Haslangkreit hatte zum Zeitpunkt des Briefes ca. 300 Einwohner und somit keine Post - diese kam wohl erst viel später, denn gefunden habe ich in meinen Unterlagen und im Netz hierüber gar nichts.

    Interessant ist aber in dem Zusammenhang der Vermerk oberhalb des Siegels mit Bleistift, also sicher kein postalischer, da Bleistiftgebrauch nicht gestattet war: Mathias Lechner Uhrmacher in Fridberg B. Eilbote 3 f 52 x.

    Inhalt hat der Brief leider keinen mehr, aber die Datierung ist gesichert und 4 Hände auf einem Inlandsbrief muss man auch erst einmal nachweisen können.

    Mir scheint, dass der Empfänger für den Brief tatsächlich 3 Gulden 52 Kreuzer (abzüglich 6 Kr. für die Post) an einen Eilboten bezahlt hat, obwohl die Entfernung von ca. 8 - 9 km nicht gerade riesig war. Auf der anderen Seite: Wer wollte es machen im kalten Januar des Jahres 1843?

  • Liebe Freunde,

    ja, ein sehr stolzer Lohn - 4x für ein Mittagessen, das relativiert vieles.

    B. kann auch die Abkürzung eines Eilboten sein - ich fürchte, wir werden es nie heraus finden, obwohl ich noch einen zweiten Brief an den Empfänger schnappen konnte - leider ohne Eilboten.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Liebe Freunde,

    wie versprochen, hier der 2. hinterher (dachte der Empfänger hieß Schulgraf, aber der liebe Luitpold hat mich eines besseren belehrt und eine Primärquelle aufgetan, wonach er tatsächlich Schuegraf hieß - danke dafür.

    Geschrieben in Harburg/Bayern am 23.10.1843, an den Herrn Oberschreiber Schulgraf am Landgericht Dachau franco, jedoch auch jetzt umgeleitet und siegelseitig notiert: Patrimonialrichter in Haslangkreuth bei Aichach.

    Die 4 Kr. blieben stehen, da der Brief nicht ausgeliefert wurde (er war ja auch kein Schreiber!) und nur die Vorderseite mit "vertatur", also bitte drehen, beschriftet, unter Streichung von Dachau natürlich. Da hätte ich jetzt glatt eine Hinzufügung des richtigen Ortsnamens vorne erwartet ...

    Der Inhalt ist eine frühe Variante der Reihe "Pleiten, Pech und Pannen" - wers lesen möchte, darfs gerne tun. Makaber bis lustig, wenn man so will.

  • Liebe Freunde,

    die Interpretation des folgenden Briefes ist gegeben und ich will meine darlegen:

    Geschrieben in Martinskirchen bei Eggenfelden, war er an Weigert, k. Schullehrer in Mariaposching unweit Plattling gerichtet, ca. 40 km in gerader Linie. Die Aufgabepost taxierte ihn mit 4 Kreuzern Porto.

    Es versteht sich von selbst, dass weder Martinskirchen (400 Einwohner), noch Mariaposching (900 Einwohner) damals eine eigene Post besaßen. Der Vermerk "dringend" ist auch auf den meisten Briefen nicht für eine Expresszustellung verwendet worden, sondern sollte nur die schleunige Beförderung durch die Post anmahnen.

    Aber wir haben vorne oben rechts einen Präsentationsvermerk: "präs. den 27ten Dezbr. 1844" und das deutet m. E. darauf hin, dass der Brief dem Empfänger in Mariaposching doch individuell zugestellt wurde.

    Links oben steht noch: "Beilage A", was auch im inneren des Briefes vermerkt wurde. Tatsächlich drohte der Absender dem Empfänger den Gang vors Gericht an, wenn dieser nicht für die Nachhilfestunden aufkommen sollte, wogegen sich dieser wohl weigerte. Die Fristsetzung ist auch gegeben, so dass es schon Gründe gab, ihn dringend erscheinen zu lassen.

  • Liebe Freunde,

    heute zeige ich einen Express - Frankobrief Chargé von Mühldorf, 13.10.1841, nach Marzoll bei Reichenhall. Inhalt war ein original Taufschein, der in Marzoll dringend benötigt wurde. Der Absender hatte sein Verlangen deutlichst formuliert:

    "frei gegen Schein - Ist von der Post Reichenhall durch einen Expressen nach Marzoll zu senden".

