Der Deutsche Krieg 1866

  • Hallo,
    hier ein Telegramm aus Göttingen nach Hannover vom 17. Juni 1866. Nach der überraschenden Kriegserklärung Preußens am 15.6. und der überstürzten Flucht der Regierung und des Militärs aus Hannover nach Göttingen am 16.6. suchte sich die hannöversche Armee dort zu konsolidieren, um sich dann mit den süddeutschen Verbündeten zu vereinigen (erwartet wurde das Eintreffen der bayerischen Armee).
    Der Oberst und Generaladjutant Dammers telegraphierte daher am 17.6. von Göttingen an den Generalstabsarzt Louis Stromeyer, der offensichtlich noch in Hannover weilte, das am selben Tag von der preußischen Division Goeben besetzt wurde:
    Seine Majestät wünschen zu wissen ob Sie nicht schleunigst zur Armee kommen und befehlen daß Sie sich fürdersamst nach Göttingen begeben.
    Dammers Oberst und General Adjutant
    Louis Stromeyer (1804-1876) war 1866 der ranghöchste Mediziner in der Armee des Königreichs Hannover und nahm wenige Tage später auch an der Schlacht von Langensalza teil.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Louis_Stromeyer

  • ...boa, boa...Ordre von aller-aller-höchster Stelle...wenn ich sowas mal in meinem Sammelgebiet incorporieren könnte, würd` ich auf den Knien rutschen, dass ein neues Paar Hosen fällig wäre.

    Glückwunsch für dieses Brett !

    + Gruß

    vom Pälzer :thumbup:

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Lieber mikrokern

    Obwohl kein Kenner dieser Materie, meine ich doch eingermaßen ermessen zu können, dass dieses Telegramm ein Knaller ist.

    Herzlichen Glückwunsch und liebe Grüße von maunzerle :thumbup:

    "Ein Leben ohne Philatelie (und Katzen) ist möglich, aber sinnlos!" (frei nach Loriot, bei dem es allerdings die Möpse waren - die mit vier Beinen wohlgemerkt)

  • Lieber Wilfried,

    ja, die Hannöverschen warteten auf die Bayern - die aber kamen nicht, daher musste ich mich mal bei einer Naposta in Hannover einiges anhören von einem Einheimischen Postgeschichtler dort, obwohl mir doch dank der Gnade der späten Geburt nun wirklich kein Vorwurf zum Ausbleiben bayerischer Truppen 1866 gemacht werden konnte ...

    Traumstück!

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo Mikrokern,

    ja, die besten Glückwünsche zu diesem bedeutenden Telegramm aus dem Vorfeld der Schlacht von Langensalza!

    Schön das es in Deiner Sammlung gelandet ist, dort findet es sicher den passenden Platz :)

    Tolle Stück!

    Beste Grüsse von
    Bayern Social


    "Sammler sind glückliche Menschen"

  • Danke für die positive Rückmeldung an VorphilaBayern und alle anderen!

    Werde in Bälde mit einigen weiteren Briefen nachlegen, Schlegel war so nett, sie mir zu überlassen...

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • Feldpostbrief vom 2. Bataillon des Hamburgischen Infanterie-Regiments nach Hamburg (Ankunft am 7.8.1866)

    Nachdem sich die Hansestädte zu Kriegsbeginn noch neutral verhalten hatten, beschloss der Hamburger Senat nach der Schlacht von Königgrätz (3.7.) am 5.7.1866, ins Bündnis mit Preußen gegen Österreich einzutreten. Am 22.7. erfolgte der Ausmarsch des hamburgischen Kontingents (ca. 1700 Mann), das der oldenburgisch-hanseatischen Brigade unter Generalmajor v. Weltzien zugeordnet war. Während das 1. Bataillon am 23.7. in Frankfurt blieb, marschierte das 2. Bataillon über Aschaffenburg und Miltenberg nach Wertheim, bevor es am 28.7. bei Hettstadt, westlich von Würzburg, einrückte. Die Hamburger kamen aber nicht mehr ins Gefecht, da am Abend des 28.7. der Befehl vom preußischen Oberkommando aus Eisingen eingetroffen war, alle Feindseligkeiten einzustellen.

    Danach wurde die der Division Goeben unterstellte oldenburgisch-hanseatische Brigade zu Besatzungsaufgaben herangezogen. Anfang August bezog das 2. hamburgische Bataillon Quartier im Raum Grünsfeld-Lauda-Boxberg, südöstlich von Tauberbischofsheim.

