1870/71 kriegsbedingte Leitungen über die Schweiz

  • Hallo Ralph,

    ...grundsätzlich waren GB - D - CH und GB - FR - CH möglich.

    ...Erfahrung bei kriegskausalierten, heimlichen Transiten von GB über Deutschland nach der Schweiz...

    sorry, aber das verstehe ich dann nun nicht. Wenn es offiziell möglich war, warum musste dann überhaupt "verheimlicht" durch Deutschland tansitiert und in der CH mit forwardern nach F weitergeleitet werden ? Dass über Paris nichts mehr ging ist mir vollkommen klar.

    + Gruß !


    Tim

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

    Einmal editiert, zuletzt von Pälzer (27. Mai 2017 um 13:21)

  • ... weil es günstiger war (wer sich als Reisender 50 oder 100 Briefe einsteckte, bekam dafür wenig bis gar nichts - die Post hätte viel kassiert dafür).

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • ...wir drehen uns im Kreis, denn jetzt sind wir wieder an der Stelle angelangt, wo Du schon in post76 Punkt 1 drauf geantwortet hast. Warum man in GB ausgerechnet erst während bzw. wegen des Krieges auf diesen günstigen, aber weder in Kriegs- noch zu Friedenszeiten offiziell zulässigen "heimlichen Transit-Trichter" gekommen sein soll, kommt mir mit Verlaub doch recht merkwürdig vor.

    + Gruß !

    Tim

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Liebe Freunde,

    lange gesucht und endlich gefunden - ein Beleg eines heimkehrenden Soldaten, der gar nicht mal so schlecht daher kommt:

    An den v. kgl. Bez. Ger. Rath Herrn Conrad Gechter in Erlangen Hauptstrße Nro. 547

    Aschaffenburg, 4ten April 1871

    Vorgestern Abends wohlbehalten in Würzburg angekommen, mußte ich gestern mit der Kompagnie hierher abrücken: heute geht es weiter nach Obernburg, morgen nach Miltenberg, wo der Rest der Kompagnie einliefert. Von da geht es heimwärts, so daß ich gegen Ende der Woche heimkomme. Vaters Brief habe ich erhalten, in dem er den Vorschlag macht, nach Fürth, statt an die Kreuzung (Fürther Kreuzung?) zu kommen u. ich bin damit einverstanden; das Nähere über die Zeit meiner Ankunft werde ich Euch rechtzeitig mittheilen. Lebt wohl! Auf baldiges Wiedersehen B. Gechter

    Wer kann mir den Rang des Absenders nennen (letztes Wort unten) und warum ist die Postkarte mit 3 Kr. frankiert worden, da es doch ein Soldat war, der schrieb? Oder hat man einfach eine vorfrankierte Karte genommen und sich nicht um das Franko geschert?

  • Lieber Ralph,

    Absender der überflüssig frankierten Karte war Seconde Leutnant Benno Gechter
    vom 9. Infanterie-Regiment Wrede, das Anfang Juli 1871 demobil gemacht wurde.

    Gruß
    Rudolf

  • Liebe Freunde,

    traumhaft - jetzt ist alles entschlüsselt und das Stück kann das Ende meiner Mini - Sammlung 1870/71 bilden. Ich danke euch! :P:P

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo zusammen,

    so richtig verstanden habe ich den Zusammenhang mit einer Leitung über die CH zwar noch nicht, aber das ist sekundär. Dass die verwendete Poka eine normale Correspondenzkarte ist, ist nicht unüblich gewesen und war lt. General-Postamt* (1) auch von den Postämtern auf deutschem Boden zu tolerieren. Was ich aber nicht mehr für vernachlässigbar halte ist, dass sie A) nicht als Feldpostkarte erkennbar aufgegeben worden ist, B) der Hinweis lediglich auf den Sec.Lnt. auch nicht der Vorschrift (mit Einheitsangabe* (2) entsprach und C) dass die Aufgabe weit nach dem Präliminarfrieden von Versailles vom 26.02.71 erfolgte.

    Und schließlich frage ich mich, warum ein Offizier, der nach so langer Zeit nun wirklich von seiner Portofreiheit gewusst haben müsste, so spät überhaupt noch vollkommen unnütz frankiert haben soll. Was vollkommen klar ist, dass es am Anfang des Krieges die Portofreiheit für die mobilen Truppen verfügt worden ist und das auch für die dt. Besatzungstruppen in Frankreich und Kriegsgefangenenpost weit über 1871 hinaus gegolten hat.