    Wir kennen nicht die Höhe der Gelder, die hier im Hintergrund geflossen sein müssen. Siegeleitig sehen wir 6 Kreuzer Franko von Mühldorf nach Reichenhall, eine Entfernung über 6 - 12 Meilen, für die der einfache Brief 4 Kreuzer, dieser hier aber über 1/2 Loth - 1 Loth dann 6 Kreuzer gekostet hatte.

    Die Recommandation kostete 4 Kreuzer und unter der lfd. Nummer 30 wurde er im Mühldorfer Recommandations - Manual erfasst.

    Extra kostete die Beschaffung eines Expressboten (bekam der Postexpeditor von Reichenhall vom Empfänger vergütet) und die Ganggebühr des Boten selbst, der hier ca. 5 Kilometer einfach zurück zu legen hatte. Ich denke, der Botenlohn dürfte ca. 1 Gulden betragen haben, wenn ich mir vergleichbare Leistungen andernorts vor Augen halte.

  • Liebe Freunde,

    wie schon die "Länge" dieses Threads nahe legt, sind vormarkenzeitliche Expressbriefe der Privaten keine Massenware, sondern eher das krasse Gegenteil.

    Um so mehr freue ich mich, hier einen zeigen zu können, bei dem nicht manches im Dunklen bleibt, wie bei einigen Expressbriefen der frühen Jahre, sondern bei dem alles offensichtlich ist und der daher als perfektes Beispiel dient, um zu erkennen, wie dieser äußerst selten gewünschte und extrem teure Postdienst funktionierte.

    Gezeigt wird ein Recobrief aus Nördlingen vom 3.11.1840 mit folgender Anschrift: Seiner Hochwürden Herrn Herrn Sailer Königlicher Pfarrer in Mündling Landgericht Donauwörth

    Recepisse Sehr pressant vertatur vertatur.

    Hinten zu lesen steht: Ist allenfalls durch eigenen Boten nach Mündling zu senden, welchen Herr Pfarrer Seiler zahlen wird.

    Dem Extra Bothen von Monheim bezahlt 24 Xr.

    Der Absender vermerkte im Brief, dass er am Morgen des 5.11. in Donauwörth wünsche, den Herrn Pfarrer zu treffen, daher war zur Einhaltung dieses Termins die Expressbestellung zwingend erforderlich (es ging um eine Gerichtssache mit Aktenübergabe).

    Der Absender wusste nicht, welche Post einen Extraboten nach Mündling schicken würde, weil er nicht wußte, welche Poststelle Mündling überhaupt versorgte. Daher die allgemein gehaltene Vorgabe, den Brief von wo auch immer per Extraboten zustellen zu lassen. Eine Unterscheidung von Tag- und Nachtbestellung gab es nicht - der Bote hatte sofort mit diesem Brief loszumarschieren und für 24 Kreuzer von Monheim aus waren es nach Müngling immerhin 12 km, so dass er wohl insgesamt 5 Stunden unterwegs gewesen sein dürfte.

    Kostenstruktur: 4 Kr. Chargé für den Absender. 3 Kr. Postporto für einfache Briefe bis 6 Meilen (45 km) und 24 Kr. Expressbotengebühr für den Empfänger.

    NB: Hätte sich der Empfänger angesichts der 27 Kr., die er für den Brief berappen durfte und den er erst nach Erlegung dieses Betrages ausgeliefert bekam, geweigert, diese zu zahlen, wäre der Brief mit 30 Kr. belastet zurück an die Aufgabepost gelaufen, die diese 30 Kr. dann vom Absender hätte einkassieren müssen. Die Expressgebühr war nicht erfolgsabhängig, also mit einer Zustellung verbunden, sondern ergab sich allein aus dem Wunsch des Absenders.

  • Guten morgen bk,

    was so ein kleiner Zusatzvermerk ausmachen kann. So richtig klare Regeln der Bezeichnung für eine Expressbestellung scheint es für den Kunden damals wohl noch nicht gegeben zu haben, aber die Post hat es ganz klar so verstanden und behandelt wie hinten geschrieben bzw. gewünscht ...und mit einem halben Gulden ein ziemlich gutes Geschäft gemacht. Alles in allen ja nun wirklich eine Rarität sondersgleichen, ein echtes Ding !

    Viele Grüße

    vom Pälzer

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Hallo Pälzer,

    danke! Aber die Post hat nur 4x Chargé und 3x Porto bekommen - die 24x gingen ja an einen Postexternen (Boten), der nicht festangestellt war. Diese Boten waren von jedem Expeditor der ihm vorstehenden Mittelbehörde (OPA) namentlich zu nennen und für deren erstklassigem Leumund zu bürgen, falls der Recobrief mal verschütt gegangen wäre ...

