Preußen - Schwarzburg-Rudolstadt

    • Offizieller Beitrag

    Liebe Freunde,

    hier eine 3 Sgr.-Ganzsache, am 20.10.1865 am Potsdamer Bahnhof in Berlin in den Briefkasten eingeworfen und adressiert nach Groß-Kochberg bei Rudolstadt a.d.Saale.

    Auf dem Brief wurde Briefkasten notiert und das Gewicht mit 1 l(o)th festgestellt. Für die 2.Gewichtsstufe fielen noch 3 Sgr. Porto + 1 Sgr. Zuschlag an. Diese wurden als 12 Kreuzer ebenfalls mit Blaustift notiert.
    Diese wurden von der Taxis-Post gestrichen und mit Tinte erneut notiert, zusätzlich ein Bestellkreuzer: 12 / 1

    Kann jemand die mit blauer Tinte notierten und wieder gestrichenen 3 1/2 (Sgr.) erklären?

    Der Adressat ist einen zweiten Blick wert:
    Herren Freiherren Felix von Stein
    auf Groß-Kochberg

    Das ehemalige Rittergut Schloß Kochberg in Groß-Kochberg war seit 1733 im Besitz der Freiherren von Stein-Kochberg, die zum osterländischen Uradel gehörten.
    Große Bekanntheit erlangte Charlotte von Stein[1] durch ihre enge Freundschaft mit Johann Wolfgang von Goethe, Johann Gottfried Herder und Friedrich Schiller. Goethe besuchte Charlotte mehrfach auf Schloss Kochberg und fertigte auch Zeichnungen des Schlosses an [2].
    Der Adressat war ein Urenkel der berühmten Dame.

    Gruß
    Michael

    [1] Wikipedia-Artikel zu Charlotte von Stein
    [2] Schlosszeichnung von Goethe

  • Lieber Michael,

    Spezialität von Taxis bei Briefen in deren Kreuzerbezirk war, dass man nicht 4 Sgr. ersetzte, sondern nur die paritätische Rückrechnung von 12 Kreuzern = 3,5 Sgr.. So hat man je Gewichtsstufe 1/2 Groschen gespart ...

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber Michael,

    jein. Es kam ja immer darauf an, ob ein Kreuzerland einem Groschenland Geld schuldete, oder umgekehrt.

    Wenn Preussen Taxis mit 12x wie hier belastete, reichten paritätisch 3,5 Sgr. = 12x aus, um Preussen abzufinden.

    Bei 4 Sgr. hätte man pariätisch schon 14x vom Empfänger kassieren müssen, daher wurde diese Forderungen in den Briefkarten von TT geändert und die anderen Länder akzeptierten das, weil dort auch eh keiner genau wusste, wer in welcher Währung wo zahlte.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


    • Offizieller Beitrag

    Lieber Ralph,

    aber unter dem Strich kam doch ungefähr das gleiche heraus - wenn man unterstellt, dass Preussen gegenüber T&T ebenfalls paritätisch rechnete.
    Will damit sagen: Wenn T&T dann 12 Kreuzer Forderung an Preußen hatte, wurden diese dann doch auch in 3 1/2 Sgr. reduziert, oder??

    Gruß
    Michael

  • Lieber Michael,

    nein! TT hatte an Preussen ja immer in Silbergroschen zu taxieren, weil Preussen keine Kreuzer kannte. Daher hat TT immer für einen über 20 Meilen Portobriefe 4 Sgr. bonifiziert bekommen, aber bei einem Preussenbrief vice versa hatte Preussen 12x notiert und die waren halt nur 3,5 Sgr. wert (weil TT ja auch nicht 14x kassieren konnte, sondern nur 12x nahm).

    Am Ende des Quartals wurde die Generalrechnung gemacht, also hier Preussen gegen TT und es wurde in der Währung abgerechnet/verrechnet, die der Staat hatte, der einen Anspruch an den anderen hatte. Gehe mal davon aus, dass TT eher mehr Geld an Preussen zu zahlen hatte, als Preussen an TT - also lief die Verrechnung i. d. R. in Sgr., nicht in Kreuzern.

    Liebe Grüsse vom Ralph

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    • Offizieller Beitrag

    Lieber Ralph,

    danke für die Ausführungen, so weit klar.
    Wobei mir nicht klar ist, wieso T&T in der Regel an Preußen zu zahlen hatte. Die damaligen Postverträge erfuhren doch ihre Vereinfachung u.a. durch die Einsicht, dass ein Brief einen Gegen-Brief auslöst, das hin und her sich also ungefähr ausgleicht.