    Was mir immer noch unklar ist, und ich mich wundere darüber nichts in der einschlägigen Primärliteratur zu finden ist, ob (überhaupt) und wann das wieder auf deutschem Boden wieder aufgehoben worden ist. Galt das bis alle Truppen demobilisiert waren oder konnte man als Soldat seine Sendungen jetzt immer portofrei in heimische Briefkästen werfen ? Ansonsten wäre die Poka schon ein echtes Kuriosum....denn was bedeutet schließlich das P.P. auf der Rückseite ? Etwa port paye ? Sorry, ich komm`da im Moment nicht ganz so mit.

    + Gruß !


    vom Pälzer

    *(1) vgl. Ordre No. 11 des General-Postamtes vom 23.07.1870
    *(2) vgl. Ordre No. 5 des General-Postamtes vom 17.07.1870

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    3 Mal editiert, zuletzt von Pälzer (3. Juni 2017 um 13:14)

  • Lieber Tim,

    das handschriftliche P.P. hat keine postalische Bedeutung, es heißt praemissis praemittendis und bedeutet, dass man alle Anreden und Höflichkeitsfloskeln beiseite lässt.

    Viele Grüße aus Erding!

    Viele Grüße aus Erding!

    Achter Kontich wonen er ook mensen!

  • Lieber Dietmar,

    alles klar, dann ist das den Freivermerk vorne unten links und die Marke anbringen wohl Wille des Absenders gewesen, was nun nicht (mehr) auf Portofreiheit schließen läßt, zumal das so (ohne Einheitsangabe) auch nicht der einschlägigen Vorschrift entsprach. Jetzt frage ich mich umso mehr, ob die Frankatur (nach so langer Zeit noch) ein Versehen war oder ob ab "irgendwann 1871" evtl. keine Portofreiheit mehr auf deutschem Boden bestanden hat. Ich finde zu letzterem zwar - wie gesagt - in meiner Primärliteratur nirgends einen Hinweis, wollte den Dingen aber schon auf den Grund gegangen sein.

    + Gruß !

    Tim

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Guten Abend,

    anbei ein Kriegsgefangenenbrief der ausweislich des rot abgeschlagenen Grenzübergangsstempels BADE MULHOUSE 11. November 1870 im Transit über die Schweiz lief. Vor Auslieferung an die französische Post erhielt der Brief den gem. dem zwischen Baden mit Frankreich ausgehandelten Vertrag vom

    14. Oktober 1856 vorgeschriebenen Portofreiheitsstempel "B.S.P." (Bade Service Public).

    Bis zur endgültigen Besetzung von Mühlhausen i. E. am 14. November 1870 fand über den Badischen Bahnhof Basel ein regionaler Postaustausch statt.

    Gruß

    1870/71

  • Hallo Rudolf,

    das ist so ein Beleg, von dem man es erst richtig lernt. Da ich noch (lange) nicht ausgelernt habe, gestatte dazu drei Fragen:

    Was wäre passiert, wenn Baden seinen BSP nicht abgeschlagen hätte, war das etwa ein "Muss" ? Mich irritiert das etwas, denn im niederschlesischen Glogau hatte der Kriegsgefangenenbrief ja - eigentlich - schon den obgliatorischen Vermerk der Portofreiheitsverfügung vom 7.8.1870 erhalten. Hätte allein dieser etwa nicht gereicht ?

    Wurde der badische BSP, der ja eigentlich die Portofreiheit für in Friedenszeiten nach Frankreich laufende Dienstbriefe von badischen Behörden verkörperte, in seiner Funktion auf Briefe von Kriegesgefangenen erweitert und dies zuvor mit Frankreich etwa abgestimmt ?

    Was ist eigentich in Friedenszeiten der reale Grenzübergang Bade - Mulhouse gewesen, auch über die Schweiz via Badischer Bahnhof Basel ?

    LG

    Tim

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Hallo Tim,

    wenn Baden den BSP nicht aufgesetzt hätte, wäre der Brief ebenfalls kostenfrei für den Adressaten gewesen.

    Ich bezweifle eine Absprache zwischen Baden und Frankreich.

    Nun zu deiner letzten Frage. Die badischen Postanstalten des Wiesentals tauschten die Korrespondenzen für die Departemente Haut-Rhin (mit Ausnahme von Neu-Breisach), Doubs, Haute-Saone und Jura über Basel aus.

    Bisher sind nur wenige Belege mit dieser Kriegsumleitung bekannt.

