Unterfrankiert oder überfrankiert hin und her

  • Liebe Freunde,

    einen Brief von Bayern aus Australien bekommt man nicht jeden Tag - zumal einen solchen, von dem man gar nicht glauben kann, dass es ihn genau so gibt.

    Aber der Reihe nach: Verfasst in Nürnberg am 29.3.1867 von der Firma Heim & Heller war er gerichtet an Ferdinand von Wertheim in Ranshofen bei Simbach am Inn. Am 29.3. musste der Brief aber schleunigst auf die Post gebracht werden, so dass man ihn erst gar nicht in der Stadt, oder am Bahnhof, sondern gleich in den Briefschlitz am Zug einwarf.

    Die Frankatur von 3 Kreuzern wäre ja auch für einen innerbayerischen Brief korrekt gewesen und schließlich las man im Waggon der Strecke Nürnberg - Passau "bei Simbach am Inn", also war der Brief mit 3 Kreuzern korrekt frankiert. Aber man hat nur perfekt abgestempelt, nicht perfekt recherchiert, sonst hätte man bemerkt, dass Ranshofen in Österreich liegt, aber wenn es tatsächlich nicht weit weg von Simbach am Inn lag, aber von Nürnberg aus waren es nach Braunau, der für Ranshofen zuständigen österreichischen Postexpedition, doch stattliche 196 km = über 26 Meilen, so dass der Absender dieses Postvereinsbriefes hätte 9 Kreuzer frankieren müssen.

    Die deutliche Unterfrankatur fiel keinem auf und die Post in Braunau am Inn (bekannt ja aus etwas anderen Gründen, als reinen Postgeschichtlichen) sah sich auch nicht veranlaßt, ein Nachporto für ihren Kunden anzuschreiben, zumal dieses ja eh allein Bayern zugekommen wäre. Korrekt wäre folgende Rechnung gewesen: Portobrief nach Österreich: 20 Neukreuzer, abzüglich der frankierten Marke von 3 Kreuzer = 5 Neukreuzer noch 15 Neukreuzer Nachporto.

    Da auch der Bahnpoststempel perfekt abgeschlagen wurde, der Inhalt komplett ist und Braunau sich schön hinten verewigte, habe ich großzügig über den Markenschnitt hinweg gesehen (und überlicherweise müssen wir bei dergleichen Angeboten ja die schwachsinnige Formulierung "dreiseitig breitrandig" schon oft genug lesen).

  • Hallo bk,
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    erst einmal Glückwunsch zu diesem Beleg mit - damals wie heute - krassen Nachzündereffekt auf den 2. Blick. Wenn die Aufgabepost wie hier verpeilt hatte, ein Nachporto anzusetzen, dann frage ich mich immer wieder, ob nach den DÖPV-Regularien die Abgabepost verpflichtet war, das nachzuerheben oder nicht. Meines Wissens war es so: Ohne Taxvermerk der Aufgabepost auch kein Nachporto durch die Abgabepost. Aber das sehe so eindeutig wiederum nicht geregelt.

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    (und überlicherweise müssen wir bei dergleichen Angeboten ja die schwachsinnige Formulierung "dreiseitig breitrandig" schon oft genug lesen).

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    Ja, dass darf zwischendrin durchaus auch einmal so deutlich gesagt werden. ;)

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    + Gruß!

    vom Pälzer

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Hallo Pälzer,

    die österreichischen Vorschriften bezüglich dieser unterlassenen Nachtaxierungen kenne ich leider nicht. Für Bayern galt der wachsweiche Spruch, dass nur in den Fällen offensichtlicher Unterfrankaturen eingehender Poststücke nachtaxiert werden konnte ( ! ! ! ).

    Klartext: Drucksache der 5. Gewichtsstufe als 4. Gewicht frankiert aus Baden nach Bayern, folgerichtig mit nur 4 Kreuzern frankiert, hätte man so gelassen, weil die Alternative gewesen wäre, einen Brief der 5. Gewichtsstufe zu sehen und von diesem Porto die 4 Kreuzer abzuziehen, also Mannheim - München 5 mal 9 Kreuzer plus 5 mal 3 Kreuzer Portozuschlag = 60 Kreuzer minus der frankierten 4 Kreuzer = 56 Kreuzer Nachporto. Man kann sich leicht vorstellen, was der Empfänger von dieser Drucksache gehalten hätte ...

    Daraufhin hätte man die Briefkarte von Mannheim nach Baden korrigieren (hochsetzen) müssen, München belasten, wegen Annahmeverweigerung München wieder zu entlasten, jetzt Mannheim zu belasten und und und. Das wäre ein mittleres Erdbeben geworden und am Ende hätte Mannheim in badischer Treue zu ihrem Kunden festgestellt, dass dort die Drucksache nur knapp 4 Loth gewogen hatte und die bayerischen Rechnungen damit für obsolet erklärt.

    Das wollte sich jede Postverwaltung ersparen und ich kann das gut nachvollziehen.

    Zurück zum Thema: Was ist eine offensichtliche Unterfrankatur im Postverein? 1 Groschen von Berlin nach Augsburg? Vlt. reichte das schon, wenn man sich die Entfernungen ansieht.

    2. Gewicht frankiert statt 8. Gewicht? Das wäre für mich offensichtlich. Aber wo will man da die Grenze ziehen? Eine Gewichtsstufe Unterschied? Oder zwei? Wo bei entfernungsbedingten Unterfrankaturen - 10 Meilen, erst über 20 Meilen?

    Ich denke, dass man dergleichen gar nicht wollte, weil das Geld der eigenen Leute dann ja außer Landes ging und genau das wollte man damit ja vermeiden, auch wenn man es nicht explizit so schreiben durfte.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Liebe Freunde,

    unterfrankierte Briefe zwischen Bayern und Österreich gibt es so einige - aber sie sind alle etwas Besonders.

    Überfrankierte Briefe findet man weitaus seltener - und sie sind optisch eher banal, weil sie keine Nachtaxen, Gewichtsangaben, Währungsreduktionen usw. zeigen, sondern ganz normal aussehen.

    Aber es gibt ein paar - und sie stammen praktisch alle nur von privaten Korrespondenzen, bei denen sich die Absender halt geirrt hatten und etwas zuviel verklebt haben.

    Heute zeige ich aber einen Firmenbrief aus Augsburg vom 26.03.1858 der Firma Erzberger & Söhne an Firma Caspar Ritter in Egg bei Bregenz (es gab auch ein Egg bei Zürich!).

    Die Entfernung in direkter Linie betrug 128 km, also deutlich unter den 20 Meilen, für die 6 Kreuzer ausgereicht hätten (und wenn es ein Brief der 2. Gewichtsstufe gewesen wäre, hätte man schon 12 Kr. frankieren müssen).

    Aber die Absenderfirma verklebte unerklärlicherweise 9 Kreuzer, somit 3 Kreuzer zuviel. Am Folgetag war er in Bregenz und danach in Egg.