Liebe Freunde,
mein jüngster Fang ist ein ganz unscheinbarer Brief, den ich hier etwas ausführlicher vorstellen möchte, als es mir sonst möglich ist.
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Verfasst wurde er in Alexanderhilf, einer von deutschen Auswanderern gegründeten Siedlung am Schwarzen Meer. Siehe hierzu den Link von wikipedia:
http://de.wikipedia.org/wiki/Schwarzmeerdeutsche
Einer dieser Schwarzmeerdeutschen (was für ein Wort!) schrieb unter dem 10. April 1832 folgendes an Johann Georg Hammer in Beidelschach im Schondorfer Oberamt im Königreich Würdenberg, heute Beutelsbach geschrieben, wie Schorndorf und Württemberg auch in etwas abweichender Orthographie.
Der Brief erhielt einen siegelseitigen Datumsstempel, den ich nicht kenne (kann einer dazu etwas sagen?) und den Stempel "Russie", der in Semlin nur für das Jahr 1832 für die Transitbriefe aus Russland bekannt ist (van der Linden Nr. 2471).
Taxiert wurde er dort mit 20 Kr. CM als einfacher Transitbrief bis 8,75g, was bedeutete, dass der Absender das russiche Franko bis zur österreichischen Grenze (in welcher Höhe?), das sich nicht notiert findet, bezahlt haben musste (Grenzfrankozwang).
Diese 20 Kr. CM wurden in 24 rheinische Kreuzer reduziert und mit dem Gemeinschaftsporto Bayerns und Württembergs i. H. v. 12 Kr. rh. zum kaum leserlichen Endbetrag i. H. v. 36 Kr. addiert.
Soweit die Beschreibung der rein äußerlichen und postalischen Merkmale des Briefes.
Weil PO aber nicht vor Inhalten halt macht, erlaube ich mir die Transkription des Inhalts ohne jede Änderung semantischer Art, weil ich es für sehr interessant halte, was man damals schrieb.
"Vielgelibter Pfleger Joh Georg Hammer
Eure Zwey Brieffe wo Ihr uns Geschickt habet, die haben uns Herzlich erfräuet, wir haben daraus ersehen das Ihr noch alle Gesund Seyd, aber das Thut uns sehr leid das der Georg Thudium ein eine Grosse Trauer Versetzet worden ist, mit Seiner Frau und 2 Kinder und weil unsser Pfleger wissen will, wie er mit diessem Vermögen vom Vatter wahre, So mus Ich euch Schreiben, das wir es Selber von Nöthen haben; wir haben vor Drey Jahren Bauen Müssen, das hat uns über Daussend Rubel Kostet, und am Spädtjahr Hat sich unsser Lehnhart und Friderika Verheiradet 1831, und am Ocdober haben Sie in einem Thag Hochzeit Gehabt, die Friederika ist nach Freydenthal gekommen. Sie hat einen Schuhmacher, und der Lehnhart ist im Haus. Wir haben noch 2 ohne diesse, und unssere Magthalena ist Ano 1830 Gestorben. Ihr Leben brachte sie auf 12 Jahr. Ich möchte das Vermögen Euch Gerne Zukommen lassen, aber diesse 2 Kinder wo noch daseyn die wollen auch was wen Sie einmahl sich in den Ehestandt begeben wollen, den da ist es nicht so wie bey Euch, das ein Vatter Seyn Haus und Gut so austheilen kan wie bey Euch, da ist es So der Eldeste Sohn bekommt Huas und Gut und den Andern mus man geben was man kan, und wir haben Schon Viele Krankheiden durchmachen müssen, das man uns Schon oft auf das Ende gewardet hat, und es gehet uns noch lange nach, in der Arbeit (s)Püren wir es wohl wir kauen nicht mehr wie wir wollen.
Lieber Pfleger wir Möchten Ihn Bitten das Er doch So Gut möchte Seyn, und uns das Geldt Schüken wir haben alle beide Vollmachten abgeschickt Meine und Joseph Volmar seyne, Indessen Wünschen wir das Euch dieser Brief Gesundt andreffen werdet. Gottlob wir alte Seyn alle Gesund, aber Ich will auch berichten das der alte Eibert Gestorben ist.
Einen Schönen Grus an Jung Hoahnn Georg Hammer und Einen Grus an Jacob Friederich Breimer und Seine Frau und Georg Thudium und Philipp Weinschink und Johannes Volmer, und einen Schönen Grus an Georg Meier und meine Schwester in Hebsack wir bitten Euch schreibt uns wieder ob Ihr noch Gesundt seyd.
ich verbleibe euer Getreuer Schwager und Bruder Johann Leonhardt Bauer.
Lieber Pfleger Er möchte doch so Gut seyn und doch diesen Brief alle Meine Frunde lessen lassen und auch noch Hebsack Schüken unsser Gröstes Verlangen von Mir und Meiner Frau und Kinder und das Euch diesser Brief Gesund andreffen möget, und erwarden bey der Ersten Gelegenheit wie es Auch Aussieht bey und wie ihr Euch befündet. Ich Elisabetha Grüse auch noch dausend mahl alle meine Liebe geschwiester, Schwager und Schwägerin.
Weil wir nicht mehr mit einander Sprchen können, das thut uns sehr Leid aber wir wünschen das wir im Himmel einander sehen werden."
Liebe Grüsse von bayern klassisch