Der Deutsche Krieg 1866

  • Liebe Sammlerfreunde,

    hierzu folgender Brief:
    Feldpostbrief von Berlin vom 15. Juni 1866 mit Vermerk Ogrosen (Lausitz - Preußen),
    wieder durchgestrichen und Berlin vermerkt. Ich denke, daß die Einheit bereits in der
    sächsischen Lausitz war (am 16. Juni rückte die Preußische Armee bereits dort ein) und
    der Brief ging daher wieder an den Absender zurück.

    Beste Grüße von VorphilaBayern

  • Hallo Ulf,
    sicherlich ein attraktiver Brief, und mit Datum 16.8. auch noch aus der Zeit vor dem Prager Frieden. Allerdings sehe ich weder eine kriegsbedingte ungewöhnliche postalische Behandlung, noch Zeitverzögerung in der Zustellung, sodass mir hier die "66er Relevanz" fehlt. Gibt es Inhalt?

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • Hallo, 

    hier ein m.E. sehr interessanter Feldpostbrief, der am 17. August 1866 von Landshut in die von preuss. Truppen belagerte Bundesfestung Mainz ging. Nach der Besetzung von Wiesbaden am 18. Juli wurde der Belagerungszustand der Festung Mainz am 20.7. ausgerufen, der am 26.8. mit der Übergabe der Festung endete, nachdem Generalmajor von Loßberg, Oberbefehlshaber über die die Hauptstreitmacht in der Festung Mainz stellenden kurhessischen Einheiten, mit seinen Soldaten kapituliert hatte, als absehbar war, dass das Kurfürstentum Hessen preussische Provinz werden würde (Antrag an den preussischen Landtag vom 16. August). 
    Der Absender, Melchior Schüle, Quartiermeister im bayerischen 3. Uhlanen-Regiment, befand sich am 17.8. mit seinem Depot (also Verwaltungs- und Logistikeinheiten des Regiments sowie Reserven) in Folge des allgemeinen Waffenstillstands vom 2.8. auf dem Rückmarsch nach Süden. Das 3 Uhlanen-Regiment, 1866 der 2. Leichten Kavallerie-Brigade im Reserve-Kavallerie-Korps zugeordnet, war erst kurz vor dem Krieg aufgestellt worden; seine Einheiten wurden bereits 1867 auf die anderen Regimenter verteilt, weshalb zu diesem bayerischen Regiment nicht viel in der Literatur zu finden ist. 
    Der Empfänger des Briefes, Hauptmann Lorenz Bauer, Chef der 5. Kompanie des bayerischen Genie-Regiments, gehörte zu den bayerischen Einheiten, die neben Truppen des Bundes (vor allem aus Kurhessen) die Besatzung der Bundesfestung Mainz ausmachten.
    Briefe in die Bundesfestung aus dem fünfwöchigen Zeitraum der preussischen Belagerung dürften nicht häufig sein; mit dem Inhalt, der in seinem Sarkasmus und den ironischen Anspielungen auf den für Bayern nicht gerade ruhmreich ausgefallenen Feldzug auch den „bayerischen Zeitgeist“ nach Ende der Kämpfe wiederspiegelt („ … mit dem Krieg wirds aus sein, der Generalstab kann mit Würde auf seinen errungenen Lorbeeren ausruhen, - die Cavalerie auf ihre großen Erfolge stolz sein – der Nimbus – wo bleibt da der Nimbus? Wie der Frieden ausfallen wird? Werden die Flügel gestutzt? Gestutzt sind sie worden….), stellt der Brief ein hochinteressantes postgeschichtliches Dokument des 66er Krieges dar, in dem auch Bezug auf den Verlust des Regimentskommandeurs, Oberstleutnant Ludwig Hertlein, genommen wird, der als einziger des Regiments im für die Bayern siegreichen Reitergefecht bei den Hettstädter Höfen am 26. Juli - dem einzigen bayerischen Sieg in diesem Krieg! - gefallen war. 
    Zur Transkription, bei der mir der liebe Erdinger bei einigen, ob der doch "eigenthümlichen" Handschrift des Verfassers schier unentzifferbaren, Wörtern sehr geholfen hat: 