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo bk,

    Du hast Recht, in solchen Dingen ist nicht lax mit den Institutionen und ihren Zuständigkeiten umzugehen, zumal der Extrapost-Expressbotendienst vom Beförderungsjahr Deines Belegs ab ja noch lange währte.

    Viele Grüße

    vom Pälzer

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Liebe Freunde,

    ein besonderer Brief ist wohl dieser hier aus Bayreuth vom 14.7.1818 (der 14. Juli sagt uns was, wenn auch nicht aus diesem Jahr?), der mir folgender Adresse versehen verschickt wurde: "An den Glaspattern Hütten-Besitzer Herrn Barth in der Reuth - express".

    Der Brief weist keine Merkmale eines Postenlaufs auf - kein Stempel, keine Taxe - nichts. Damals verstand man zurecht unter "Express", dass ein gedungener Bote den Brief auszutragen hatte und nicht die staatliche Post.

    Die Entfernung von Bayreuth nach Reuth (bei Erbendorf) betrug stattliche 42 km, in direkter Linie etwas weniger. Ein Bote hatte also diesen Brief zu nehmen, 42 km zu laufen (vermutlich bei warmer Witterung) und dort abzugeben, um wieder 42 km zurück zu laufen (immer noch warm).

    Inhalt: "Baireuth den 14ten Juli 1818

    Von einem Nürnberger Handelshause habe die

    Anfrage erhalten, ob von den anliegenden gelben

    Glaspattern 350 Maschen a 1000 Stück, dann 150

    Maschen dunkelblaue anstatt der beiliegenden

    Sorte hellblaue, ferner 50 Maschen gelbe mitt-

    lere dergleichen Sorte, so wie 50 Maschen dun-

    kelblaue mittlere Sorte, binnen 14 Tagen zu

    erhalten sind. Da ich erfahren, daß der Hr.

    Barth zu Reuth noch eine im Betrieb

    stehende dergleichene Hütte besitzt, so ersuche Sie um

    Nachricht ob Sie diese Sorten binnen 14 Tagen

    hieher liefern können u. für welchen Preis

    franco Baireuth. Daß Sie fernere

    Bestellungen wegen die Waare möglichst

    schon liefern, u. die Preise billig notiren

    werden, darf ich sicher erwarten. Die

    mittlere Sorte wovon ich indeß kein Mu-

    ster erhalten muß stärker sein als

    die gewöhnlichen. Mit Achtung u. Antwort

    Killinger Königl. Oberbergbaumeister

    N.S.

    Sollte Ihre Hütte nicht mehr im Gange

    u. die bestellte Waare nicht schon vorräthig,

    aber noch eine andere dergleichen Hütte in

    Gange seyn so ersuche Sie, diese Bestellung

    an deren Besitzer abzugeben. Killinger."

    Killinger hatte also diesem Brief Muster beigeschlossen und seinen Expressen (eigenen Boten) beauftragt, nach Reuth zu laufen und nach Eröffnung des Briefes durch den Empfänger auch Antwort zu erhalten.

    Da der Brief gesiegelt worden war, war es vom Absender ein Verstoß gegen das Postgesetz, ein Expressbrief außerhalb der Post und ein Versand von Mustern, womit er in 3 meiner Mini-Sammlungen fällt. Ich glaube, es gibt Schlechteres ...

  • ... leider nicht, da ich nicht vom Fach bin.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber Ralph,

    den folgenden Brief hatte ich mal vor 10 Jahren in einen Thread eingestellt. Brief aus Wunsiedel vom 19. November 1821 per Expreß nach Reuth bei Erbendorf. Siegelseitiger Vermerk "40 Kreuzer Botenlohn". Für die 3 3/4 Meilen (Hin - und Zurück 7 1/2Meilen) wurden dem Boten 40 Kreuzer bezahlt.

    Liebe Grüße,

    Hermann

  • Lieber Hermann,

    vielen Dank - hast du noch die beiden Briefe?

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber Hermann,

    der Parallelbrief mit 40x Botenlohn wäre für mich interessant, weil ich dann eine Seite machen könnte. Nichts eilt, die Briefe stammen ja auch nicht gerade von gestern. Vielen Dank für deine Mühewaltung schon vorab. :)

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.