    Viele Grüße

    Rudolf

  • Hallo zusammen,

    ein Sammlerfreund hat bei mir angefragt, wieso auf seinem Brief aus Leipzig nach Freiburg in Baden der Stempel "Schweiz über Baden" abgeschlagen ist. Da der Brief von Ende November 1870 ist, stelle ich ihn mal in diesem Thread hier ein. Weiß jemand, ob zu der Zeit wegen des Kriegs die Postverbindung Heidelberg - Freiburg gestört war und der Brief möglicherweise einen Umweg über die Schweiz nehmen musste? Allerdings kam der Brief schon nach zwei Tagen in Freiburg an, das spricht aus meiner Sicht dagegen.

    Viele Grüße

    Bruno

  • Hallo Bruno,

    mir ist nicht bekannt, dass der Postverkehr auf der Bahnlinie Heidelberg-Freiburg Ende November 1870

    gestört war. Hierfür spricht ja auch die Laufzeit von zwei Tagen. Den Leitstempel "Schweiz über Baden" halte ich für überflüssig.

    Gruß

    1870/71

  • Lieber Bruno,

    ich schaue morgen mal nach, ob ich den badischen Bahnpoststempel identifiziert bekomme, dann reden wir weiter.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber Bruno,

    nach all den Jahren komme ich bei deinem Brief hinsichtlich der badischen Eisenbahnen nicht weiter, weil der Abschlag siegelseitig für mich eindeutig Zug 12 zeigt und als Datum den 30.11.1870. Laut meinen Unterlagen, die bisher immer richtig und vollständig waren, gab es den Zug 12 nur vom 1.11.1862 bis zum 31.5.1870 mit der Fahrstrecke Basel - Heidelberg - Frankfurt/M..

    Durch den Krieg war auch die bad. Bahnpost gezwungen, sich der jeweils neuen Lage anzupassen. Wegen des Ausbruchs des Krieges war zum 24.7.1870 der Verkehr eingestellt worden und wurde teilweise am 15.8.1870 wieder aufgenommen. Erst zum 15.7.1871 (!!) gelang es, die komplette Wiederaufnahme zu erreichen.

    Bei deinem Brief denke ich, dass er wie folgt lief:

    Leipzig 28.11.1870, Bamberg, Nürnberg, Stuttgart, Basel, Freiburg, wobei in Basel die Briefe nach Frankreich ausgeschieden wurden und im geschlossenen Transit über die CH mit Paris ausgetauscht wurden, hingegen die, die auf deutschem Boden verbleiben sollten, wie der deine, umkartiert werden sollten am Basler Badischen Bahnhof auf die Nordroute nach und über Freiburg, Mannheim, Heidelberg und Heppenheim.

    Vermutlich war er daher falsch kartiert worden, oder es hat einer den falschen Stempel benutzt, anders kann ich es mir nicht erklären, auch nach Stunden der Knobelei.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo zusammen,

    herzlichen Dank für eure Antworten. Dem Hinweis auf Basel badischer Bahnhof werden wir weiter nachgehen. Vielleicht können wir irgendwann mal beweisen, dass diese Stempeltype dort im Bahnhof benutzt wurde. Übrigens haben wir in unserer Belege-Datei "Schweiz über Baden" noch eine Postkarte von August 1871 von Basel nach Freiburg, auf der zusätzlich auch ein Stempel vom Zug 12 vorhanden ist.

    Vielen Dank und Grüße

    Bruno

  • Hallo Bruno,

    mir ist ein Brief vom 3. Januar 1871 aus Pont-du-Chateau / Dep. Puy-de-Dome bekannt, der im

    Transit durch die Schweiz und Baden nach Straßburg i E. lief.

    Rückseitig abgeschlagen findet sich ein Einzeiler in Fraktur "Schweiz via Baden".

    Es handelt sich also um einen Herkunftstempel, der auf dem von dir vorgestellten Brief keinen

    Sinn ergibt.

    Gruß

    1870/71

  • Hallo 1870/1871,

    wir wissen, dass die Ovalstempel Schweiz über Baden sowohl in den Postbüros an Bahnhöfen als auch in den Zügen selbst verwendet wurden. Um herauszufinden, welcher Stempeltyp wo verwendet wurde, brauchen wir viele Scans zum Vergleich. Wenn du also einen Scan von dem Frankreich-Brief hast, dann stelle ihn bitte hier ein.

    Der von Ralph erwähnte Umweg von Stuttgart über Basel nach Freiburg wäre bewiesen, wenn der Zug 12 auch nach Mai 1870 immer noch in Nordrichtung auf der Strecke von Basel nach Heidelberg verkehrte. Aber leider fehlen entsprechende Bahn-Fahrpläne.

    Die Möglichkeit, dass der Brief im falschen Postsack gelandet war, kann man natürlich nie ausschließen.

    Viele Grüße

    Bruno