    Mein lieber Lorli!
    Die beiden lieben Briefe habe ich richtig erhalten und habe den Ersten wegen Cernirung [=Belagerung] der Festung Mainz unbeantwortet gelassen!
    Vor allem meinen herzlichsten innigsten Glückwunsch zu deinem Erstgebornen! Es ist halt doch ein freudig erhebendes Gefühl, als Erstgebornen einen Knaben zu erhalten! Mein Alter! viel Glück dazu und er soll gedeihen an Körper und Geist und seinem Vater ähnlich werden! – an Deine liebe Frau Gemahlin ebenfalls meine besten herzlichsten Glückwünsche - sie soll gesund sich erhalten – viele herzliche Grüße an deine liebe gesamte Familie und den Namen deines Sprößlings theile mir gelegenheitlich mit!
    Wir hatten in Neumarkt nicht weniger denn 3 mal Marschbereitschaft und damit die gesamte Einpakung des Depots - am 30. Juli sind wir endlich von Neumarkt fort und kamen am 2. dieses hier an, die Mannschaft und Pferde sind in der neuen Reserve, ich mit dem Depot und der Rechnungs Kanzley in der alten Reserve schlecht genug untergebracht.
    Meine Bureau-Requisiten sind auf dem Marsch hierher größtentheils ruinos geworden, einem Faß mit Halbstiefel und einem solchen mit Sohlen wurde der Boden von einer Deichsel eingestoßen und der Inhalt ist flöten gegangen, - es wird noch mehr zu Grunde gehen, - hier ist das Leben angenehm, Essen gut und billig, Bier gut und die Einwohner freundlich – nur die Reservisten sind ungebührdig und wollen nicht Order pariren, - mit dem Krieg wirds aus sein, der Generalstab kann mit Würde auf seinen errungenen Lorbeeren ausruhen, - die Cavalerie auf ihre großen Erfolge stolz sein – der Nimbus – wo bleibt da der Nimbus? Wie der Frieden ausfallen wird? Werden die Flügel gestutzt? Gestutzt sind sie worden. Na, hoffen wir das Beste und ich wünsche nur, wieder nach meinem lieben 2brücken, der Kindstadt, zurückzukehren! Es wird wohl nur ein frommer Wunsch bleiben! Daß du lieber Lorli gesund, freut mich – und ich gratuliere dir auch nachträglich zu deinem lieben Namensfest - habe an diesem Tage nach alter Gewohnheit ein Glas Erlauer auf dein mir theures Wohl getrunken. Bleibe gesund ist alles und das Beste was ich dir lieber alter Freund wünschen kann, - ich bin auch Gott sei Dank wieder wohl – und werde trotz der vielen Arbeit und den großen Anstrengungen von Tag zu Tag dicker. Du wirst staunen, wenn du mich wieder einmal zu Gesicht bekommst. Daß mein ver[ehrlicher] C[ommandan]t Vorstand Hertlein der Einzige vom 3. Uhl[anen] Rgt. war, der vor dem Feind gefallen ist, wirst du gelesen haben. Friede seiner Asche. Herzlichen Gruss an H[och]l[öblichen] R[egiments]apot[hek]er Bauer, College Frisch und H[och]l[öblichen] Auditor Fischbacher.
    Nochmals lieber Freund herzlichen Glückwunsch zu deinem Erstgeborenen, - du weißt daß ich Freud und Leid mit dir theile. Sei noch tausendmal herzlich gegrüßt
    Von deinem aufrichtigen treuen Freund Melchior
    Landshut den 17.8.66

  • Hallo,

    aus der Anfangszeit des Krieges, als das oberste Gebot auf süddeutscher Seite die Ausarbeitung und Umsetzung einer gemeinsamen Militärstrategie von VII. bayerischem und VIII. Bundeskorps sein musste, stammen die hier gezeigten Telegramm-Quittungen.

    Am 26. Juni 1866 war das Hauptquartier des VIII. Bundeskorps von Darmstadt nach Frankfurt verlegt worden; der Oberbefehlshaber, Prinz Alexander von Hessen, residierte im Darmstädter Hof. Am selben Tag noch reiste der Prinz nach Schweinfurt in das bayerische Hauptquartier von Prinz Carl (auch Oberbefehlshaber der gesamten süddeutschen Verbündeten). In Schweinfurt wurde an diesem und dem folgenden Tag beschlossen: "Concentrischer Vormarsch der westdeutschen Armee auf Hersfeld, vom 30. Juni bis 7. Juli, um alsdann vereint die Preussen bei Cassel oder Eisenach anzugreifen und wo möglich vorher die zwischen Gotha und Eisenach cernirten Hannoveraner zu befreien. Siehe Beilage" (aus "Feldzugs-Journal des Oberbefehlshabers des 8ten deutschen Bundes-Armee-Corps, Prinz Alexander von Hessen, 1867).