    Wieso wurden die 3 1/2 Sgr. dann noch mal auf dem Brief notiert? Entscheidend war doch die Eintragung auf der Briefkarte.
    Haben die anderen in Kreuzer rechnenden süddeutschen Staaten gegenüber den in Taler rechnenden ebenso abgerechnet?

    Gruß
    Michael

  • Lieber Michael,

    Zitat

    Wobei mir nicht klar ist, wieso T&T in der Regel an Preußen zu zahlen hatte.

    Ganz einfach - Portobriefe nach TT aus NL, Belgien, GB oder den USA liefen über Aachen regelmäßig in großer Stückzahl ein - da hatte Preussen den Postvereinsanteil von in der Regel 2 bzw. 3 Sgr. von Taxis zu fordern, der nach Beikassierung vom Empfänger an Preussen rückvergütet werden musste = hohe Forderung von Preussen an TT.

    Da TT keine Auslandsgrenze hatte, konnte das Spiel umgekehrt nicht laufen, wodurch TT immer höhere Ablieferungsschuldigkeiten an Preussen hatte, als umgekehrt. TT blieben nur die sog. inneren Vereinstransite von Preussen, also z. B. bei einem Brief von Preussen über TT nach Bayern, Württemberg oder Baden. Aber genau die glichen sich ja aus, weil, wie du richtig argumentierst, auch der Rückbrief kam und dann war das ein Nullsummenspiel.

    Zitat

    Wieso wurden die 3 1/2 Sgr. dann noch mal auf dem Brief notiert? Entscheidend war doch die Eintragung auf der Briefkarte.

    Richtig! Aber wenn du als TT - Relais - Station (z. B. FFM) täglich viele Briefe bekommst, ist es schon sinnvoll, die tatsächlichen Porti auf den Briefen zu notieren und dann einen Strich unter die Rechnung zu machen. Es war also eine Manipulationsvereinfachung bei der Briefpost.

    Zitat

    Haben die anderen in Kreuzer rechnenden süddeutschen Staaten gegenüber den in Taler rechnenden ebenso abgerechnet?

    Nein - nur TT hatte ja das Privileg, wenn man so will, mit Währungen zu jonglieren - die anderen Staaten (Baden, Württemberg + Bayern mit rheinischer Kreuzerwährung) hatten nach den Postverträgen mit Preussen 1 Sgr. = 3 Kr. zu verrechnen, also tatsächlich bei einem Portobrief von Berlin nach Karlsruhe, Stuttgart oder München eine Belastung von 12 Kreuzer (die Berlin auf den Brief zu schreiben hatte), wie sie umgekehrt eine Forderung von 4 Sgr. eine Forderung an Preussen für den Rückbrief hatten.

    Da Preussen immer mehr von den Süddeutschen Staaten zu fordern hatte, wurde immer in Sgr. intern abgerechnet, ohne Ausnahme. So mussten dann die Süddeutschen nicht 3 Kr. je Groschen an Berlin überweisen, sondern de facto 3,5 Kr..

    Liebe Grüsse vom Ralph

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    • Offizieller Beitrag

    Lieber Ralph,

    danke. An die Auslandspost hatte ich in dem Zusammenhang gar nicht gedacht, ist natürlich richtig.
    Ich nehme mal an, dass diese Abrechnungsmöglichkeiten nicht direkt aus den Vertragstexten abzuleiten sind?
    Gibt es erhalten gebliebene Abrechnungsunterlagen zwischen T&T und Preußen oder woher kennt man diese Details?

    Gruß
    Michael

  • Lieber Michael,

    ich kenne die bilateralen Verträge Preussens und von TT nicht, daher kann ich nicht sagen, ob und wenn, wie das festgehalten wurde. Bei Bayern gab es offiziell nichts, aber mir sind Statistiken Bayerns bekannt, aus denen die Vergütungen hervor gehen - aber nur zu Beginn des DÖPV bis ca. 1856, weil dann teils andere, interne Verrechnungsverfahren gewählt wurden (Pauschalsummen bei den inneren Vereinstransiten, die dann getrennt wurden von den Auslandsbriefe).

    Sämtliche im DÖPV jemals existiert habenden Generalrechnungen (also auch Strelitz - Liechtenstein oder Luxemburg - Bergedorf) wurden in Wien gelagert - dort habe ich sie mal vor langer Zeit gesucht, aber nichts mehr gefunden. Zu viele Archive sind des Postgeschichtlers Tod ...

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.