    Aus diesen ersten Tagen im August 1866 stammt der gezeigte Brief in die Heimat, bevor die Hamburger am 19.8. von der Bevölkerung aus dem Amt Boxberg mit einem Feldgottesdienst verabschiedet wurden, um am 27./28.8. von Rosenberg aus mit der Eisenbahn über Osterburken und Heidelberg nach Offenbach zur Rückkehr in die Heimat zu fahren.

  • Lieber mikrokern,

    großes Kino - einen solchen nach Hamburg natte ich zuvor noch nicht gesehen und ohne deine Hintergrundinifos fast ein Brief wie jeder andere (aus dem Krieg).

    Ich habe auch einen zu diesem Thread beizutragen - aber erst, wenn sich alles nach der JHV gesetzt haben wird, denn ich habe noch viel zu verdauen. ^^

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo,
    am 29.6.1866 schrieb der Gefreite Friedrich Schuster, Artillerie-Ersatz-Abteilung im Westfälischen Feld-Artillerie-Regiment Nr. 7 in Münster, einen Brief an seinen Freund Ferdinand Luckhaus in Barmen.

    Lieber Ferdinand,
    Du wirst sicherlich mitunter schon gedacht haben ich stecke irgendwo in Sachsen oder Schlesien bei einem der dort operierenden Truppentheile um zur Züchtigung des Feindes hülfreiche Hand zu leisten, dem ist jedoch zu meiner Freude nicht so, und wenn nicht andere Leute ein heftigeres Verlangen kriegen dem Oesterreicher das Fell zu gerben, so würde er ziemlich ungeschoren davonkommen. Mein lieber Freund, ich befinde mich gegenwärtigen in der alten, ehrsamen Bischofsstadt Münster wohin ich von Iserlohn per Bahn direkt dirigiert wurde. Mit mir trafen über 200 Landwehr-Artilleristen, meistens Unabkömmlinge oder sehr alte Altersklassen, theilweise schon aus dem 2ten Aufgebot, ein. Wir wurden der hier gebildeten Ersatz-Abtheilung zugewiesen, deren edle Aufgabe darin besteht, die durch die Oesterreicher in den Reihen unserer Armee bewirkten Lücken wieder auszufüllen. Nun ich hoffe solche Unverschämtheiten werden unsere Truppen sich nicht gefallen lassen, und fällt dann natürlich unsere Aufgabe in sich selbst zusammen. Mit unserer Equipierung sieht es trübselig aus, es mangelt an allen Theilen und haben wir daher vorerst mit dem von den mobilen Truppentheilen zurückgelassenen Schund vorlieb nehmen müssen; eigen Schuhe und Hemde tragen wir noch bis jetzt. Es wird jetzt riesig in den Oekonomie- Werkstätten gearbeitet, sodaß binnen kurzem wieder Tausende in die Zwangsjacke gesteckt werden können. Für uns ist das Gute dabei, in einem solchen Habit nicht zum Felddienst verwendet werden zu können. Im Übrigen ist es hier ziemlich langweilig; wir liegen in der Kaserne, müssen sogar noch exerziren und was dergl. Plackereien mehr sind, erhalten wir Friedensportionen und von dem heidenmäßig vielen Gelde erhalten wir heidenmäßig wenig. Täglich bringen große Züge Landwehrleute aus allen Theilen Westphalen und Rheinland´s die von hier weiter befördert werden; ich hege sogar gelinden Zweifel ob der Emil noch zu Hause ist!
    Im Uebrigen lieber Ferdinand sind meine Mittheilungen für diesmal erschöpft, und mußt du mit diesem Wenigen vorlieb nehmen. Schreibe mir gelegentlich wieder und empfange die besten Grüße an Dich & die Deinigen von deinem Dich liebenden
    Friedrich

    Münster den 29/6 66
    Gefrt. F.S. Art. Ersatz Abth. Westph. Feld-Art. Reg. No. 7 Münster

    Der Tenor ist eher zynisch als kriegsfreudig, eine derartige Skepsis habe ich bisher eher in Briefen süddeutscher Militärangehöriger in die Heimat erkennen können. Begeisterung klingt anders, die Aufstellung im offensichtlich mangelhaft ausgerüsteten Ersatz-Bataillon könnte ein Grund für den Mißmut sein...
    Das Feld-Artillerie-Regiment No. 7 war ein wichtiger Verband des preußischen Militärs in Westfalen und mit mehreren Batterien in den Divisionen der Main-Armee vertreten.
    http://wiki-de.genealogy.net/FAR_7

    Leider ist der Truppenstempel sehr schwach abgeschlagen, ich kann nur "ERS.-ABTH...R-BAT..." lesen. Vielleicht kann jemand mit Bildbearbeitungssoftware und -kenntnissen mehr herausholen?