    Die gezeigten Quittungen von der bayerischen Telegraphenstation in Frankfurt für Telegramme nach Schweinfurt und Mainz (wohl in die Bundesfestung) tragen den Stempel "Commando des Deutschen VIII. Bundesarmeecorps", der bei der Ober-Intendantur des VIII. Korps verwendet wurde (s. auch den in post 157 gezeigten Brief mit demselben Stempel). Die Telegramme vom Hauptquartier - der Vermerk "Darmstädter Palais" dürfte sich auf das Hotel beziehen - wurden vom Generalstabsoffizier Major Kraus beim bayerischen Telegraphenamt aufgegeben und bezahlt; die Intendantur als oberste Instanz des Rechnungswesens für das Korps hat die Quittungen dann gestempelt und archiviert.

    Interessant das Zusammenspiel von Nutzung einer bayerischen Telegrapheneinrichtung in Frankfurt durch das Oberkommando der Bundestruppen, wenngleich mich der Inhalt der Depeschen noch mehr interessiert hätte...

  • Hallo mikrokern,

    zunächst ganz nebebei nochmals Respekt vor die Mühewaltung bzgl. der Transciption des in post686 vorgestellten Dokuments. Da hat man, wie ich an anderer Stelle mitbekommen habe, ganz schön Biss und wohl auch ein gutes Stück Intuitionsgabe haben haben müssen. Eine wirklich tolle Leistung auch von Erdinger :thumbup:

    Zu dem Dokument in post687 sei eine Frage gestattet: Wenn ich mir so den Verlauf der Auseinandersetzung und den Einmarsch der Preussen in Frankfurt am Main zum 16.07.1866 anschaue, dann wird es zur Ausführung dieses Vormarsch-Planes des Bundesheeres zwischen 30.06 und 07.07.1866 wohl nicht (ganz) gekommen sein, oder sehe ich hier etwas falsch ?

    Was mir ganz ehrlich gesagt auch schon die ganze Zeit unklar ist, ist der "Frontverlauf" zwischen den streitenden Parteien unmittelbar nach Beendigung der Feindseligkeiten. Gibt es hierzu evtl. eine Karte o.ä., ich habe im internet nur eine finden können, welche die wichtigsten Gefechte und deren Standort punktiert, aber ohne Datum aufzeigt.

    Schönen Gruß !

    vom Pälzer

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Hallo Pälzer,

    zu der geplanten Vereinigung der Bayern mit dem VIII. Korps bei Hersfeld ist es aufgrund der Niederlage der Hannoveraner bei Langensalza (27.6.) und der nachfolgenden Südwestbewegung des preussischen Korps nicht gekommen. Die Bayern fanden sich am 30. Juni, noch isoliert vom VIII. Korps, nicht gewachsen, es alleine mit den Preussen aufzunehmen, und so wollte man sich bei Fulda treffen. Aber auch dazu kam es nicht - aufgrund der erlittenen Niederlagen in der Rhön, und weil die Divisionen des VIII. Korps keine gemeinsame Strategie verfolgten und jeder sich selbst der nächste war. Details zu den Heeresbewegungen dieser Tage sind hier zu finden:

    http://www.hehl-rhoen.de/pdf/bruderkrieg_1866.pdf

    Zur zweiten Frage: es gab keinen wirklichen "Frontenverlauf" nach Ende der Kampfhandlungen (Beschiessung der Festung Marienberg am 27.7. und Waffenstillstandsverhandlungen am 31.7.). Die süddeutschen Divisionen und Österreicher sind mehr oder weniger schnell heimmarschiert; das VIII. Korps war am 8. August, als Prinz Alexander den Oberbefehl niederlegte, bis auf die Nassauische Brigade, faktisch aufgelöst. Die bayerischen Divisionen haben sich ebenfalls nach Süden zurückgezogen: So stand die 1. ID Anfang August in Ochsenfurt, die 2. ID in Arnstein, die 3. ID in Marktbreit und die 4. ID in Kitzingen, also alle östlich von Würzburg, auf einer Linie von Norden nach Süden, aber angesichts des verlorenen Krieges und der politischen Lage nicht in einer echten "Frontenstellung". Vier Wochen später befanden sich alle in der Gegend von Neuburg (Donau) und Ingolstadt.

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • Hallo mikrokern,

    besten Dank, den link werde ich dann gleich mal bei einer guten Tasse Kaffee durchgehen.