  • Hallo,
    nicht zuletzt dank der Mithilfe des lieben Erdinger habe ich näheres über die Einheit des Absenders des im vorigen post gezeigten Briefes herausfinden können. Die Inschrift im Truppenstempel dürfte "ERS.-ABTH. WESTPH. TR.-BAT. No. 7" lauten, was für "Ersatz-Abteilung Westphälisches Train-Bataillon No. 7" steht.
    Das Westfälische Train-Bataillon Nr. 7 war dem VII. Armee-Korps zugeordnet und versorgte auch das ebenfalls in Münster stationierte Westfälische Feldartillerie-Regiments Nr. 7 mit Transporten und Nachschub. Einheiten des Bataillons waren als Munitionskolonnen zur Unterstützung der Artillerie (u.a. Batterien des Westfälischen FAR 7) bei den Divisionen Goeben (13. ID) und Beyer am Mainfeldzug beteiligt.
    Somit gehörte der Gefreite Schuster einer "Ersatz-Abteilung" dieses Bataillons mit Garnison Münster an. Die Geringschätzung, die man diesen Soldaten entgegenbrachte und die in folgendem Passus Niederschlag findet, war dann wohl auch ein Grund für die negative Grundstimmung im Brief des Schreibers:
    ...Zudem rekrutierten sich die bisherigen Trainsoldaten aus schlecht ausgebildeten Mannschaften, geführt von Landwehr- oder reaktivierten Offizieren und Unterführern im Halbinvalidenstand. Die Train-Soldaten hatten gegenüber den übrigen Soldaten eine verkürzte Dienstzeit und waren zudem mit veralteten Waffen und qualitativ minderer Ausrüstung ausgestattet. Das zeugt auch von der geringen Wertigkeit, mit der die Armeeführung den Train bemaß. Folge dessen und der auch aus organisatorischen Gründen mangelhaften Leistungsfähigkeit des Trains, war das schlechte Ansehen in der Armee. Die Train-Soldaten waren oft Ziel von Hohn und Spott der kämpfenden Truppe und wurden nicht als gleichwertige Soldaten angesehen...

    aus: http://www.tapferes-westfalen.de/viiak/einheiten/train7.htm

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • Hallo Heinrich,

    leider fast unsichtbar für mich bei Anzahl von Kilobyte ... geht es etwas größer? Vielen Dank!

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Liebe Freunde,

    heute zeige ich ein Kuvert aus Sachsen, welches in Leipzig der Bahnpost übergeben wurde, die Aufgabe und Entwertung vornahm. Empfänger war die Firma Spengelin in Lindau im Bodensee. Aufmerksam wurde ich durch den vom Absender vorgenommenen Speditionswunsch "Via Cöln". Ein Datum war vorn nicht zu sehen.

    Nach dem Kauf entzückte mich die Siegelseite mit den notwendigen Stempeln, als da wären: Preußische Bahnpost Leipzig - Magdeburg 28.6.1866, Württ. - Bahnpost Zug 19 1.7.1866, Stuttgart 2.7.1866 und Lindau 2.7.1866.

    Das Aufgabedatum wird also der 27. oder 28.6.1866 gewesen sein. Normal wäre der Brief am 30.6.1866 in Lindau zugestellt worden. Hier also - via Cöln - mit 2 Tagen Verzögerung wegen des Krieges.

  • ... na ja, dann will ich mal nicht so sein ... ^^

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo,

    nach dem in post #719 gezeigten Brief hier ein weiterer an den Königlichen Zahlmeister Salowsky, kombinierte Garde-Infanterie-Brigade, kombiniertes Garde-Reserve-Regiment, 1. Bataillon, im II. Preußischen Reserve-Armee-Korps, vom 24.8.1866 aus Potsdam. Das II. Reserve-Korps nahm nach den Waffenstillstandsverhandlungen in Gräfenberg am 31.7.1866 Besatzungsaufgaben in Franken in der Gegend um Nürnberg und Bayreuth wahr.
    Der über den für das II. Reserve-Armee-Korps zuständigen Speditionspunkt Leipzig geleitete Brief von der Kanzlei-Direction der Oberrechnungs-Kammer (Siegel) war offensichtlich nicht sofort zustellbar, weshalb man den Stempel "BEI DER FELDPOST ZUR ABHOLUNG BEREIT" rückseitig (in rot) abschlug. Damit dokumentierte dieser Lagerstempel die verspätete Zustellung des Dienstbriefes, und damit auch die Ursache für etwaige Folgen aus dieser Verzögerung.