    + Gruß

    vom Pälzer

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Lieber mikrokern,

    zu deinen 3 herrlichen Dokumenten aus Post #687 (man kann gar nicht glauben, dass dieses doch eher ausgefallene Thema schon fast 700 Posts hier zu generieren in der Lage war - Chapeau hierfür!):

    Die Besonderheit, auf die m. E. noch nicht hingewiesen wurde, war die "inländische" Beförderung. Der Experte staunt und der Laie wundert sich, wie eine Depesche von Frankfurt am Main nach Mainz eine "inländische" Beförderung darstellen sollte, höchstens, so könnte man denken, eine innertaxische Beförderung. Aber gerade das wäre völlig falsch! Es war eine innerbayerische Beförderung, denn Bayern hatte in Frankfurt am Main und in Mainz eigene Telegraphenstationen, in denen bayerische Telegraphenbeamten dienten. Diese Stationen galten postalisch als exterritorial, weswegen auch Bayern allein die für die Versendung anfallenden Gebühren erhielt.

    Das wäre schon ohne die sehr beachtenswerte 1866er Relevanz etwas besonderes, umso mehr hier, wo Geschichte geschrieben wurde, die Deutschland veränderte.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber Bayern klassisch,

    dass es in Frankfurt eine "königlich bayerische Telegraphenstation" gab, war mir bewusst, aber nicht, dass das auch für Mainz galt!

    Wie war denn das "Geschäftsmodell" für Telegraphenstationen in anderen Ländern: waren das angemietete Räumlichkeiten, und man bezahlte eine Art Miete für die "Hardwarenutzung" (also Draht, Masten, Sender/Empfänger, Reparaturen, Nutzung)? Oder hat Bayern ein eigenes Drahtnetz auf eigene Rechnung unterhalten und dem Fremdstaat eine vertragliche Gebühr bezahlt? In welchen Städten gab es bayerische Stationen? Hatten andere Staaten auch welche in Bayern?

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • Lieber mikrokern,

    viele interessante Fragen, die ich leider nicht beantworten kann.

    Auf dem Postgebiet TT gab es m. W. in Darmstadt, Worms, Mainz, Frankfurt am Main, Gotha und Coburg bayer. Telegraphenstationen. Evtl. habe ich auch die ein oder andere vergessen.

    Was ich weiß, ist was ich geschrieben habe. Evtl. weiß ein andere näheres bzw. kann deine Fragen beantworten.

    Fremde Telegraphenstationen in Bayern kenne ich nicht, aber auch da mag es die ein oder andere gegeben haben.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo,

    einen weiteren "Lazarettbrief" aus dem Umfeld der Schlacht von Langensalza (27. Juni 1866) und des verlorenen Feldzugs der Hannoveraner zeige ich hier. Den in den posts 448 und 655 gemachten Erläuterungen zu derartigen Spendensendungen zum Wohle der verwundeten Soldaten und ihren Angehörigen ist nichts hinzuzufügen. Der Absender, der mit der Wertsendung vom 6. Juli aus Osterholz 100 Thaler an das "Comite für die verwundeten und Hinterbliebenen der gefallenen Hannoverschen Soldaten, Herr Julius Meese" schickte, schrieb:

    Lieber Julius,

    Beikommend empfängst Du als weiteren Beitrag für das Comite für die armen Verwundeten (?) 100 von verschiedenen Gemeinden des Kirchspiels Scharmbeck , und hoffe ich, daß bald weitere Sendung folgen wird. Wenn Ihr eine Parthie Exemplare des Aufrufs noch disponible habt, so sende mir dieselben. Ich komme bald, dann mehr von Deinem Schmanel

    Scharmbeck, 5. Juli 1866

    Ich habe seit 3 Tagen im Zimmer bleiben müssen, mein rechtes Knie ist sehr schmerzhaft - wahrscheinlich Erkältung.

    Den im Brief erwähnten "Aufruf" zeige ich hier nochmals.

  • Lieber mikrokern,

    es wurden 100 Reichsthaler übermacht.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber mikrokern,

    Reichsthaler Courant wurden mit dieser Ligatur abgekürzt, oder verstehe ich deine Frage nicht?

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Hallo Bayern klassisch,

    doch, genau das ist meine Frage: wie genau ist die buchstabenweise Transkription der "Reichsthaler"-Krakel/Abkürzung?

    Wüsste das gerne für künftige derartige Währungskürzel.

    Beste Grüsse vom
    µkern